Pflegeroboter Lio: Spielerei oder echte Lösung für den Pflegenotstand?
Der Pflegenotstand spitzt sich weiter zu
Bereits 2018 legte eine Studie der Unternehmensberatung Roland Berger offen, dass rund 20.000 qualifizierte Pflegekräfte in den Kliniken fehlen. Das Institut der deutschen Wirtschaft in Köln geht davon aus, dass diese Zahl bis 2035 sogar auf insgesamt 307.000 unbesetzte Stellen anwachsen könnte. Die derzeitige Pandemie scheint das Fass nun zum Überlaufen gebracht zu haben. Schon vorher galt der Job aufgrund der ständig wechselnden Arbeitszeiten und der verhältnismäßig geringen Bezahlung als eher unattraktiv. Doch durch die extreme Mehrbelastung, die durch das grassierende Virus ausgelöst wurde, ist er für viele inzwischen untragbar geworden.
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Das Problem: Die Kontaktbeschränkungen, ebenso wie die verschärften Hygienemaßnahmen verlangen dem Personal mehr ab als ohnehin schon. Erschwerend hinzu kommt die Tatsache, dass in vielen Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen Daten noch immer manuell erfasst und weiterverarbeitet werden müssen. Und das kostet vor allem eines, nämlich Zeit. Gerade daran mangelt es im Arbeitsalltag der Pflegerinnen und Pfleger jedoch an allen Ecken und Enden.
Pflegeroboter Lio will das Personal entlasten
Um den Pflegekräften mehr Zeit für die Betreuung der Patienten und Senioren zu verschaffen, haben sich die Ostertag Detewe mit F&P Robotics zusammengetan und bringen einen flexibel programmierbaren Roboter zum Einsatz, der – ausgestattet mit einem Hochleistungsrechner und ständiger WLAN-Verbindung – einfache Tätigkeiten selbstständig übernehmen kann. „Lio kann beispielsweise nach einer Mahlzeit Geschirr einsammeln und abliefern oder Getränkeflaschen in den Zimmern verteilen. Darüber hinaus kann er Türgriffe via UV-Licht desinfizieren oder sonstige Boten- und Kontrollgänge übernehmen“, erklärt Gerhard Ostertag, Beirat der Ostertag Detewe. „Besonders ist darüber hinaus die Fähigkeit, atypische Situationen aufspüren und melden zu können.“ Das bedeutet, dass Lio direkt Alarm schlagen kann, wenn er auf ein ungewöhnliches Objekt stößt. In der Praxis könnte das zum Beispiel eine Seniorin sein, die gestürzt ist und Hilfe benötigt.
Das, was hierzulande noch als absolutes Novum gilt, ist in anderen Ländern längst gängige Praxis. Zum Beispiel in Japan ist der Einsatz von Pflegerobotern und künstlicher Intelligenz zu einem festen Teil der Pflegestrategie geworden, um den Bedürfnissen der alternden Gesellschaft gerecht werden zu können. Schätzungen zufolge werden nämlich auch dort bis 2025 etwa 370.000 Fachkräfte in der Pflege fehlen. Roboter, die so programmiert sind, dass sie einfache Tätigkeiten selbstständig erledigen können, gelten in Japan deshalb längst als praktikable Lösung, um zumindest einem Teil des Problems entgegenzuwirken.
Die (Kranken-)Pflege der Zukunft
Die Frage, die sich jetzt stellt, ist: Kann das, was in anderen Ländern bereits funktioniert, auch in deutschen Kliniken und Pflegeheimen zum Alltag werden? Und wäre es nicht sinnvoller, in angemessene Arbeitsbedingungen zu investieren, um den Job von Alten- und Krankenpflegepersonal auch auf lange Sicht ansprechender zu gestalten, anstatt teure Roboter wie Lio anzuschaffen? Gerhard Ostertag meint: „Die notwendige Digitalisierung im Gesundheitswesen hat diverse Felder, die auf unterschiedlichster Form und Intensität einer Transformation unterliegen. Dabei schließen sich die Themen nicht gegenseitig aus, sondern müssen miteinander verbunden werden. Ein besserer interner Datenfluss muss sein, eine frische Getränkeflasche kommt dadurch aber auch nicht ans Krankenbett.“
Die digitale Arztpraxis: Bereits Alltag oder immer noch Zukunftsmusik?
Letztendlich ist es vermutlich der ausgewogene Mittelweg, der nicht nur für das Personal, sondern auch für die Patienten und Senioren in deutschen Kliniken und Pflegeeinrichtungen das beste und vor allem zukunftsfähigste Ergebnis erzielt. Bevor ein komplexer Roboter wie Lio durch die Flure aller Medizin- und Pflegeeinrichtungen rollt und kleine Aufgaben selbstständig übernimmt, muss erst einmal die notwendige technologische Grundlage geschaffen werden, die dies überhaupt zulässt – und leider ist es genau das, woran es in vielen Einrichtungen noch immer hakt.
Ist der Grundstein gelegt und die Digitalisierung weit genug vorangeschritten, steckt in der Idee, die sich hinter Lio verbirgt, aber mit Sicherheit einiges an Potenzial, sodass sich die Fachkräfte endlich weniger um die kleinen Dinge, wie Geschirr abräumen, kümmern müssen und sich stattdessen mehr um das Wohlbefinden ihrer Patienten kümmern können.
Um Geschirr abzuräumen und Wasser aufzufüllen muss man keine 3 Jährige Ausbildung im Gesundheitswesen gemacht haben, oder? Man könnte z.B. auch Hilfskräfte einstellen, die so etwas machen. Es wäre hilfreich, wenn Roboter wirkliche Pflegetätigkeiten ausführen könnten. Werden wir wahrscheinlich aber nicht mehr erleben.
Das Problem dabei ist, dass Pflegehilfskräfte langfristig zu teuer sind – ein Roboter dagegen
verlangt kein Gehalt, Sozialversicherungbeiträge, Urlaub, Weihnachtsgeld, Ausfälle wegen
Krankheit, all das fällt weg. Er ist 24 Stunden einsetzbar und braucht keine Pausen.
Welcher Mensch kann da schon mithalten?
Ohne Pause? Das kann ich mir nicht vorstellen.
Bislang ist nahezu jeder Akku schneller leer als voll, wenn er nicht überstrapaziert werden soll, damit er ein paar Jahre funktionstüchtig bleibt.
Zumindest was Gehalt, Krankengeld und Sozialabgaben angeht, stimme ich zu. Aber Ausfälle müssen dennoch berücksichtigt werden, das perfekte Gerät ohne Fehler und Verschleiß gibt es m.E. noch nicht.