Bill Gates‘ Goldjunge: Ein Tag im Leben von ResearchGate-Gründer Ijad Madisch
Bill Gates auf meinem MacBook überzeugt
Es ist eine dieser Geschichten, die man sich in Berlin wohl noch heute gerne erzählt: Im Frühjahr 2013 will Ijad Madisch, Gründer und CEO von ResearchGate, den reichsten Mann der Welt treffen: Bill Gates. Aber das ist nicht so einfach. Man kann ihn ja nicht einfach anrufen. Also spricht Madisch bei Boris Nikolic vor, Berater und „rechte Hand“ von Gates, und will ihm seine Idee vorstellen.
Obwohl ihm Nikolic schon beim Handschlag wenig Hoffnung macht („Bill macht eigentlich keine Tech-Sachen, aber zeig‘ mal, was du hast“), wühlt dieser nach 20 Minuten hektisch im Terminkalender. Wenige Wochen später trifft Madisch Gates an einem geheimen Ort in Frankreich. Eine Stunde lang hocken beide vor einem MacBook. Der damals 33-Jährige muss Gates die Zukunft erklärt haben. Am Ende investiert der Microsoft-Gründer 35 Millionen US-Dollar in die Idee von Madisch.
Die Idee von Madisch, das ist so etwas wie ein Facebook für die Wissenschaft. Auf der 2008 in Berlin gegründeten Online-Plattform können Experimente geteilt, diskutiert und auf den Prüfstand gestellt werden. Madisch, gebürtiger Wolfsburger und selbst Arzt, will die Forschung so effizienter machen. Über neun Millionen akkreditierte Wissenschaftler nutzen ResearchGate heute.
Ein großer Coup gelang dem Startup vor drei Jahren: Als findige Mitglieder des Netzwerks eine japanische Studie, nach der sich Stammzellen in einem einfachen Säurebad ohne Embryos züchten lassen sollen, erfolglos zu reproduzieren versuchten, entpuppte sich die vermeintliche Forschungssensation schnell als bizarrer Irrtum. Seitdem geht es mit der Plattform stetig bergauf. Wie der Alltag von Madisch dabei aussieht, verrät er uns im exklusiven Tagesprotokoll.
So läuft ein Arbeitstag von Ijad Madisch ab
3 Uhr: Ich werde einmal kurz wach und schaue auf meine Mails. Die meisten unserer Investoren leben an der US-Westküste und sind wach, wenn ich schlafe. Um keine Zeit zu verschwenden, etwa wenn wichtige Entscheidungen anstehen, beantworte ich jetzt dringende Mails.
7 Uhr: Der Wecker klingelt. Ich greife wieder zu meinem iPhone, überfliege meine E-Mails und beantworte einige. Noch schnell einen Kaffee und ein Brötchen mit Käse und Marmelade und ich bin auf dem Weg zum Sport.
8 Uhr: Ankunft im Fitness-Studio. Vor zwei Jahren habe ich mir in den Kopf gesetzt, bei einem A-Turnier unter die ersten vier zu kommen, weil meine Freundin meinte, ich sei dafür zu alt. Leider habe ich die Angewohnheit, wenn ich mir etwas vornehme, es dann auch richtig durchzuziehen. So gehe ich jetzt drei bis vier Mal die Woche zum Krafttraining und zwei bis drei Mal zum Beachvolleyball. Im Sommer verbringe ich viele Wochenenden auf Turnieren. Das ist der perfekte Ausgleich und macht mir besonders mit meinem Athletik-Trainer und den Trainingskollegen viel Spaß. Vor allem, weil die alle zehn Jahre jünger sind als ich!
10 Uhr: Jetzt geht der Arbeitstag richtig los. Ich gehe kurz mit meiner Assistentin Lydia die Termine durch. Darauf folgt ein kurzes Gespräch mit Steve, unserem Head of Product, mit dem Lydia und ich uns das Büro teilen. „Anything new?” frage ich und eigentlich gibt es immer etwas. Heute zum Beispiel sprechen wir über den anstehenden Roll-out eines neuen Features, der am Nachmittag passieren soll.
11 Uhr: Mein Meeting mit unserer Company-Culture-Managerin Stephanie steht an. Diese Meetings habe ich mit einigen Teammitgliedern, mit denen ich direkt zusammen arbeite, wöchentlich. Sie sind dazu da, Ideen zu besprechen und sich auszutauschen. Diese Meetings machen bei uns alle Manager mit ihren Teammitgliedern. Stephanie und ich besprechen, wie und wo wir Digital Whiteboards aufhängen wollen. Auf diesen Monitoren sollen Geburtstage, Jahrestage, News und aktuelle Events angezeigt werden, wie zuletzt etwa die Ankündigung für unser St. Patrick’s Day get-together.
11:30 Uhr: Im Anschluss ruft mein wöchentliches Treffen mit Horst und Sören, den beiden Mitgründern von ResearchGate. Wir sind alle drei schon lang befreundet, mit Sören habe ich an der Medizinischen Hochschule Hannover zusammen geforscht. Anfangs hatten mir alle davon abgeraten, gemeinsam mit Freunden zu gründen. Für mich war aber immer klar, dass meine Freunde die Menschen sind, auf die ich mich verlassen kann und dass es deswegen eine gute Idee ist, mit ihnen ResearchGate aufzubauen. Ich lag richtig, denn jetzt arbeiten wir seit über acht Jahren täglich zusammen. Jeder hat seinen Bereich, was sehr gut funktioniert: Horst ist Chief Technology Officer und Sören ist Chief Operating Officer.
