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Plug-in-Hybride: Saubere Sache oder Dreck am Stecker?

Plug-in-Hybriden sind zunehmend beliebt, doch an ihnen scheiden sich manche Geister. Die Teilzeitstromer sind nämlich nur so umweltfreundlich wie ihre Fahrer.

5 Min. Lesezeit
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(Bild: buffaloboy / shutterstock)

Mit der Batterie durch den Alltag und auf weiteren Strecken ausnahmsweise auch mal mit Benzin – so lockt die Autoindustrie mit dem Plug-in-Hybrid seit einigen Jahren auch skeptische Kunden in die Elektromobilität. Solche Fahrzeuge haben sowohl Verbrennungsmotor als auch E-Maschine an Bord. Und im Gegensatz zu konventionellen Hybriden können sie auch an der Steckdose geladen werden.

Nach Lesart der Ingenieure vereinen sie das Beste aus zwei Welten und werden zur Brückentechnologie: Wo niemand Angst um die Reichweite haben oder eine Ladesäule suchen muss, kann man sich nach dieser Argumentation getrost auf das Abenteuer einer neuen Mobilität einlassen. „In der Stadt fahren sie rein elektrisch, bei langen Strecken profitieren sie von der Reichweite des Verbrenners“, erläutert Torsten Eder als Leiter der Antriebsstrang-Entwicklung bei Mercedes.

Die Zwitter mit Stecker verbinden alte und neue Autowelt

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An die deutliche Beschleunigung der Mobilitätswende durch Plug-in-Hybride als sinnvolle Brückentechnologie glaubt auch Andreas Radics: „Vor allem in Staaten oder Regionen, in denen die Ladeinfrastruktur für E-Fahrzeuge kaum ausgebaut ist oder nur langsam wächst“, so der Experte vom Strategieberater Berylls. „Sie stellen sozusagen den Link zwischen alter Verbrenner- und neuer E-Mobilitätswelt dar.“ Und erschwinglicher sind sie obendrein: „Nutzt man ihn artgerecht, also möglichst viel im E-Modus, ist der Plug-in so umweltfreundlich wie ein reines E-Auto; bei tendenziell etwas niedrigeren Anschaffungskosten, weil er keine große und teure Batterie benötigt.“

Das sieht die Politik genauso und fördert die Teilzeitstromer, die je nach Marke und Modell bis zu 100 Kilometer Reichweite haben und teilweise über 140 km/h schnell stromern können, mit immerhin dem halben Bonus für reine E-Autos. Weil obendrein die Steuerlast für Dienstwagenfahrer gesenkt wurde, stehen die Teilzeitstromer vor allem bei Firmenkunden hoch im Kurs.

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Die Autos mit Plug-in-Antrieb verkaufen sich gut

Weil Plug-in-Hybride im Normzyklus zudem extrem niedrige Verbrauchswerte ausweisen, drücken sie den CO2-Flottenwert der Hersteller und senken so das Risiko hoher Strafzahlungen. Deshalb haben fast alle Marken ihr Angebot dramatisch ausgeweitet und bieten mittlerweile in nahezu jedem Segment vom Kleinwagen bis zur Luxuslimousine ein paar Autos mit der Kraft der zwei Herzen. Mit Erfolg: Allein im September lag ihr Verkaufsanteil dem Kraftfahrtbundesamt zufolge bei acht Prozent und die gut 20.000 Neuzulassungen waren fünfmal so viele wie im September 2019.

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Doch je größer der Plug-in-Anteil wird, desto lauter wird auch die Kritik. Der Grünen-Politiker Cem Özdemir spricht im Interview mit der FAZ vom staatlich subventionierten Klimabetrug. Und der Verkehrsclub Deutschland (VCD) sowie der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) sehen in den Teilzeitstromern eine grüne Mogelpackung. Denn sauber seien sie nur, wenn sie auch brav an der Steckdose geladen würden. Wer nur mit Benzin fährt, zahle nicht nur einen überhöhten Preis für den doppelten Antrieb, sondern riskiere allein durch das größere Gewicht auch noch einen höheren Verbrauch.

Wie oft fahren die Autos aber im Alltag wirklich elektrisch?

Aber gerade am regelmäßigen Laden herrschen erhebliche Zweifel: Zwar berichten die Hersteller aus ihren Kundenbefragungen unisono von fleißigen Stammgästen an den Steckdosen. Doch genauso machen Geschichten die Runde, wonach das Ladekabel bei gebrauchten Plug-ins oft noch originalverpackt im Kofferraum liegt. Und Studien stützen diese These: So hat das Fraunhofer-Institut für System und Innovationsforschung (ISI) bei einer aktuellen Studie ermittelt, dass bei privaten Plug-ins nur 37 und bei gewerblich genutzten Autos sogar nur 20 Prozent der Kilometer elektrisch gefahren wurden.

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Das Ergebnis merkt man an der Tankstelle: „Im Mittel fallen die realen Kraftstoffverbräuche und CO2-Emissionen von Plug-in-Hybridfahrzeugen bei privaten Haltern in Deutschland mehr als doppelt so hoch aus wie im offiziellem Testzyklus, während die Werte bei Dienstwagen sogar viermal so hoch sind“, sagt ISI-Wissenschaftler Patrick Plötz.

