Wer sich bewirbt, kann eine Absage erhalten. Es gibt verschiedene Gründe, die den Weg zum Traumjob versperren: die fehlende Berufserfahrung, die nicht ausreichende Ausbildung, ein zu hoher Gehaltswunsch. Was das Gesetz zu verhindern versucht, ist jedoch eine Absage aufgrund der Hautfarbe, des Geschlechts oder der Religion. Diskriminierung ist per Grundgesetz verboten. Und doch passiert es tagtäglich. Eine Geschichte ist jetzt an die Öffentlichkeit gekommen. Der Twitter-Nutzer @DerTurkistaner schreibt: „Wie soll man sich jemals zu Hause fühlen, wenn man nicht so akzeptiert wird wie man ist?“
Er hat einen Screenshot einer Absage veröffentlicht. Dort heißt es, man habe sich für zwei besser geeignete Kandidaten entschieden. Denn, so die Begründung des Geschäftsführers, „ist die Mitarbeit in unserem Unternehmen als praktizierender Moslem unerwünscht“. Der Islam sei nicht mit der Verfassung der BRD in Einklang zu bringen. Man hoffe, dass er den Weg in seine Heimat findet und dort nach seinen Grundsätzen leben kann. Man wünsche „alles Gute für die Zukunft“. Die Echtheit dieser Absage hat der RBB bestätigt. „Ich kann praktizierende Moslems nicht beschäftigen, weil es Unruhe geben würde“, sagte er dem Sender.
Diskriminierung ist keine Lappalie
„Grundsätzlich ist es rechtlich nicht zulässig, dass ein Bewerber aufgrund seiner Religion eine Absage erhält“, erklärt Friederike Hunsteger, Associate der Praxisgruppe Internationales Arbeitsrecht bei der Kanzlei Bird & Bird. „Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz schützt Bewerber und Beschäftigte vor Benachteiligungen wegen bestimmter Merkmale, wie unter anderem der Religionszugehörigkeit.“ Ausnahmen gäbe es nur bei der Beschäftigung durch Religionsgemeinschaften, hierzu gehören Kirchen und Einrichtungen wie Caritas und Diakonie, sagt die Expertin. Entscheidend sei aber die berufliche Tätigkeit.
„An einer Erzieherin in einer kirchlichen Einrichtung können höhere Erwartungen gestellt werden, als beispielsweise an den Hausmeister einer solchen Einrichtung, dessen Tätigkeit im Schwerpunkt die Funktionsfähigkeit der baulichen Einrichtung betrifft“, so Friederike Hunsteger. „Eltern, die ihre Kinder in einem kirchlichen Kindergarten anmelden, werden rechtlich darin geschützt, dass sie erwarten, Erzieher vorzufinden, die dem kirchlichen Verkündungsauftrag nahestehen.“ So ein Verkündungsauftrag wäre in dem Fall des Twitter-Nutzers, der sich bei einer Straßenbaufirma um einen Job bewarb, jedoch nicht gegeben.
Der Unternehmer wäre im Falle einer Klage wohl zur Entschädigung verpflichtet. „Bei einer erfolglosen Bewerbung ist der Anspruch auf drei Bruttomonatsgehälter begrenzt, wenn der Bewerber auch bei ordnungsgemäßer Auswahl nicht eingestellt worden wäre“, erklärt die Juristin. „Kann der Bewerber geltend machen, dass er bei ordnungsgemäßer Auswahl die Stelle bekommen hätte und kann der Arbeitgeber nicht das Gegenteil beweisen, besteht sogar das Risiko eines unbegrenzten Anspruches.“ Wer so benachteiligt wird, sollte einen Anspruch geltend machen, denn es gehe nicht um eine Lappalie, rät die Expertin.
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Diversität ist jungen Fachkräften wichtig
Wie weit verbreitet jegliche Form der Ungleichbehandlung am Arbeitsplatz ist, hat im vergangen Jahr auch die Jobplattform Glassdoor in der „Diversity and Inclusion Study 2019“ ermittelt. 37 Prozent der befragten Berufstätigen haben bereits Diskriminierung am Arbeitsplatz in einer Form entweder selbst erfahren oder eben beobachtet. Nach spezifischen Formen der Benachteiligung gefragt, rangiert die Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes mit 24 Prozent an erster Stelle, gefolgt von Altersdiskriminierung mit 22 Prozent, Rassismus mit 21 Prozent oder der Benachteiligung aufgrund von sexueller Orientierung mit 15 Prozent.
„Es bleibt zu hoffen, dass Unternehmen ihre Anstrengungen für mehr Vielfalt in ihren Belegschaften verstärken“, kommentierte auch Felix Altmann, damals noch in seiner Funktion als Glassdoor-Pressesprecher, die Studienergebnisse. „Vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels und demografischen Wandels könnte letzteres schnell zum Bumerang werden.“ Vor allem, so Altmann weiter, da laut vielen Umfragen gerade die jüngeren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer – also die sogenannten Millennials und die Generation Z – von den Arbeitgebern ein stärkeres Engagement für Diversität einfordern würden.
