Neue Technologien sorgen für Turbulenzen: Darum warnt die Bafin vor KI und Quantencomputern

Die Bafin warnt: Quantencomputer sind schon heute einen Gefahr für Banken (Foto: Bartlomiej K. Wroblewski / Shutterstock)
„Je größer die Party, desto größer der Kater danach.“ Mit diesen Worten kommentierte Bafin-Chef Mark Branson am 28. Januar die Unsicherheiten auf den Finanzmärkten. Zuvor hatte zum Wochenbeginn der Deepseek-Schock einige große Tech-Aktien auf Talfahrt geschickt.
Allein der Chiphersteller Nvidia, der als wichtigster Zulieferer des KI-Booms gilt, verlor innerhalb nur eines Tages knapp 600 Milliarden US-Dollar Börsenwert – der höchste Tagesverlust in der Geschichte des US-Aktienmarktes. Grund für den Kursrutsch: Das chinesische Unternehmen Deepseek hatte ein KI-Modell vorgestellt, das mit einem Budget von weniger als 10 Millionen US-Dollar entwickelt worden sein soll und für Firmen deutlich günstiger ist als die Modelle von OpenAI, Meta und Google. Daraufhin purzelten vor allem die Aktienkurse von Chipherstellern und Energiefirmen, die bislang als Profiteure des KI-Booms galten.
An der Börse wird es turbulenter
Der Kursrutsch zeigt: Nach Jahren der Euphorie ist der Aktienmarkt wieder anfällig für Turbulenzen. Als Chef der Finanzaufsicht greift Branson das Thema auf, weil die Bafin neue Probleme bei Banken und auf den Finanzmärkten frühzeitig erkennen will. Daher legt sie jedes Jahr Schwerpunkte für ihre Aufsichtstätigkeit fest. In diesem Jahr sorgen sich Bransons Aufseher auch um die Stabilität der Finanzmärkte.
Steigende geopolitische Spannungen und politische Unsicherheiten, die hohen Staatsschuldenquoten vieler Industrienationen und die Entwicklung von Inflation und Wirtschaftswachstum könnten zu Korrekturen an den Börsen führen, schreiben sie in einem Bericht. Ein Vorgeschmack auf solche Verwerfungen am Aktienmarkt war der August 2024, als durch eine leichte Erhöhung der Leitzinsen der japanischen Notenbank in Kombination mit schlechten Arbeitsmarktdaten aus den USA die globalen Finanzmärkte kurzzeitig ins Wanken gerieten. Verursacht wurden die Einbrüche durch die Rückabwicklung sogenannter Carry Trades.
Auch wenn sich die Märkte danach wieder erholten, zeigt das Beispiel, wie unberechenbar die Börse sein kann, wenn viele Menschen große Summen in denselben Anlagen halten. Auch weil viele dann in Panik dem Herdentrieb folgten, kam es zu den weltweiten Marktschwankungen. Ein weiteres Problem: Die Aktienkäufe bei den Carry Trades waren auch hoch gehebelt, also mit Schulden finanziert.
Gefahren der KI
Aus ähnlichen Gründen macht auch der Boom der Tech-Aktien mit KI-Bezug Aufsehern weltweit Sorgen. Die hätten in den letzten Monaten manchmal „ein eher ungutes Gefühl gehabt“, wie sich gewisse Bewertungen entwickelt haben, sagte Bafin-Chef Branson in einer Pressekonferenz am 28. Januar. Denn gerade zeigt sich, wie politisch die Börse ist und wie hoch die Konzentration auf nur wenige Werte.
Und wie geht die Branche selbst mit den neuen Möglichkeiten des KI-Einsatzes um? Laut der Bafin setzen auch Finanzdienstleister immer stärker auf generative KI, etwa für Chatbots, um die Dokumentation zu optimieren oder als Assistenzsystem für Entwickler.
Gefährlich finden die Aufseher daran, dass KI-Modelle auf Datenungleichgewichten oder Vorurteilen beruhen können. Das könne zur Verzerrung der Ergebnisse führen und möglicherweise unabsichtlich Kund:innen diskriminieren. Die KI könnte sogar Risiken für die Finanzstabilität mit sich bringen, weil Banken immer abhängiger von wenigen großen Cloud- und KI-Modellanbietern werden, die den Markt dominieren.
