Anzeige
Anzeige
News

„Moslem unerwünscht“ – das droht bei Diskriminierung im Bewerbungsprozess

Ein veröffentlichter Fall von Diskriminierung im Bewerbungsprozess schockt Twitter-Nutzer. Die juristische Einschätzung einer Expertin ist eindeutig: „Das ist keine Lappalie!“

3 Min.
Artikel merken
Anzeige
Anzeige

Rassismus am Arbeitsplatz ist keine Lappalie. (Foto: Shutterstock)

Wer sich bewirbt, kann eine Absage erhalten. Es gibt verschiedene Gründe, die den Weg zum Traumjob versperren: die fehlende Berufserfahrung, die nicht ausreichende Ausbildung, ein zu hoher Gehaltswunsch. Was das Gesetz zu verhindern versucht, ist jedoch eine Absage aufgrund der Hautfarbe, des Geschlechts oder der Religion. Diskriminierung ist per Grundgesetz verboten. Und doch passiert es tagtäglich. Eine Geschichte ist jetzt an die Öffentlichkeit gekommen. Der Twitter-Nutzer @DerTurkistaner schreibt: „Wie soll man sich jemals zu Hause fühlen, wenn man nicht so akzeptiert wird wie man ist?“

Anzeige
Anzeige

Er hat einen Screenshot einer Absage veröffentlicht. Dort heißt es, man habe sich für zwei besser geeignete Kandidaten entschieden. Denn, so die Begründung des Geschäftsführers, „ist die Mitarbeit in unserem Unternehmen als praktizierender Moslem unerwünscht“. Der Islam sei nicht mit der Verfassung der BRD in Einklang zu bringen. Man hoffe, dass er den Weg in seine Heimat findet und dort nach seinen Grundsätzen leben kann. Man wünsche „alles Gute für die Zukunft“. Die Echtheit dieser Absage hat der RBB bestätigt. „Ich kann praktizierende Moslems nicht beschäftigen, weil es Unruhe geben würde“, sagte er dem Sender.

Diskriminierung ist keine Lappalie

Das Antidiskrimininierungsgesetz schützt vor Diskriminierung am Arbeitsplatz. (Foto: dpa)

„Grundsätzlich ist es rechtlich nicht zulässig, dass ein Bewerber aufgrund seiner Religion eine Absage erhält“, erklärt Friederike Hunsteger, Associate der Praxisgruppe Internationales Arbeitsrecht bei der Kanzlei Bird & Bird. „Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz schützt Bewerber und Beschäftigte vor Benachteiligungen wegen bestimmter Merkmale, wie unter anderem der Religionszugehörigkeit.“ Ausnahmen gäbe es nur bei der Beschäftigung durch Religionsgemeinschaften, hierzu gehören Kirchen und Einrichtungen wie Caritas und Diakonie, sagt die Expertin. Entscheidend sei aber die berufliche Tätigkeit.

Anzeige
Anzeige

„An einer Erzieherin in einer kirchlichen Einrichtung können höhere Erwartungen gestellt werden, als beispielsweise an den Hausmeister einer solchen Einrichtung, dessen Tätigkeit im Schwerpunkt die Funktionsfähigkeit der baulichen Einrichtung betrifft“, so Friederike Hunsteger. „Eltern, die ihre Kinder in einem kirchlichen Kindergarten anmelden, werden rechtlich darin geschützt, dass sie erwarten, Erzieher vorzufinden, die dem kirchlichen Verkündungsauftrag nahestehen.“ So ein Verkündungsauftrag wäre in dem Fall des Twitter-Nutzers, der sich bei einer Straßenbaufirma um einen Job bewarb, jedoch nicht gegeben.

Anzeige
Anzeige

Der Unternehmer wäre im Falle einer Klage wohl zur Entschädigung verpflichtet. „Bei einer erfolglosen Bewerbung ist der Anspruch auf drei Bruttomonatsgehälter begrenzt, wenn der Bewerber auch bei ordnungsgemäßer Auswahl nicht eingestellt worden wäre“, erklärt die Juristin. „Kann der Bewerber geltend machen, dass er bei ordnungsgemäßer Auswahl die Stelle bekommen hätte und kann der Arbeitgeber nicht das Gegenteil beweisen, besteht sogar das Risiko eines unbegrenzten Anspruches.“ Wer so benachteiligt wird, sollte einen Anspruch geltend machen, denn es gehe nicht um eine Lappalie, rät die Expertin.

Es ist endlich Zeit, Diversity Management in deinem Unternehmen zu etablieren? Unser Guide zeigt dir, wie es geht! Jetzt lesen!

