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Von Pings und Ingame-Chat: Wie Videospiele unsere Kommunikation verändern

Auch die gamescom 2023 zeigt gerade wieder: Kommunikation ist das Grundgerüst jedes Online-Games. Die Systeme dafür werden immer komplexer. Vieles davon beeinflusst bereits jetzt den Alltag jenseits des Gamings.

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Gaming kann wie ein virtuelles Lagerfeuer sein. (Screenshot: Rockstar Games)

Früher war die Kommunikation beim Videospielen ganz einfach. Denn die Mitspielenden saßen neben einem. Zum Beispiel bei einer Partie „Mario Kart“: Angefangen bei den Beleidigungen, die aus den Mündern oft nur so flogen, wenn ein ­Schildkrötenpanzer kurz vor der Ziellinie jemandem den Sieg verdarb. Gefolgt von der Racheaktion, wenn kurzerhand ein Controllerkabel aus der Konsole gezogen wurde.

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Multi­playerspiele waren in den 1990ern und Anfang der 2000er vor allem gemeinsame Erlebnisse. Beim Spielen konnten auf sehr persönliche Gespräche direkt wüste Verwünschungen folgen. Denn alles spielte sich im Mikrokosmos des eigenen Familien- und Freundes­kreises ab.

Dieser Artikel ist zuerst im t3n Magazin 71 erschienen. In der aktuellen Ausgabe widmen wir uns Jobs der Zukunft. Schau dir jetzt das neueste Magazin an.

Mit der weiten Verbreitung des Internets hat sich das Gaming aber tiefgreifend verändert. Heute findet das Spielen größtenteils online statt. Viele Spieler:innen planen gemeinsam taktische Züge oder erkunden zusammen gigantische Welten, ohne einander je persönlich zu sehen. Andere wiederum finden in Online-­Multiplayer-Games Freund:innen und Partner:innen.

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Um das zu ermöglich, mussten Entwickler:innen Kommunikationssysteme kreieren, die das Zusammensitzen auf der Couch bestmöglich ersetzen. Systeme, die immer komplexer werden – und zeigen, wie digitale Kommunikation nicht nur funktioniert, sondern auch zwischenmenschliche Nähe schaffen kann.

Online-Games machen das Kennenlernen leichter

In Online-Games treffen sich Menschen mit den gleichen Interessen. Wer etwa viele Stunden in einem Spiel wie „World of ­Warcraft“ verbringt, kann davon ausgehen, dass das Gegenüber ebenso Spaß daran hat. Ein erster Anknüpfungspunkt. Dann gilt es, zusammen Abenteuer zu bestehen: Missionen lösen, Schätze finden oder gigantische Gegner besiegen. Gemeinsame ­Erlebnisse, die zusammenschweißen können.

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Doch darüber hinaus spielen auch andere psychologische Faktoren eine Rolle. „Spielende wissen, dass das Gegenüber auch noch mit einer anderen Aufgabe beschäftigt ist und daher gar nicht so viel Aufmerksamkeit auf sie selbst richten kann“, sagt die Psychologin Jessica Kathmann. Diese Situation könne ­entlastend auf die Teilnehmenden wirken. „Gleichzeitig ist man selbst ja auch mit einer anderen Aufgabe beschäftigt und hat weniger mentale Kapazitäten, sich zu sorgen. Ein solcher Rahmen kann sich also geschützter anfühlen und auch dadurch dazu einladen, offener über sich zu sprechen“, sagt sie.

Der „innere Zensor“ ist weniger stark aktiv.

Ebenso könne dieses Multitasking – das Spiel mit seinen Anforderungen auf der einen Seite, das Gespräch auf der anderen – dazu führen, dass der „innere Zensor“ weniger stark aktiv ist. Die Instanz also, die sonst dafür sorgt, dass wir jeden ­Gedanken, jedes gesprochene Wort überprüfen und im Zweifelsfall eben nicht sagen.