Auch die Antworten auf Twitter beweisen das: Der Tweet hat bis dato an die 10.000 Interaktionen gesammelt, allein 750 Menschen haben sich geäußert – der Tenor ist überwiegend geschockt. So schreibt ein Twitter-Nutzer: „Der Geschäftsführer sollte sich etwas anderes suchen. Wer denkt wie vor 100 Jahren kann ein Unternehmen schließlich nicht führen.“ Eine weiterer Twitter-Nutzer bietet sogar seine Hilfe bei einer Klage an: „Bitte, bitte gehe dagegen juristisch vor. Das AGG verbietet eine solche Praxis. Falls du Hilfe bei den Anwaltskosten brauchst, schreibe mir ne DM. Wir können da etwas organisieren.“
Bevor ich zum Punkt komme: Ich bin Verfechter von Diversität und lebe es sehr massiv aus, da es nur Vorteile bietet und die möglichen Nachteile von den Vorteilen übertroffen werden. Das Verhalten und die Absage ist durch nichts zu rechtfertigen.
Etwas stößt mir dann aber doch auf: „Wie soll man sich jemals zu Hause fühlen, wenn man nicht so akzeptiert wird wie man ist?“
Diese Erwartungshaltung ist ganz klar zu hoch. Eine Gesellschaft ab zwei Personen verlangt von JEDEM ein hohes Maß an Anpassungsfähigkeit ab. Möchte ich in einem Umfeld akzeptiert werden, sollte ich mich anpassen können.
Das Zitat könnte der Arbeitgeber auch umdrehen: „Wie soll man jemals einen einstellen, wenn der nicht so sein möchte wie wir sind?“
Wer soll diesen Blödsinn denn glauben? Kein Geschäftsführer wäre so blöd, explizit mitzuteilen, dass er einen Bewerber wegen seines Glaubens oder anderer grundgesetzlich garantierten Persönlichkeitsrechte ablehnt. Solche Nebelkerzen zünden nicht mehr
Guten Tag Frau Busold, erkundigen Sie sich selbst. Der Name des Geschäftsführers ist Dipl. Ing. Frank Pilzecker Asphalt Straßenbau mbH in Kolkwitz. Er hat die Absage selbst so unterzeichnet. Die Telefonnummer hab ich für Sie auch herausgesucht: 035604-6160.
Lieben Gruß, Andreas Weck.
https://www.rbb24.de/panorama/beitrag/2020/10/brandenburg-bewerbung-strassenbaufirma-rassistische-mail-muslime.html ist oben im Beitrag verlinkt gewesen – die Quelle wurde als im t3n-Beitrag benannt
So etwas darf nicht sein, egal ob Religio, Herkunft, Alter oder anderes der Bezugspubkt ist.
Ich weiß, daß das folgende andere Ursachen hat, ist aber letztlich auch Diskriminierung: Tut mir leid, aber als Mann sind Sie unerwünscht, da wir Quote x zu erfüllen haben. Und das ist teilweise sogar so vorgegeben. Die Grünen wollen sogar Frauen bei mindestens 50% sehen (Männer also maximal gleichgestellt und das, obwohl auf 100 Frauen 107 Männer in der Welt kommen). Wir haben noch einen weiten Weg zur religiösen, geschlechtlichen oder genetischen sowie xyz (beliebiges einsetzen) Gleichberechtigung.
Schwieriges Thema, die Gleichberechtigung! Ich habe auch schon oft eine Absage erhalten, weil ich schwerbehindert bin. Das wurde zwar nicht als Grund genannt, war aber offensichtlich. Da hätte ich wohl auch klagen müssen. Aber nein, ich habe weiter Bewerbungen verschickt. Man kann nicht allen recht machen. Der Unternehmer war in diesem Fall einfach dumm.
„Da hätte ich wohl auch klagen müssen“ … leider geht bei uns in D Vieles nur noch über diesen Weg, aber was nützt es Einem, dann Recht zu bekommen – aber trotzdem keine Anstellung. Kann dem zustimmen nur – als überqualifizierter 60-jähriger erlebt man ebenfalls Absagen und auch das ein Grund, den / die zuständige/n Antidiskriminierungs-Beauftragte/n auf das Unternehmen anzusetzen.
„Auch die Antworten auf Twitter beweisen das: Der Tweet hat bis dato an die 10.000 Interaktionen gesammelt, allein 750 Menschen haben sich geäußert (…)“
Nö. Es zeigt nur examplarisch, wie schnell man einen Haufen uninformierter Vollidioten auf Twitter agitieren kann. Im Prinzip nichts neues.
Aber ich finde es schon sehr fürsorglich, dass Twitter einen Arbeitgeber bei seiner Personalauswahl „berät“. Ich will die Kriterien des Arbeitgebers nicht bewerten, es ist schließlich sein Unternehmen.
Ich glaube aber dass der wütende Twitter-Mob von der Situation ungefähr so viel weiß wie vom Straßenbau.