Anzeige
Anzeige

Diversität ist jungen Fachkräften wichtig

Wie weit verbreitet jegliche Form der Ungleichbehandlung am Arbeitsplatz ist, hat im vergangen Jahr auch die Jobplattform Glassdoor in der „Diversity and Inclusion Study 2019“ ermittelt. 37 Prozent der befragten Berufstätigen haben bereits Diskriminierung am Arbeitsplatz in einer Form entweder selbst erfahren oder eben beobachtet. Nach spezifischen Formen der Benachteiligung gefragt, rangiert die Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes mit 24 Prozent an erster Stelle, gefolgt von Altersdiskriminierung mit 22 Prozent, Rassismus mit 21 Prozent oder der Benachteiligung aufgrund von sexueller Orientierung mit 15 Prozent.

„Es bleibt zu hoffen, dass Unternehmen ihre Anstrengungen für mehr Vielfalt in ihren Belegschaften verstärken“, kommentierte auch Felix Altmann, damals noch in seiner Funktion als Glassdoor-Pressesprecher, die Studienergebnisse. „Vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels und demografischen Wandels könnte letzteres schnell zum Bumerang werden.“ Vor allem, so Altmann weiter, da laut vielen Umfragen gerade die jüngeren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer – also die sogenannten Millennials und die Generation Z – von den Arbeitgebern ein stärkeres Engagement für Diversität einfordern würden.

Auch die Antworten auf Twitter beweisen das: Der Tweet hat bis dato an die 10.000 Interaktionen gesammelt, allein 750 Menschen haben sich geäußert – der Tenor ist überwiegend geschockt. So schreibt ein Twitter-Nutzer: „Der Geschäftsführer sollte sich etwas anderes suchen. Wer denkt wie vor 100 Jahren kann ein Unternehmen schließlich nicht führen.“ Eine weiterer Twitter-Nutzer bietet sogar seine Hilfe bei einer Klage an: „Bitte, bitte gehe dagegen juristisch vor. Das AGG verbietet eine solche Praxis. Falls du Hilfe bei den Anwaltskosten brauchst, schreibe mir ne DM. Wir können da etwas organisieren.“

Mehr zu diesem Thema
Fast fertig!

Bitte klicke auf den Link in der Bestätigungsmail, um deine Anmeldung abzuschließen.

Du willst noch weitere Infos zum Newsletter? Jetzt mehr erfahren

Anzeige
Anzeige
8 Kommentare
Bitte beachte unsere Community-Richtlinien

Wir freuen uns über kontroverse Diskussionen, die gerne auch mal hitzig geführt werden dürfen. Beleidigende, grob anstößige, rassistische und strafrechtlich relevante Äußerungen und Beiträge tolerieren wir nicht. Bitte achte darauf, dass du keine Texte veröffentlichst, für die du keine ausdrückliche Erlaubnis des Urhebers hast. Ebenfalls nicht erlaubt ist der Missbrauch der Webangebote unter t3n.de als Werbeplattform. Die Nennung von Produktnamen, Herstellern, Dienstleistern und Websites ist nur dann zulässig, wenn damit nicht vorrangig der Zweck der Werbung verfolgt wird. Wir behalten uns vor, Beiträge, die diese Regeln verletzen, zu löschen und Accounts zeitweilig oder auf Dauer zu sperren.

Trotz all dieser notwendigen Regeln: Diskutiere kontrovers, sage anderen deine Meinung, trage mit weiterführenden Informationen zum Wissensaustausch bei, aber bleibe dabei fair und respektiere die Meinung anderer. Wir wünschen Dir viel Spaß mit den Webangeboten von t3n und freuen uns auf spannende Beiträge.

Dein t3n-Team

Niemand

Bevor ich zum Punkt komme: Ich bin Verfechter von Diversität und lebe es sehr massiv aus, da es nur Vorteile bietet und die möglichen Nachteile von den Vorteilen übertroffen werden. Das Verhalten und die Absage ist durch nichts zu rechtfertigen.

Etwas stößt mir dann aber doch auf: „Wie soll man sich jemals zu Hause fühlen, wenn man nicht so akzeptiert wird wie man ist?“

Diese Erwartungshaltung ist ganz klar zu hoch. Eine Gesellschaft ab zwei Personen verlangt von JEDEM ein hohes Maß an Anpassungsfähigkeit ab. Möchte ich in einem Umfeld akzeptiert werden, sollte ich mich anpassen können.