Verbrenner liefert sich Duell mit Plug-in mit leerem Akku

Der Autoindustrie ist zwar diesmal kein Vorwurf zu machen, weil sich die PS-Branche lediglich die geltenden Normen zunutze macht. Doch bemühen sich die Hersteller bereits um Schadensbegrenzung: So hat Mercedes in diesem Sommer zur Image-Offensive für den Plug-in geblasen und einen GLE 350 de mit leerem Akku auf eine Vergleichsfahrt mit einem ähnlich starken Verbrenner geschickt.

Dabei hat der Teilzeitstromer rund 25 Prozent weniger Sprit verbraucht, sagt Torsten Eder und hat dafür eine einfache Erklärung parat: „Das Fahrzeug wird insgesamt effizienter, weil einerseits Energie beim Bremsen rekuperiert und andererseits der Verbrennungsmotor in verbrauchsoptimalen Drehzahl- und Lastbereichen betrieben werden kann“, so der Antriebsentwickler. „Denn die unterschiedlichen Charakteristiken der Antriebe ergänzen sich perfekt: Ein Elektromotor arbeitet bei niedrigen, ein Verbrenner bei höheren Geschwindigkeiten und Lasten am effizientesten.“

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Auch technisch tut sich was: Hersteller wie Jeep oder BMW experimentieren bereits mit sogenanntem Geo-Fencing und nutzen die Daten des Navigationssystems für die Regie des Zusammenspiels: Wann immer der entsprechend ausgerüstete Jeep Compass bei dem Feldversuch in Turin die Innenstadtzone erreicht, schaltet die Elektronik automatisch auf den E-Betrieb um, teilt der Hersteller mit.

Auch das Belohnungsprinzip spielt eine Rolle

Zulieferer wie Bosch oder ZF wollen den Fahrer mit Bequemlichkeit oder Sportsgeist packen. Bosch will laut Pressesprecher Joern Ebberg das Laden zum Erlebnis machen: Bei der Lösung Convenience Charging lassen sich Wünsche an Ladestationen hinterlegen, die zum Beispiel an Restaurants liegen oder kostenfreies WiFi bieten. „Zudem lässt sich künftig auch die Wartezeit während des Ladens besser nutzen, wenn sich Autofahrer Einkäufe direkt an die Ladestation liefern lassen oder Coupons und Rabattgutscheine für angrenzende Restaurants oder Einkaufszentren einlösen können“, so Ebberg.

ZF will Lademuffel mit einem E-Drive-Trainer motivieren, der auf ein ähnliches Belohnungssystem setzt wie Fitness-Tracker am Handgelenk: Je öfter der Fahrer elektrisch fährt und seinen Akku lädt, desto mehr Bonus-Punkte gibt es, erläutert Pressesprecher Thomas Wenzel. BMW hat diesen Gedanken bereits aufgegriffen und umgesetzt: So wie man beim Fliegen Meilen oder beim Einkaufen Punkte sammeln kann, gibt‘s jetzt auch für E-Fahrer pro gestromertem Kilometer Punkte, die an der Ladesäule gegen kostenlosen Strom eingetauscht werden können, teilt der Münchner Hersteller mit.

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Die reale Nutzung wollen Kritiker überwachen lassen

Kritikern wie Michael Müller-Görnert geht das nicht weit genug. Der verkehrspolitische Sprecher des VCD fordert einen konzertierten Ansatz und hofft auf die Politik: Zwar könnten Bonus-Programme und Geo-Fencing helfen, und vor allem müssten Firmenfahrer von ihren Arbeitgebern eher mit kostenlosen Lade- als Tankkarten ausgestattet werden. Doch dürfe die Förderung nicht allein an die theoretische Umweltfreundlichkeit sondern ans reale Nutzungsverhalten gekoppelt werden: „Nur wer regelmäßig lädt, hat ein Recht auf den Zuschuss“, sagt Müller-Görnert und will dafür etwa bei der Hauptuntersuchung den Bordcomputer auslesen.

Fürs erste dürfte die Diskussion in den nächsten Monaten noch etwas lauter werden, denn die Plug-in-Welle ist längst noch nicht abgeebbt. Doch langfristig wird sich das Thema wohl von selbst erledigen: Denn je mehr Elektroautos auf den Markt kommen, desto weniger braucht es den Brückenschlag der Teilzeitstromer. dpa

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Kantenhuber

Sagen wir’s kurz: der Plug-in erscheint als nächste, nachfolgende Faketechnologie nach dem Diesel.

Die Autobauer erkaufen sich rechnerisch den Freifahrschein für ihre alten Dickschiffe und freuen sich über künstlich hochgetriebene Preise für noch mehr mechanische Komponenten im Fahrzeug. Super.

Wenn der Plug-in selbst im ungeladenen Zustand schon 25% weniger verbraucht, wie viel weniger braucht dann ein Generator-Auto, das wie ein Brennstoffzellenauto funktioniert, nur anstatt einer Brennstoffzelle ein (noch) Hubkolbenmotor der Energielieferant ist. Ohne diese mechanischen Übertrager im Antriebsstrang. Das kann man im Prinzip simpelst mit schon heute verfügbaren Komponenten realisieren: ePower von Nissan oder dem Mahle Powertrain z. B. bzw. einem optimierten, kleinvolumigen Hubkolbenmotor an einen Generator und einer minimierten Pufferbatterie inkl. Powerball für kurzfristige Leistungspitzen und einer elektrischen Antriebsachse von Bosch.

Dann sind mit einer durchschnittlichn Tankfüllung auf einmal 1,2 bis 1,6 K-km drin bei minimalem Schadstoffausstoß und um das geht’s ja final.

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