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Neuro-Steuerung: Nextmind setzt Gedanken in Computerbefehle um

Nextmind will eine Möglichkeit entwickelt haben, Software, etwa Computerspiele mit Gedanken zu steuern. Dazu dient eine 60 Gramm leichte Scheibe, die dort am Hinterkopf getragen wird, wo sich der visuelle Kortex befindet. Acht besonders sensible Elektroden dringen wie ein Kamm durchs Haar. Bei Kontakt mit der Kopfoberfläche messen sie die Hirnaktivität.
Damit funktioniert das Gerät von NextMind im Wesentlichen als Elektroenzephalogramm (EEG), misst also Spannungsschwankungen von Nervenzellen von außerhalb des Schädels. EEG kommen vor allem in der neurologischen Praxis, aber auch in der Kognitionswissenschaft und einer Reihe anderer Gebiete zum Einsatz.

Unspektakuläre Optik, spektakuläre Funktion. (Foto: Nextmind)
Um die Steuerung zu initial etablieren, muss sich ein Nutzer zunächst auf ein markantes visuelles Objekt fokussieren. Damit kalibriert Nextmind das System und erzeugt eine Art neurologischen Fingerabdruck des Trägers. Die Neurosynchronität zwischen fokussiertem Objekt und den korrespondierenden Hirnströmen soll dann so eindeutig messbar sein, dass die visuelle Fokussierung in Computerbefehle übersetzt werden kann.
Eine ständig hinzulernende KI verbessert diese Synchronität immer weiter, so dass das Gerät mit steigender Benutzung immer präziser werden soll. Das folgende Video erklärt das Prinzip.
Nextmind hat bislang keinen dedizierten Anwendungsfall und will das Gerät zunächst als Entwickler-Kit für vergleichsweise günstige 400 US-Dollar verkaufen. Die Lieferung soll schnellstmöglich, jedenfalls aber im ersten Halbjahr 2020 erfolgen. Eine Warteliste existiert ebenfalls bereits.
Mit dem Entwicklerkit verfolgt Nextmind nicht ganz uneigennützige Ziele. Zum einen werden über mehr Teilnehmer mehr Daten gesammelt. Damit kann die KI schneller verbessert werden. Zum anderen entstehen neue Anwendungen, die Nextmind vielleicht noch gar nicht im Visier hatte. Hersteller selbstfahrender Autos könnten beispielsweise Elektroden in die Sitze einbauen, sodass Komfortfunktionen des Fahrzeugs allein mit Hirnsignalen aktivieren werden könnten.
Auch darüber hinaus sind durchaus weitere Einsatzgebiete denkbar. Insbesondere die Industrie, aber auch das Militär dürften spontan etliche Ideen haben. Immerhin gibt es immer wieder Fälle, in denen Nutzer sich eine dritte Hand wünschen würden, um bestimmte Tätigkeiten durchzuführen. Hier käme eine Gedankensteuerung gelegen.
Nextmind arbeitet an der Verkleinerung des Interface, um es künftig unauffälliger und sicherer tragbar zu machen. Ganz generell sieht Nextmind-Chef Sid Kouider die derzeit größten Einschränkungen bei der Hardware. Die müsse noch weit genauer arbeiten können.
Auf der CES konnte die Technik anhand einer Reihe von definierten Test-Szenarien ausprobiert werden. Wir hatten zwar nicht die Gelegenheit dazu, verschiedene Kollegen haben sich jedoch ein Bild von Nextmind gemacht. Deren Fazit ist gemischt. Zwar bestätigen sie dem System, dass es grundsätzlich funktioniert. Es sei jedoch insgesamt sehr stark auf visuelle Gedankenreize ausgelegt, so dass unklar bleibe, wo die Vorteile zu einem Eye-Tracking-System liegen.

Nextmind-Clip mit VR-Brille im Tandem. (Foto: Nextmind)
Jedenfalls hat Nextmind, dessen Chef Sid Loudier Neurowissenschaftler ist und der bereits mehrfach zum Thema in Fachmagazinen wie Science und Nature publiziert hat, ganz offenbar ein Produkt mit Potenzial geschaffen.
Wettbewerb erwächst Nextmind übrigens ausgerechnet von einem finanziellen Schwergewicht. Auch Facebook arbeitet an einer Gedankensteuerung, setzt dabei jedoch auf ein Armband anstelle eines Elektrodenkamms.
Elon Musks Neuralink geht sogar noch einen Schritt weiter und will eine Hirn-Computer-Schnittstelle direkt als Implantat an den Markt bringen. Neurologen sehen das kritisch und halten die Ankündigung für wenig seriös.
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