Preisfehler im Onlinehandel: Warum Kunden manchmal doch etwas geschenkt bekommen
Es war ein Fest für die Mydealz-Community: An einem Abend vergangene Woche informierte ein Nutzer die Schnäppchenjäger über einen offenbar falsch konfigurierten Gutschein bei Amazon. Anstatt nur bestimmte Spiele um 10 Euro zu rabattieren, konnte man mit einem Trick jede beliebige Ware 10 Euro billiger bekommen. Nahm man das dazugehörige Spiel an der Kasse wieder aus dem Warenkorb, blieb der Rabatt dennoch bestehen. So ließen sich bestimmte Artikel gänzlich kostenlos bestellen, insbesondere wenn aufgrund einer Prime-Mitgliedschaft die Versandkosten entfielen. Infolge dessen bestellten viele Mitglieder maßlos – nicht zwei oder dreimal, nicht zehnmal, einige laut der Kommentare etliche Dutzend mal.
Preisfehler: 10 Euro Rabatt – so oft der Kunde bestellte
Und Amazon lieferte. Schenkt man den Bildern mit den aufgestapelten Paketen, die an den Folgetagen in der Mydealz-Community gepostet wurden, Glauben, haben einige Nutzer den Händler um mehrere hundert Euro ärmer gemacht und den Paketboten ein paar arbeitsreiche Tage beschert. Amazon selbst äußert sich zu den Vorgängen nur in der gewohnt nichtssagenden Weise: Man habe Kunden, deren Bestellungen storniert wurden, darüber informiert. Wie viele das waren und wie viele dieser kostenfreien Bestellungen durchgingen – Geschäftsgeheimnis. Und auch wenn das Spektakel nur über einige Stunden ging, dürfte Amazon hier ordentlich draufgezahlt haben.
Doch wie verhält es sich eigentlich tatsächlich mit Preisfehlern, falsch konfigurierten Gutscheinen und anderen Vergünstigungen, die zu schön sind, um wahr zu sein? Grundsätzlich ist jedes Angebot auf einer Website erst einmal nur ein Angebot an den Kunden und bedarf der Annahme durch den Händler – nicht umgekehrt. Dieser Rechtsgrundsatz heißt „invitatio ad offerandum“.
Nicht immer können sich Händler auf einen Preisfehler berufen
Im Normalfall kommt ein Kaufvertrag dann zustande, wenn der Händler die Bestellung tatsächlich ausliefert und nicht nur deren Eingang bestätigt oder wenn er das Geld des Kunden in Empfang nimmt. Händler müssen hier besonders vorsichtig sein, wenn sie mit Paypal oder anderen Diensten arbeiten, die das Geld des Kunden automatisiert einziehen. Dann nämlich gilt das Geschäft als besiegelt und der Kunde hätte gute Chancen, eine Ware vor Gericht zu erkämpfen.
Doch es gibt noch eine Hintertür für den Händler, die er aber in der Regel nicht nutzen wird – es sei denn, es handelt sich um einen gravierenden Vermögensschaden: Nach BGB § 119 Abs. 1 kann sich der Händler auf einen „Erklärungsirrtum“ in Form eines „Datenverarbeitungsfehler / Eingabefehler“ berufen und auch später den Kauf noch anfechten. Er kann dann die Ware zurückfordern. Die Frage ist allerdings, ob die bis dahin ja benutzte Ware und die schlechte Presse diesen Aufwand wert sind. Und noch etwas kommt hinzu: Gegenüber dem Händler kann der Kunde einen Vertrauensschaden geltend machen, also Schadenersatz fordern, etwa wenn er den Artikel nun anderswo teurer erwerben muss.
Auf der nächsten Seite erfährst du, wann du bei Schnäppchen besser von einem Preisfehler ausgehst und wann du die Ware getrost öffnen kannst, ohne Rückforderungen zu befürchten.
Wer die Ware bekommt, hat Glück gehabt
Dass viele der Preisfehler nicht vor Gericht eingeklagt werden, hat einfach mit dem Wert der Ware zu tun. Es lohnt sich schlicht nicht, hierfür die Gerichte zu bemühen und man wird in den seltensten Fällen einen Anwalt finden, der angesichts des Streitwerts seine Streitlust entwickelt. Doch beim aktuellen Fall kommt noch etwas anderes hinzu, wie Rechtsanwalt Christian Solmecke erklärt: „Meines Erachtens ist hier ein Vertrag zwischen Amazon und den Käufern zum rabattierten Preis von 0 Euro zustande gekommen. Da sich Amazon bei diesem Rabatt geirrt hatte und offenbar ein technischer Fehler vorlag, hätte das Unternehmen diesen Vertrag allerdings widerrufen können, was ja teilweise auch passiert ist. Eine solche Irrtumsanfechtung muss aber ausdrücklich erklärt werden.“ Eine einfache Stornierung ohne Erklärung an den Kunden hätte hingegen seiner Meinung nach nicht ausgereicht.
