Onlinedoctor übernimmt Startup: Mit KI gegen Hauterkrankungen
Das Teledermatologie-Startup Onlinedoctor hat mit Assist den führenden Entwickler für KI im Bereich der Dermatologie übernommen. Der Prototyp von Assist erkennt bereits 30 verschiedene Hauterkrankungen mit einer Genauigkeit von 85 Prozent. Die Einschätzung der KI erfolgt mittels Bilderkennung auf Basis eines Handyfotos innerhalb von Sekunden. Durch die Integration des KI-Startups will Onlinedoctor die Vision seines Digital-First-Ansatzes in der medizinischen Versorgung vorantreiben und zusammen mit seinem fachärztlichen Netzwerk schnelle und hochwertige digitale Versorgung bei Hauterkrankungen möglich machen.
Onlinedoctor wurde 2016 gegründet und beschäftigt inzwischen 35 Mitarbeitende in der Schweiz, in Deutschland und in Österreich. In Deutschland operiert das Telemedizin-Unternehmen als exklusiver Partner des Berufsverbands der Deutschen Dermatologen (BVDD). Aktuell arbeitet Onlinedoctor mit rund 600 Hautärztinnen und Hautärzten zusammen. Darüber hinaus nutzen über 300 Apotheken sowie Krankenhäuser in der Schweiz die Pro-App von Onlinedoctor zur Beratung bei Hautproblemen. In Deutschland unterhält Onlinedoctor Kooperationen mit über 40 Krankenkassen.
Nur in 15 Prozent der Fälle wird eine persönliche Vorstellung empfohlen
Mit seiner Teledermatologie-Lösung will Onlinedoctor eine Versorgungslücke schließen, denn in Deutschland warten Betroffene derzeit im Schnitt 35 Tage auf einen Termin beim Hautarzt. Über die Plattform von Onlinedoctor geht es schneller, eine Diagnose zu bekommen: Wer ein Hautleiden feststellt, kann innerhalb von maximal 48 Stunden eine Therapieempfehlung erhalten. Dazu beantworten Patient:innen schriftlich Fragen zum Hautproblem, laden Fotos der betroffenen Körperstelle hoch und wählen eine Hautärztin oder einen Hautarzt aus. Laut Onlinedoctor wurde von den bislang 70.000 Nutzer:innen nur in 15 Prozent der Fälle die persönliche Vorstellung in einer Praxis empfohlen.
Mit der KI-Technologie von Assist soll die automatisierte Erkennung von Hauterkrankungen künftig noch besser werden. Assist wurde 2021 als Spin-off der Universität Tübingen gegründet und steht für Automated Scientific Skin Infection Search Technology. Das Team besteht aus spezialisierten Machine-Learning-Engineers, Humanmediziner:innen und Betriebswirt:innen. Mit der Übernahme werden alle Mitarbeitenden von Assist als interne KI-Abteilung übernommen.
Daten sind King
Für den Co-Gründer von Onlinedoctor, Philipp Wustrow, hat der Einsatz künstlicher Intelligenz in der Dermatologie das Potenzial, die medizinische Versorgung und die Prozesse in den Praxen nachhaltig zu verändern. Er sagt: „Mit der Technologie können wir das Wissen und die Erfahrung unseres fachärztlichen Netzwerks jetzt in einer KI bündeln und für jede:n der 600 Dermatologinnen und Dermatologen, die mit uns zusammenarbeiten, zur Verfügung stellen. Diese Kombination aus medizinischer Expertise und Technologie unterstützt die ärztliche Arbeit und steigert die Diagnosequalität.“
Die Dermatologie bietet sich durch die einfache Zugänglichkeit der Hautoberfläche für eine KI-basierte Diagnosestellung durch Bildanalysen an. Dabei ist laut Jan-Niklas Doll, Humanmediziner und KI-Spezialist, die Datenqualität und ein evidenzbasiertes Vorgehen entscheidend: „Eine KI ist nichts ohne hochwertige Daten. Wir wollen jetzt die Technologie weiterentwickeln und klinische Daten erheben. Die Einsatzgebiete sind vielfältig, für uns steht aber an erster Stelle, evidenzbasiert vorzugehen und in diesem stark regulierten Marktumfeld Qualitätsstandards zu setzen.“
Auch Google arbeitet an einer KI-basierten Lösung zur Erkennung von Hauterkrankungen namens „Derm Assist“. Genauso wie die Lösung von Assist soll das KI-Tool Fotos und Informationen von Patient:innen mit Bildern aus dem System vergleichen. Googles Informationen sollen dabei von Dermatolog:innen geprüft worden sein.
Komplement statt Substitut
Der Präsident des Berufsverbands der Deutschen Dermatologen (BVDD), Ralph von Kiedrowski, betont, dass die KI-Technologie immer nur ergänzend zur hautärztlichen Behandlung eingesetzt werden soll, und nicht als Substitut zu verstehen sei. Er sagt: „KI-Systeme können die Qualität und Effektivität der Patient:innenversorgung verbessern. Dabei bleibt der Dreh- und Angelpunkt das medizinische Wissen und die Verknüpfung mit der ärztlichen Arbeit vor Ort. Die Sorgfaltspflicht und höchste Datenqualität müssen immer an erster Stelle stehen.“
Das Kernproblem werden jedoch weder die KI-Lösungen von Onlinedoctor noch von Googles Derm Assist lösen können. Denn wer zu den Menschen gehört, denen empfohlen wird, sich persönlich beim Hautarzt oder bei der Hautärztin vorzustellen, der wird nach wie vor lange Wartezeiten in Kauf nehmen müssen.