12:30 Uhr: Es gibt Mittagessen. Ich sehe auf unserer Lunch-App, die ich selbst programmiert habe, nach, was ich für heute gewählt habe. Bei uns gibt es täglich kostenloses, frisch gekochtes Mittagessen. Jeder kann aus drei Optionen wählen, darunter auch vegetarisch/vegan, laktosefrei und ohne Schwein. Bei mir gibt es heute gebratene Hühnerbrust mit Tomatenpolenta und eingelegtem Gemüse. Mit Sebastian, einem unserer Entwickler, der von Anfang an mit dabei ist, unterhalte ich mich beim Mittagessen über seinen kleinen Sohn – mein Patenkind.
13 Uhr: Noch schnell eine kurze Runde Tischtennis mit Slava, einem unserer Entwickler. Slava und zu ich spielen fast täglich – vielleicht werde ich ja auch im Tischtennis noch Profi? Heute jedenfalls nicht: Slava gewinnt das Match.
13:30 Uhr: Ich setze mich kurz an den Rechner und beantworte einige Emails über Outlook. Ein bestimmtes System habe ich dabei nicht. Ich bin allerdings dankbar für meine Assistentin, ohne sie wäre die Flut nicht bewältigen.
14 Uhr: Wir haben Besuch von einer Java-Entwicklerin, die sich auf eine offene Stelle bei uns bewirbt. Wir sprechen darüber, wie gut es sich anfühlt für etwas zu arbeiten, hinter dem man mit voller Überzeugung steht. Mit ResearchGate wollen wir die Welt der Wissenschaft umkrempeln und Wissenschaftlern helfen, ihre Arbeit besser zu kommunizieren. Das würde schnelleren Fortschritt bedeuten, zum Beispiel bei der der Suche nach einer Lösung gegen den Zika-Virus. Das motiviert uns alle bei ResearchGate sehr. Und ich glaube, die Entwicklerin findet das auch gut. Ich jedenfalls habe mich gefreut, sie kennenzulernen und drücke ihr die Daumen für unsere Coding-Challenge, die bei uns alle Bewerber machen.
15 Uhr Wir haben ein Telefon-Interview mit einem deutschen Journalisten. Es geht darum, wie Forscher heute und in Zukunft ihre Ergebnisse veröffentlichen. In den ersten vier Jahren haben sie insgesamt zwei Millionen Publikationen auf ihre Profile bei ResearchGate hochgeladen, heute laden sie 2,5 Millionen jedem Monat hoch. Dazu gehören Forschungsdaten, die ansonsten nicht (oder nicht so schnell) veröffentlicht würden. Ich bin schon gespannt auf den Artikel.
16 Uhr: Noch ein Meeting mit Mark und Darren, zwei unserer Produktmanager und Chris, unserem Design-Chef, zu einem neuen Produkt, mit dem wir in Kürze an den Start gehen – was ich kaum erwarten kann. Alles läuft und wir sind in der finalen Phase, die Spannung steigt.
17 Uhr: Ich begrüße sieben neue Teammitglieder mit unserer „Welcome to the Team“-Präsentation. Wir sind in den vergangenen Jahren auf 200 Mitarbeiter gewachsen. Es ist wichtig, dass alle genau verstehen, woran wir arbeiten, warum wir das machen und was ihre Rolle dabei ist. Diese Präsentation legt bei jedem neuen Teammitglied den Grundstein dafür.
18 Uhr: Noch eine Runde durchs Office und bei den Teams vorbeischauen. Alle arbeiten fieberhaft am neuen Produkt, aber noch muss ich mich noch gedulden, was absolut nicht meine Stärke ist. Gerade im Gründeralltag kann Ungeduld aber auch eine Stärke sein. So treibt man Dinge voran. Außerdem bin ich gut darin, auf mein Bauchgefühl zu hören. Man muss nicht immer auf alles hören, was einem andere an Gegenwind entgegenbringen. Gegenwind ist das beste Zeichen dafür, dass man etwas verändert.
19 Uhr: Mit meinem Beachvolleyball-Partner Steffen treffe ich mich zum abendlichen Training. Ablenkung hilft, heute Abend habe ich noch eine Stunde Training am Ball. Wir üben den Angriffsschlag in verschiedene Richtungen. Das hilft mir dabei, vom Alltag abzuschalten.
21 Uhr: Wieder zu Hause. Ich esse einen Salat und schreibe ein paar E-Mails mit unseren Investoren an der Westküste, deren Tag jetzt beginnt. Zwischendrin schaue ich Netflix, zurzeit am liebsten „The Walking Dead“ und spiele noch eine Runde FIFA 16 an der Playstation.
0 Uhr: Um Mitternacht mache ich den Rechner aus. Im Bett lese ich noch für 15 Minuten Nachrichten, dann fallen mir die Augen zu. Mein Tag ist zu Ende.
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Mühlbachmitte
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Tolle Satire! Finde ich gut, dass ihr den Postillion an Bord geholt habt!
Der war gut! „Wir sprechen darüber, wie gut es sich anfühlt für etwas zu arbeiten, hinter dem man mit voller Überzeugung steht.“ Selten so gelacht.
Da bin ich wohl der Erste mit einem ernst gemeinten Kommentar?
Vielen Dank für den Bericht, ich lese diese Rubrik sehr gerne und finde es interessant.
Die vorherigen Kommentare sagen mehr über die Kommentatoren als über den Bericht bzw. Gründer. Ich bin mir sicher das er mit voller Überzeugung hinter seinem Produkt steht. Das sollte für einen Gründer ohnehin selbstverständlich sein. Aber auch für einen Arbeitnehmer: Wenn ich mich nicht mit der Firma identifizieren kann bin ich da halt falsch!