Mut macht Solmecke denjenigen, die Ware erhalten haben (und, wie man in der Mydealz-Community lesen kann, teilweise mit dem Auspacken noch zwei Wochen warten wollen, weil sie eine Rückforderung seitens Amazon befürchten): „Diejenigen Kunden, die ihre Bestellungen bereits erhalten haben, können diese auch behalten. Vor einiger Zeit hat zwar das Amtsgericht Dortmund geurteilt, dass Kaufverträge bei sehr krassen Preisfehlern nicht zustande kommen, jedoch teile ich zum einen schon diese Auffassung des Amtsgerichts Dortmund nicht und zum anderen sind Rabatte in Höhe von neun Euro auf Amazon auch nicht ungewöhnlich.“
Gleichwohl könne Amazon den Vertrag auch anfechten, was ja in einigen Fällen erfolgt ist: „Aufgrund eines technischen Fehlers wurde Ihnen während des Bestellvorgangs ein falscher Preis angezeigt. Wir mussten Ihre Bestellung daher stornieren. Selbstverständlich wird Ihnen der Betrag dieser Bestellung nicht in Rechnung gestellt“, heißt es da im Kundenkonto. „Laut unseren AGB kommt der Kaufvertrag über ein Produkt immer erst mit Absenden der Versandbestätigungs-E-Mail zustande. Hilfsweise erklären wir jedoch die Anfechtung wegen Irrtums.“ Das sieht Solmecke etwas anders: „Ich teile nicht die Meinung, dass sich Amazon den Vertragsschluss bis zur Versandbestätigung vorbehalten kann. Wenn der Kauf online bestätigt wird, dann ist der Vertrag fix geschlossen und muss bei einem Fehler unverzüglich und unmissverständlich angefochten werden, was ja in diesem Fall teilweise passiert ist.“
Preisfehler: Gesunder Menschenverstand hilft oft weiter
Dabei spielt auch immer eine Rolle, wie gravierend der Preisfehler ausfällt und wie sicher der Kunde sein muss, dass es sich dabei um einen solchen handelt – und eben nicht um eine der üblichen Preisschlachten: Ein 10-Euro-Rabatt kann durchaus im Rahmen des Möglichen liegen, auch wenn dieser normalerweise nur einmal pro Nutzerkonto zu verwenden sein dürfte. Bei einem (vertragsfreien) iPhone X für beispielsweise 109,90 Euro statt 1099 Euro würde dagegen vieles darauf hindeuten, dass es sich um einen klassischen Preisfehler handelt. Ähnlich sieht es bei einem Fall aus, der vor zwei Jahren für Schlagzeilen sorgte, als ein kleinerer Onlinehändler eine große Menge an Artikeln für 10 Prozent des Listenpreises anbot. Hier hätte ein Richter aller Voraussicht nach den (offenbar tatsächlichen) IT-Fehler für glaubhaft gehalten.
Grundsätzlich könne man, so Rechtsanwalt Solmecke, vor allem dann auf Lieferung hoffen, wenn der Kaufvorgang bei einem Händler mit automatisiertem Bestell- und Versandprozess einfach durchrutscht oder wenn die Differenz zum günstigsten Vergleichspreis nicht so übermäßig hoch liegt, dass sich eine Anfechtung mit dem negativen Kundenfeedback für den Händler lohnt. Grundsätzlich sollte der Kunde sich an seinem gesunden Menschenverstand orientieren und kann in einem solchen Fall seinem Glück etwas nachhelfen, indem er beispielsweise eine Zahlungsart wählt, die weitgehend automatisiert und eben nicht auf Rechnung erfolgt. Kunden sollten das Ganze allerdings auch sportlich nehmen und bei einer allzu offensichtlichen Preisabweichung nach unten akzeptieren, dass es eben tatsächlich ein Preisfehler war.
Auf der nächsten Seite erfährst du, warum das Ausnutzen solcher Tricks bei Amazon zum Problem werden kann und in welcher Branche Preisfehler tagtäglich vorkommen.
Ein anderes Umfeld, in dem es häufiger zu Preisfehlern kommt, die aber durchaus auch als gewollte Preisreduzierung interpretiert werden können, sind Reise- und Flugbuchungen. Hier gibt es etliche einschlägige Fälle, in denen der Kunde vor allem Schadenersatz fordern kann. Hat der Kunde beispielsweise einen extrem günstigen Flug gebucht, der dann um einiges später storniert wird, kann er gegebenenfalls entstandene Schäden durch die nachfolgende Hotel- oder Mietwagenbuchung geltend machen. Gegebenenfalls hat der Verkäufer oder Vermittler des Flugs hier gar keine Möglichkeit, vor Gericht eine Anfechtung plausibel zu erklären.
Preisfehler ausnutzen: Bei Amazon besteht eine weitere Gefahr
Doch es besteht noch eine weitere Gefahr, die insbesondere bei Amazon nicht zu vernachlässigen ist: Der E-Commerce-Riese hat in der Vergangenheit bestimmte Kunden ohne Angabe von konkreten Gründen vom Handel ausgeschlossen. In einigen Fällen betraf dies offenbar nicht nur das eigene Konto, sondern alle zum selben Haushalt gehörenden Kundenkonten. Während sich die Ausschlüsse in einigen Fällen offenbar mit zu hoher Retourenquote und böswilligem Ausnutzen der sehr kulanten Rückgaberegeln erklären ließen (große Fernseher, die während einer Fußballweltmeisterschaft bestellt und danach einfach zurück gegeben wurden), könnte Amazon zumindest eine solche Bestellflut (hohe zweistellige Zahl an Bestellungen an einem solchen Abend mit Wert von jeweils unter 10 Euro) ebenfalls übel nehmen. Dass Amazon schwarze Listen mit Kunden führt, die das Unternehmen mehr Geld kosten als einbringen, gilt in der Branche als sicher, auch wenn Amazon mal wieder „zu Einzelfällen keine Stellung nehmen will“. Klar ist: Das Ausschließen von Kunden ist in konkreten Einzelfällen durchaus erlaubt.
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