Resident Evil 4 Remake: Ein Zeichen für eine stagnierende Games-Industrie?
Fast könnte man meinen, dass der Videospielindustrie die Ideen ausgehen, wenn man sich die Release-Listen der letzten Monate anschaut. Große Titel waren da etwa: „Dead Space“, „The Last of Us Part I“ oder „Resident Evil 4“. Gemein haben sie alle, dass sie bereits vor Jahren erschienen sind. Es sind Remakes von Spielen, die damals, als sie erstmals herauskamen, neue Impulse gesetzt haben.
„The Last of Us“ hat 2013 wie kaum ein Spiel zuvor eine packende Geschichte erzählt. „Dead Space“ hat 2008 den Horror im All auf eine neue Ebene gehoben – samt abtrennbarer Gliedmaßen. Und „Resident Evil 4“ hat 2005 das Third-Person-Genre revolutioniert. Alle drei Spiele bekamen Höchstwertungen und waren Publikumslieblinge.
Die Liste endet damit freilich nicht: Da wären auch „Final Fantasy 7“, „Demon’s Souls“ oder „The Legend of Zelda: Link’s Awakening“. Woran liegt es also, dass sich die Videospielindustrie so sehr auf ihre alten Spiele stürzt und sie überarbeitet erneut auf den Markt bringt? Liegt es wirklich daran, dass keine neuen Ideen mehr da sind?
Es kommt wohl darauf an, welchen Maßstab man ansetzt.
Sie verkaufen sich einfach
Zunächst zu den beiden wohl wichtigsten Gründen, wieso große Videospielstudios so gerne ihre eigenen Spiele erneut zum Verkauf anbieten: Sie wissen, dass sie sich verkaufen werden. Allein „Resident Evil 4 Remake“ hat sich in den ersten zwei Tagen seit Erscheinen bereits drei Millionen Mal verkauft.
Je teurer die Produktion von Videospielen wird, desto naheliegender ist es, dass die Studios weniger Risiken eingehen wollen. Neue IPs zu entwickeln, braucht seine Zeit, viele Ressourcen – und kommt immer mit dem Risiko, dass das neue Konzept einfach nicht gut ankommt. Der Publisher Square Enix musste das etwa jüngst mit „Forspoken“ feststellen. Das Studio hinter dem Spiel wurde inzwischen aufgelöst.
Daher ist die Frage wohl eher im Publikum zu suchen: Wieso kauft das so gerne Remakes? Die Zahl 37,4 kann eine Antwort geben. Das ist laut dem Game Verband das Durchschnittsalter der videospielenden Menschen in Deutschland im Jahr 2021. Im Jahr 2016 lag es noch bei 35 Jahren. Die Spieler und Spielerinnen werden also mit ihrem Medium älter. Sie sind mit ihm aufgewachsen – und lieben die Spiele, die sie früher gespielt haben.
Nostalgie spielt also eine gewichtige Rolle. Viele wollen die Spiele ihrer Kindheit oder Jugend nochmal spielen, aber auf einer modernen Plattform mit hochpolierter Grafik und aktualisierten Spielmechaniken. Es ist ein zahlungskräftiges Publikum, auf das die Studios zählen können.
Remakes als Balance
Aber müssen sich Remake und neue Ideen überhaupt ausschließen? Nicht unbedingt, das zeigt das „Resident Evil 4 Remake“ eindrücklich. Sicherlich, es ist grundlegend das gleiche Spiel. Das muss es auch sein, um die Fans der ersten Stunde zufriedenzustellen. Gleichzeitig muss es aber Neues bieten, um das moderne Publikum nicht abzuschrecken.
Das macht das Spiel sehr geschickt und ist damit wohl das Paradebeispiel dafür, wie ein sehr gutes Remake aussehen muss. So können sie auch eine Möglichkeit sein, zu zeigen, welche Fortschritte die Industrie gemacht hat. Sie sind oft eine Zusammenfassung dessen, was passiert ist. Grafisch, spielmechanisch, inszenatorisch oder in Bezug auf künstliche Intelligenz.
„Resident Evil 4 Remake“ bekommt die perfekte Balance zwischen diesen beiden Polen hin. Es ist ein modernes Spiel, das sich durch geschickte Nuancierungen auch etwas von seiner damaligen „Held rettet die naive Frau“-Geschichte distanziert. Es ist somit ein Spiel der jetzigen Zeit.
Dennoch ist klar, dass Remakes nicht die Spiele sind, in denen komplett neue Spielmechaniken etabliert werden. Doch sind AAA-Videospiele sowieso seit Jahren kaum noch experimentelle Projekte, in denen die Art, wie wir spielen, grundlegend verändert wird. Indie-Studios setzen die neuen Impulse, wenn auch in kleinerem Maßstab und weniger hochtechnisiert.
Überhaupt ist die Auswahl an Spielen so groß wie noch nie. Jährlich erscheinen Tausende Spiele auf etlichen Plattformen, die in ihren Ausrichtungen immer diverser werden. Wer keine Lust auf Remakes hat, wird genug andere Spiele für den eigenen Geschmack finden. Ob die dann innovativer sind, ist allerdings eine andere Frage.
Die Innovationen sind abgegrast
Das bringt uns wohl zu der ernüchterndsten Antwort auf die Frage, ob der Industrie die Ideen ausgehen: Das meiste ist einfach abgegrast. Aktuelle Technologien in Konsolen und PCs setzen vor allem auf grafische Verbesserungen wie Raytracing. Die Zeiten der ersten 3D-Spiele oder von Bewegungssteuerung, die die Art zu spielen grundlegend veränderten, sind um. Heute sind neue Ideen kleiner und vorsichtiger – und drehen sich eher um Technologie als die Spiele selbst.
Heute geht es um die Wiederholung bekannter Spiele, Genres und Spielmechaniken – nur hübscher, schneller und größer. Auch das ist ein Zeichen dafür, dass die Videospielindustrie zu absolutem Mainstream geworden ist. Anders sieht es in der Filmindustrie schließlich auch nicht aus, die von Fortsetzungen und Reboots nur so überflutet wird.
Remakes sind also weniger ein Zeichen für ausgehende Ideen als mehr eines für ein alterndes Publikum, das gerne nochmal die Spiele von früher spielen will. Sie sind ein Zeichen für einen Markt, der immer breiter und kommerzieller wird. Und wenn dabei dann so ein gutes Spiel wie „Resident Evil 4 Remake“ herauskommt, ist das wohl zu verkraften.