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Der Filter im Gehirn ist also etwas weniger wirksam. „Umgekehrt weiß man aber auch, dass man schnell das Thema wechseln kann, wenn es einem dann doch zu persönlich wird: Das Spiel bietet immer eine Möglichkeit dazu“, sagt Kathmann.

So können Videospiele Orte sein, an denen Menschen offen miteinander kommunizieren und sich kennenlernen. Das ist ­besonders mit Blick auf eine Welt, die immer virtueller wird, bemerkenswert. Kommunikation, die auf die Systeme eines Spiels baut, aber weit über das Spiel selbst hinaus reicht, indem sie Menschen zusammenbringt, die an verschiedenen Enden der Welt sitzen. Inzwischen wird das oft Metaverse genannt.

Es hat Ping gemacht

Was macht diese Spielart der Kommunikation aus? Die weitverbreitetste Form unterscheidet sich kaum vom Telefonieren. Die meisten Online-Games haben einen Sprach-Chat implementiert. Spieler:innen, die etwa im Ego-Shooter „Call of Duty“ in einer Truppe sind, können so miteinander sprechen und ihr Vorgehen planen. In einem Rollenspiel wie „Final Fantasy 14“ können sich Gilden zusammentun, die gemeinsam eine Quest bestreiten.

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Diese Sprach-Chats verbinden Spielende in einem Team, egal wie weit voneinander entfernt sie in der Spielwelt sind, und bieten einen Raum für taktisches Vorgehen – oder private Plaudereien.

Andere Kommunikationssysteme funktionieren dagegen mehr wie die reale Welt. Etwa „Hunt: Showdown“, ein Shooter, in dem bis zu zwölf Spieler:innen auf einer Map gegeneinander spielen und versuchen müssen, Monster aufzuspüren und zu besiegen. „Einer der Kerngedanken des Spiels ist es, den Spieler weitestgehend im Unklaren zu lassen, was sich hinter dem nächsten Hügel oder der nächsten Tür verbirgt“, sagt Valentin Klink, Senior Gameplay Programmer bei Crytek, dem in Frankfurt am Main ansässigen Studio hinter „Hunt: Showdown“.

Die Spielenden können hier also nur die Stimmen der Menschen hören, die im Spiel direkt in ihrer Umgebung sind. Der Sprach-Chat ist damit diegetisch: er ist ein Teil der Spielwelt, so als würden die Charaktere selbst sich unterhalten. Man hört plötzlich einen Gegner und muss schnell darauf reagieren. Doch dabei bleiben Feinde nicht immer Feinde. „In unserer ­Community gibt es viele Beispiele von Spielern, die sich ingame mit ihren Gegnern austauschen und spontan vorschlagen, sich zusammenzuschließen“, sagt Klink.

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2018 ist „Hunt: Showdown“ erschienen. Damals war der Sprach-Chat die einzige Möglichkeit, direkt zu kommunizieren. Seitdem sind jedoch einige weitere Systeme hinzugekommen. Inzwischen können die Spielenden sich auch gegenseitig schreiben. Oder sie können ein Ping-System benutzen. Letzteres spielt in vielen Videospielen eine Rolle. Dabei handelt es sich um die Möglichkeit, in der Spielwelt bestimmte Orte, Gegenstände oder Personen zu markieren und damit andere Spielende aufzufordern, zu dieser Stelle zu kommen, mit einem Gegenstand zu interagieren oder einen Charakter zu erledigen.

In Spielen wie „Apex Legends“ hat dieses Ping-System eine hohe Komplexität erreicht. Dort können die Spielenden nicht nur Anweisungen per Tastendruck geben, indem sie Punkte auf der Karte markieren und aus Textbausteinen eine Anweisung zusammensetzen. Diese werden vom Spiel sogar in Echtzeit in ­verschiedene Sprachen übersetzt. So kann etwa ein Spieler aus Japan mit einer Spielerin aus Kanada spielen, ohne dass die ­beiden die ­jeweils andere Sprache beherrschen müssen.