Das Zitat könnte der Arbeitgeber auch umdrehen: „Wie soll man jemals einen einstellen, wenn der nicht so sein möchte wie wir sind?“

Antworten
MB

Wer soll diesen Blödsinn denn glauben? Kein Geschäftsführer wäre so blöd, explizit mitzuteilen, dass er einen Bewerber wegen seines Glaubens oder anderer grundgesetzlich garantierten Persönlichkeitsrechte ablehnt. Solche Nebelkerzen zünden nicht mehr

Antworten
Andreas Weck

Guten Tag Frau Busold, erkundigen Sie sich selbst. Der Name des Geschäftsführers ist Dipl. Ing. Frank Pilzecker Asphalt Straßenbau mbH in Kolkwitz. Er hat die Absage selbst so unterzeichnet. Die Telefonnummer hab ich für Sie auch herausgesucht: 035604-6160.

Lieben Gruß, Andreas Weck.

Antworten
Richard A. Hornsby

https://www.rbb24.de/panorama/beitrag/2020/10/brandenburg-bewerbung-strassenbaufirma-rassistische-mail-muslime.html ist oben im Beitrag verlinkt gewesen – die Quelle wurde als im t3n-Beitrag benannt

Antworten
Fraggle

So etwas darf nicht sein, egal ob Religio, Herkunft, Alter oder anderes der Bezugspubkt ist.
Ich weiß, daß das folgende andere Ursachen hat, ist aber letztlich auch Diskriminierung: Tut mir leid, aber als Mann sind Sie unerwünscht, da wir Quote x zu erfüllen haben. Und das ist teilweise sogar so vorgegeben. Die Grünen wollen sogar Frauen bei mindestens 50% sehen (Männer also maximal gleichgestellt und das, obwohl auf 100 Frauen 107 Männer in der Welt kommen). Wir haben noch einen weiten Weg zur religiösen, geschlechtlichen oder genetischen sowie xyz (beliebiges einsetzen) Gleichberechtigung.

Antworten
Wolfgang Einhorn

Schwieriges Thema, die Gleichberechtigung! Ich habe auch schon oft eine Absage erhalten, weil ich schwerbehindert bin. Das wurde zwar nicht als Grund genannt, war aber offensichtlich. Da hätte ich wohl auch klagen müssen. Aber nein, ich habe weiter Bewerbungen verschickt. Man kann nicht allen recht machen. Der Unternehmer war in diesem Fall einfach dumm.

Antworten
Richard A. Hornsby

„Da hätte ich wohl auch klagen müssen“ … leider geht bei uns in D Vieles nur noch über diesen Weg, aber was nützt es Einem, dann Recht zu bekommen – aber trotzdem keine Anstellung. Kann dem zustimmen nur – als überqualifizierter 60-jähriger erlebt man ebenfalls Absagen und auch das ein Grund, den / die zuständige/n Antidiskriminierungs-Beauftragte/n auf das Unternehmen anzusetzen.

Antworten
Fernanda Torres

„Auch die Antworten auf Twitter beweisen das: Der Tweet hat bis dato an die 10.000 Interaktionen gesammelt, allein 750 Menschen haben sich geäußert (…)“
Nö. Es zeigt nur examplarisch, wie schnell man einen Haufen uninformierter Vollidioten auf Twitter agitieren kann. Im Prinzip nichts neues.

Aber ich finde es schon sehr fürsorglich, dass Twitter einen Arbeitgeber bei seiner Personalauswahl „berät“. Ich will die Kriterien des Arbeitgebers nicht bewerten, es ist schließlich sein Unternehmen.
Ich glaube aber dass der wütende Twitter-Mob von der Situation ungefähr so viel weiß wie vom Straßenbau.

Antworten

Melde dich mit deinem t3n Account an oder fülle die unteren Felder aus.

Bitte schalte deinen Adblocker für t3n.de aus!
Hallo und herzlich willkommen bei t3n!

Bitte schalte deinen Adblocker für t3n.de aus, um diesen Artikel zu lesen.

Wir sind ein unabhängiger Publisher mit einem Team von mehr als 75 fantastischen Menschen, aber ohne riesigen Konzern im Rücken. Banner und ähnliche Werbemittel sind für unsere Finanzierung sehr wichtig.

Schon jetzt und im Namen der gesamten t3n-Crew: vielen Dank für deine Unterstützung! 🙌

Deine t3n-Crew

Anleitung zur Deaktivierung
Artikel merken

Bitte melde dich an, um diesen Artikel in deiner persönlichen Merkliste auf t3n zu speichern.

Jetzt registrieren und merken

Du hast schon einen t3n-Account? Hier anmelden

oder
Auf Mastodon teilen

Gib die URL deiner Mastodon-Instanz ein, um den Artikel zu teilen.

Anzeige
Anzeige