Die meisten Bootcamps setzen auf intensive Unterrichtseinheiten in Vollzeit – der Name kommt nicht von ungefähr. Sehr komprimiert und intensiv lernen die Teilnehmer dort etwa Grundlagen in Web-Entwicklung, Data-Science oder UX-Design. Sie erfordern oft einen All-In-Approach: Berufstätige Teilnahmewillige müssen in vielen Fällen ihre Jobs kündigen, die Gebühren belaufen sich meistens auf einen höheren vierstelligen Betrag. Wer im Verlauf eines solchen Bootcamps unglücklicherweise trotz reiflicher Vorüberlegung bemerkt, dass der gewählte Bereich doch nicht den eigenen Talenten, Neigungen und Interessen, oder die Qualität der Lehre nicht dem persönlichen Lerntyp entspricht, bleibt im schlechtesten denkbaren Fall auf den Kosten, der verlorenen Zeit und dem gekündigten Job sitzen.
Sponsoren und ehrenamtliche Mitarbeiter
Das 2017 in Münster gegründete Startup Techlabs unterscheidet sich von anderen Anbietern nicht nur dadurch, dass die Teilnahme an den insgesamt vier Kursen im Portfolio – Data-Science, Webentwicklung, UX-Design und AI – kostenlos ist, sie sollen zudem neben dem Beruf oder Studium machbar sein. Brando Vasquez ist Designer bei Microsoft und einer der Co-Founder des Standorts Berlin: „Unser Modell setzt sich zusammen aus remote Learning und wöchentlichen Präsenzeinheiten, die neben der Beantwortung von Fragen und der Vertiefung einzelner Themen auch für Teambuilding-Maßnahmen genutzt werden“, erzählt er im Gespräch mit t3n. Insgesamt gibt es mittlerweile acht Standorte, vier davon in Deutschland. Jeder Standort wird von mindestens fünf Freiwilligen betreut, hinzu kommen laut Vasquez erfahrene Coaches, oft mit einem universitären Hintergrund. Vasquez und seine Mitgründer arbeiten komplett ehrenamtlich für Techlabs, Geld bekommen sie für die wöchentlich etwa zehn Stunden Arbeit für das als Verein eingetragene Startup nicht. Finanziert wird Techlabs e.V. über Sponsoren, darunter bekannte Namen wie Accenture oder Ernst & Young.
Lernmix aus Video- und Präsenzformaten
Wer zugelassen wird, bekommt Lehrmaterialien im Videoformat zur Verfügung gestellt, koordiniert und gecoacht wird größtenteils über Slack. Bewerben kann sich grundsätzlich jeder, sagt Vasquez, wichtig sei vor allem die richtige Motivation. Relevante Vorkenntnisse komplett außen vor zu lassen, hält er allerdings nicht für den richtigen Weg. Gerade Bewerberinnen, die sich für den Data-Science-Pfad interessierten, müssten ein Mindestmaß an Vorkenntnissen in Python und ein gewisses mathematisches Verständnis mitbringen. „Es bringt nichts, wenn wir zum Beispiel einen Bewerber ohne Vorkenntnisse für Data-Science zulassen und am Ende hat er die ganze Zeit das Gefühl, alle anderen starten unter sehr viel besseren Voraussetzungen“, sagt er.
Theoretisch sei es auch möglich, alle vier Pfade nacheinander zu absolvieren. Investieren müssen die Teilnehmer 16 Wochen lang etwa ein bis zwei Stunden täglich, hinzu kommt ein Präsenztermin wöchentlich, der aufgrund der Corona-Pandemie im Moment noch remote stattfindet. Ersetzen können diese virtuellen Treffen den persönlichen Austausch vor Ort aber nur bedingt. So bald wie möglich sollen die Teilnehmer wieder im echten Leben zusammenkommen können. Deshalb ist es wichtig, dass sich die Bewerber vor Ort befinden. Wer nicht in Aachen, Münster, Berlin oder Dortmund wohnt, hat im Bewerbungsprozess keine Chance, verrät der Gründer. Die Auswahlverfahren sind jedes Mal sehr zeitaufwendig, zuletzt hatten sich für den Standort Berlin über 400 interessierte Kandidaten beworben. Verteilt auf die vier thematischen Ausrichtungen konnten sich 60 davon über eine Zusage freuen.
Win-win – egal, wie es ausgeht
Ein „klassisches“ Vollzeit-Format können die Kurse bei Techlabs nicht ganz ersetzen, gibt Vasquez zu. Das sei aber auch nicht der Anspruch. „Techlabs will Orientierungshilfe und Sprungbrett sein, über das interessierte Quereinsteiger sich ohne finanzielles Risiko erste Kenntnisse in einem der vier Bereiche aneignen können. Wer nach Abschluss eines der Techlabs-Lernpfade nicht bereit ist, seinen beruflichen Werdegang komplett auf Webentwicklung, AI, UX-Design oder Data-Science auszurichten, profitiert trotzdem von einer Teilnahme, ist Vasquez überzeugt: „Die zunehmend digitaler werdende Arbeitswelt bietet immer öfter Positionen an Schnittstellen zwischen IT und dem eigenen Bereich der Expertise, in denen Bootcamp-Absolventen mit dem erworbenen Wissen glänzen können.“ Und jeder, der danach merke, dass zum Beispiel Data-Science genau das Richtige sei und das weiter vertiefen wolle, habe damit eine fundierte Grundlage, um sich zum Beispiel für die Teilnahme an einem intensiveren Format für Fortgeschrittene zu entscheiden, sagt der gebürtige Peruaner und verrät, dass auch er selbst über Umwege in der Techbranche Fuss gefasst hat: Ursprünglich einmal studiert hat er Architektur.
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