Kommunikation ist nie fertig

Zur Kommunikation im Online-Game gehört auch, dass sie ­ständig überarbeitet und erweitert wird. „Für eine Zeit gab es in ,Hunt: Showdown‘ keine einfache Möglichkeit, Beleidigungen zu melden. Mittlerweile wird nach jedem Match angezeigt, welcher Spieler mit jemandem kommuniziert hat. Mitsamt der Möglichkeit, diesen Spieler zu melden“, sagt Spieleentwickler Klink.

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So wie Videospiele Räume sein können, in denen beleidigt und belästigt wird, bieten sie auch viele Möglichkeiten, Spielende wegen Fehlverhaltens auszuschließen oder durch Filter beleidigende Äußerungen gar nicht erst zu ermöglichen.

Alle Systeme zu nennen, die in Videospielen zur Kommunikation genutzt werden, würde das gesamte Heft füllen. Es gibt vorformulierte Sätze, aus denen Spielende wählen können. ­Emojis geben Stimmungen wieder. Nach Matches können Punkte an Mitspieler:innen vergeben werden, um Wertschätzung mitzuteilen. Spielende tauschen Geschenke untereinander aus wie etwa Rüstungen oder Waffen. Spielfiguren können Gesten ausführen: sich verbeugen, sich geschlagen auf den Boden setzen oder auch freudig winken.

Überhaupt, das Aussehen! Im Videospiel beweist sich der Satz, dass man „nicht nicht kommunizieren“ kann. Der Philosoph und Psychoanalytiker Paul Watzlawick hat ihn formuliert und wollte damit ausdrücken, dass jede Körperhaltung, jede Stimmregung, jedes Verhalten auch eine Botschaft kommuniziert. Und so kann das Aussehen der eigenen Spielfigur schon eine ­komplexe Aussage sein. In Charakter-Editoren können Spielende oft aus Hunderten Optionen wählen, um das virtuelle Ich zu erstellen. Ihr Geschlecht, ihre Kleidung, Frisur, Statur oder Physiognomie.

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Im Videospiel beweist sich der Satz, dass man „nicht nicht kommunizieren“ kann.

Wie soll man aus dieser Fülle jetzt wählen, welche Art der Kommunikation am besten für das eigene Spiel geeignet ist? „Es fängt beim Prototyp an. Da muss man entscheiden, was das eigene Spiel eigentlich erfüllen soll“, sagt Luca Schmell, Technical UX Designer bei Deck 13, das ebenso in Frankfurt am Main ansässig ist. Das Studio arbeitet derzeit an seinem ersten Spiel, das auch zu zweit kooperativ online gespielt werden kann. „Atlas Fallen“ heißt es.

Um das Zusammenspielen zu stärken, habe man sich früh in der Entwicklung die passenden Systeme herausgesucht: Auch hier soll es ein Ping-System geben, mit denen Orte auf der Karte markiert werden können. Es gibt ein Warnsystem, mit dem ein Spieler dem anderen zeigen kann, dass er in Gefahr ist. Und ebenso können Anfragen geschickt werden, die es ermöglichen, sich an den Ort der anderen Spielerin zu teleportieren.

„Wir haben eine Koop-Taskforce gegründet, die wöchentliche Playtests durchführt“, sagt Schmell. In Zweiergruppen werden da die Kommunikationssysteme des Spiels getestet. Dafür gibt es jede Woche eine andere Vorgabe. Mal eine Quest zusammen erfüllen, mal einen Bosskampf bestehen. Am Ende werden ­Punkte vergeben, von eins bis zehn, wie gut das geklappt hat. Denn eigentlich sind diese ganzen Systeme ja nur dazu da, um ein ­gemeinsames Ziel zu erreichen. Es sind Werkzeuge, um effizient und effektiv sein zu können. Wenn man will, dann mit so wenig Worten wie möglich.

