Auf einem eher unscheinbaren Gebäude in einem Industriegebiet im südafrikanischen Kapstadt ruhen die Hoffnungen eines ganzen Kontinents. Dort arbeitet das Biotech-Unternehmen Afrigen Biologics daran, einen mRNA-Impfstoff für Afrika zu entwickeln.
Hervorgegangen ist das Vorhaben aus der globalen Covax-Initiative zur Entwicklung von Covid-19-Impfstoffen. In diesem Rahmen wurden Hersteller aufgefordert, sich um die Einrichtung eines mRNA-Hubs für Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen zu bewerben. Afrigen Biologics setzte sich dabei gegen rund 60 Mitbewerber durch. Die Finanzierung übernehmen die Europäische Union, die Weltgesundheitsorganisation sowie mehrere weitere Länder und Institutionen wie die Gesundheitsorganisation der Afrikanischen Union.
Afrigen Biologics forscht mit Universität an mRNA-Vakzin
Afrigen Biologics ist kein neues Unternehmen. Schon seit fünf Jahren forschen die Wissenschaftler unter Führung von Geschäftsführerin Petro Terblanche an Impfstoffen. Zunächst fokussierte sich Afrigen auf Tuberkuloseimpfstoffe, jetzt liegt der Schwerpunkt auf der mRNA-Technologie. Dabei nimmt Afrigen den Impfstoff von Moderna als – sagen wir – Vorbild.
„Wir konnten öffentlich verfügbare Informationen nutzen, um herauszufinden, wie die Moderna-mRNA produziert wird. Wir haben die Sequenz und den Kontext der Sequenz, die wir reproduzieren konnten – der Zweck davon ist, sie als Referenz zu verwenden und nicht als Produkt“, erläutert Patrick Arbuthnot, Direktor an der Witwatersrand-Universität (Wits) in Johannesburg. „Wir möchten unsere eigenen Ideen entwickeln – und das tun wir bereits – und diese mit dem Moderna-Impfstoff vergleichen.“ Arbuthnots Team ist der wichtigste Kooperationspartner von Afrigen.
Dabei hatte das Unternehmen zuerst versucht, Moderna selbst als Partner zu gewinnen – erfolglos. Deshalb habe sich Afrigen jetzt mit „unseren Universitätspartnern und der Wissensbasis in Südafrika zusammengetan, um unseren eigenen Impfstoff zu entwickeln“, sagt Terblanche. Das klingt vielversprechend. Immerhin forschen auch die Wissenschaftler der Forschungseinheit für antivirale Gentherapie an der Wits seit 2015 an mRNA-Therapien.
Dabei haben die Akteure die Unterstützung der südafrikanischen Regierung. Die hat den Auftrag erteilt, einen Impfstoff zu entwickeln, der auch gegen die neue Omikron-Variante wirksam ist. Derzeit ist nur einer von vier Südafrikanern vollständig geimpft. Die Anpassung auf Omikron gilt bei Afrigen als nicht unbedingt schwierig, aber langwierig. Im Wits-Labor gehen sie davon aus, dass sie in „ein paar Monaten“ eine DNA-Sequenz haben, die dann an Mäusen getestet werden könnte.
Patentgefahren: Moderna-Basis stellt ein Risiko dar
Terblanche würde diesen langwierigen Prozess, der klinische Studien erfordert und Jahre dauern kann, gern abkürzen. Dafür aber brauchte sie die Mitarbeit eines Unternehmens, das bereits einen mRNA-Impfstoff entwickelt hat. Wenigstens auf eine Aussetzung der Patentrechte hatte Südafrika seit Beginn der Pandemie gedrängt – erfolglos.
Moderna hatte zwar im Juli eine Verzichtserklärung abgegeben, die besagt, dass der Hersteller während der Pandemie nicht auf seine Impfstoffpatente klagen werde. Moderna stellte aber bereits klar, dass dies nicht dahin gehend missverstanden werden dürfe, dass nun andere Unternehmen Impfstoffe auf Modernas Vakzin basieren lassen und dann vermarkten könnten.
Das beunruhigt die Afrigen-Geschäftsführerin. Sie sagt: „Aufgrund der Verzichtserklärung können wir den Impfstoff legal bis zu klinischen Studien bringen, ohne geistiges Eigentum zu verletzen. Aber eigentlich würden wir gern eine freiwillige Lizenz erwerben, um diese Technologie auf andere Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen zu übertragen und die Plattform für andere Impfstoffe zu nutzen.“
Afrigens Covid-Impfstoff soll dabei nicht patentiert werden, sondern eine Art Open-Source-Technologie sein. Die WHO werde dann kostenfreie Lizenzen an Entwicklungs- und Schwellenländer vergeben und damit ermöglichen, dass Produktionskapazitäten überall auf der Welt aufgebaut werden. Mit einem fertigen Vakzin rechnet Terblanche indes nicht realistisch vor Anfang 2024.
Afrika soll unabhängig von ausländischen Impfstoffherstellern werden
Das ficht die Geschäftsführerin nicht an, denn Afrigens Ambitionen gingen ohnehin weit über Covid hinaus. Vielmehr seien sie als Teil einer Strategie zu verstehen, die dazu führen soll, dass 2040 60 Prozent der in Afrika benötigten Impfstoffe auch dort hergestellt werden können. Die Pandemie habe lediglich deutlicher gemacht, dass Schritte zu mehr Unabhängigkeit längst überfällig gewesen seien.
Da beabsichtigt die Pharmaindustrie offenbar ein gewichtiges Wörtchen mitzureden. Moderna etwa will bis zu 500 Millionen US-Dollar in den Bau einer Impfstofffabrik in Afrika investieren. Als mögliche Standorte sind der Senegal, Ruanda oder Südafrika im Gespräch. Jährlich bis zu 500 Millionen Dosen mRNA-Impfstoffe will Moderna vor Ort herstellen. Biontech/Pfizer sind bereits weiter. Sie wollen schon in wenigen Wochen mit der Produktion ihres Corona-Impfstoffs in Südafrika beginnen.