Quantencomputer bedrohen Kryptowährungen
Auch Kryptowährungen rücken in den Fokus der Aufsicht. Die könnten den traditionellen Finanzmarkt beeinflussen, etwa wenn sie als Kreditsicherheiten dienen – eine systemische Gefahr geht aber trotz steigender Handelsvolumen nicht von ihnen aus, meint die Bafin.
Allerdings könnte eine neue Technologie auch den Kryptowerten gefährlich werden: leistungsfähige Quantencomputer. Denn die gängige Kryptographie für die größten Kryptowährungen wie Bitcoin ist „wohl nicht quantenresistent“, sagt Branson.
In der Branche ist das Problem bekannt: Quantencomputer haben grundsätzlich das Potenzial, die kryptografischen Schlüssel zu knacken, die Transaktionen und digitale Wallets schützen. Experten schätzen aber, dass ein Quantencomputer, der etwa die Bitcoin-Verschlüsselungen knacken könnte, erst in einem Jahrzehnt Realität wird. Einige Blockchain-Netzwerke wie Ethereum versuchen aber bereits, ihre Systeme gegen Quantenangriffe abzusichern.
Heute Daten klauen, morgen entschlüsseln
Bafin-Chef Branson schätzt Quantencomputer als große Gefahr für den Finanzsektor ein – auch wenn sie heute noch nicht zur Verfügung stehen. Die Branche müsse sich jetzt auf die neue Technologie vorbereiten, bevor es zu spät ist, warnt er. Denn die klassischen Verschlüsselungsverfahren, die heute in der IT-Sicherheit zum Einsatz kommen, seien für leistungsfähige Quantencomputer dann kein Hindernis mehr.
Das ist in der Finanzindustrie besonders bedenklich, weil Banken und andere Finanzdienstleister über viele sensible Daten verfügen und daher ein attraktives Ziel für Hackerangriffe sind. „Wir sprechen hier nicht nur über ein Zukunftsszenario. Diese Gefahr ist schon heute relevant. Denn schon heute können Daten geklaut und gespeichert werden, um sie später zu entschlüsseln“, warnt Branson.
Manch einen erinnerten solche Warnungen vielleicht an den Millennium-Bug. Der löste Ende der 1990er Jahre in der IT-Branche große Besorgnis aus, weil ältere Computersysteme und Software so programmiert waren, dass sie bei der Jahrtausendwende fälschlicherweise in das Jahr 1900 springen könnten – was zu Systemausfällen und Datenverlusten mit sich gebracht hätte. Banken führten daher damals frühzeitig „Millennium-Stresstests“ durch. Die Lage sei heute ähnlich, meint Branson – nur dass es dieses Mal kein Zieldatum gibt, auf das die Branche hinarbeiten könnte.
Extremwetter wird zum Risiko für Banken
Und noch ein drittes großes Thema rückt die Bafin in den Blick der Finanzindustrie: Physische Klimarisiken, denen sowohl die Aufsicht als auch die Banken bisher zu wenig Beachtung geschenkt haben.
Je schwieriger es sei, den Klimawandel unter Kontrolle zu bekommen, desto mehr steigen auch die Risiken aus Naturkatastrophen und Extremwetterereignissen – und das sollen Finanzinstitute in ihrer Risikobewertung künftig stärker berücksichtigen. So müsste etwa eine Bank in Zukunft bereits vor der Finanzierung einer Immobilie prüfen, wie hoch die Gefahr von Überflutungen oder Starkregen vor Ort ist. Besonders wichtig sei das für Regionalbanken wie Sparkassen und Volksbanken, weil bei ihnen bei einem Extremwetterereignis auf einen Schlag viele Kund:innen und Mitarbeiter:innen betroffen seien.
In Zukunft will die Bafin außerdem weiterhin darauf achten, dass Finanzprodukte nicht ohne sachliche Begründung als besonders umweltfreundlich vermarktet werden. In der Vergangenheit hatte Bransons Behörde bereits bei der Fondsgesellschaft DWS in so einem „Greenwashing“-Fall durchgegriffen.
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