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Von Slack, VR und ChatGPT

Es ist nicht verwunderlich, dass vieles davon schon längst die Kommunikation anderer Branchen verändert. Whatsapp ermöglicht etwa seit Kurzem, dass User sich eigene Avatare bauen ­können. Sie sollen virtuelle Stellvertreter sein, wie sie in Games seit Jahrzehnten existieren. Filter in Zoom oder Facetime sollen der Kommunikation einen spielerischen Anstrich geben. Und Slack wird neben der hohen Funktionalität auch deswegen von so vielen Unternehmen genutzt, weil es sich durch etliche Icons, programmierbare Bots oder Tools, mit denen man Punkte gewinnen kann, anfühlt wie das Erledigen von Missionen in Videospielen.

In Zukunft werden die Dimensionen – Gaming, Arbeit und ­Alltag – aber wohl noch weiter zusammenwachsen. Und zwar vor allem da, wo es um menschliche Kommunikation geht. „Ich ­denke, dass sich VR stark durchsetzen wird, gerade was ­Socializing angeht“, sagt Luca Schmell von Deck 13. Es wird dann möglich sein, so schätzt er, mit realistischen Charakteren durch virtuelle Welten zu laufen und mitein­ander zu kommunizieren – das, was eben einige Metaverse nennen.

„Mein Hot Take ist, dass in VR in gar nicht so weiter Zukunft eine bessere und einfachere Kommunikation mit fremdsprachigen Menschen möglich sein wird als in der echten Welt“, sagt er. So wie heute bereits Ping-Systeme werden Games es ermöglichen, Sprachen in Echtzeit zu übersetzen.

Während der Pandemie nutzten Mitarbeitende von ­einigen Unternehmen das virtuelle Lagerfeuer im Abenteuerspiel ­„Red Dead Redemption 2“, um dort ihre Meetings per Sprach-Chat abzuhalten. Bald könnten VR-Games die Räume bieten, das in noch größerem Maßstab zu tun.

Bei all dem Kommunizieren ist ein Punkt bisher aber noch gar nicht zur Sprache gekommen: das Sprechen mit dem Computer. Wenn die KI eines Spiels mit den Spielenden vor dem Bildschirm in Kontakt tritt. Seit den Anfängen dieses Mediums besteht diese Verbindung. In „Pong“ wollte der Computer, dass wir den Pixel von einem Bildschirmende zum anderen schubsen. Heute können Spielende mit komplexen Spielwelten interagieren, die sich entsprechend ihrer Entscheidungen verändern.

Und in Zukunft? Anfang 2021 hat der Entwickler Lee ­Vermeulen ein Sandbox-Framework gebaut, in dem Charaktere herumlaufen, die durch eine API mit der Sprach-KI GPT-3 verbunden sind. Er stellte den VR-Charakteren Fragen: „Wohin gehst du?“ Die KI antwortete darauf individuell. Es entstand ein Dialog, in dem die KI sogar Bezug nahm auf die Dinge, die sie vorher gesagt hatte. Zur Arbeit geht sie, „weil sie ja Geld verdienen muss“. „Ja, die Familie, sie muss versorgt werden.“

Im Dezember 2022 veröffentlichte OpenAI die ­Sprach-KI ChatGPT und machte damit ein höchst effektives Tool für alle Welt zugänglich. Es wird die Games-Branche verändern: Computer-­Charaktere, die Unterhaltungen mit Spielenden führen, als wären sie echt. Geschichten, die von KI gescriptet werden und sich verändern – je nachdem, welche Entscheidungen die Spielenden treffen.

Die Zukunft der Videospiel-Kommunikation wird viele Facetten haben. Von Echtzeit-Übersetzung in VR über taktische Sprach-Chats und Ping-Systeme bis zu tiefen Gesprächen mit künstlicher Intelligenz. Oder, denn auch das ist immer noch ­möglich, zu viert in einem Wohnzimmer mit „Mario Kart“. Denn keine KI könnte jemals die Genugtuung erzeugen, einem menschlichen Mitspielenden kurz vor der Zielgerade den ersten Platz noch abzujagen.

Vom Game zum Job – Durch diese Videospiele habt ihr euren Beruf entdeckt:

Vom Game zum Job: Durch diese Videospiele habt ihr euren Beruf entdeckt Quelle: Kairosoft

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