Schluss mit rational! Die Führung in der Arbeitswelt der Zukunft geht nicht ohne Menschenorientierung
Die Digitalisierung und zuletzt die anhaltende Pandemie haben die Arbeitswelt des 21. Jahrhunderts grundlegend verändert. Menschen haben vor allem in den letzten Monaten verstärkt zu spüren bekommen, welche Auswirkungen die aktuellen Anpassungen mit sich bringen. Neben vielen positiven Aspekten berichten Kollegen auch, dass ihr Zugehörigkeitsgefühl gelitten hat – der persönliche Austausch ist abhanden gekommen. Wie wichtig die Unternehmenskultur mit ihren Werten und Normen ist, und dabei insbesondere auch der unsichtbare Teil – die zwischenmenschliche Ebene, die Emotionen und Bedürfnisse –, wird in Zeiten besonders deutlich, wo der direkte Kontakt mit den Kolleginnen fehlt. Alle nehmen es irgendwie wahr, doch kaum einer sieht sich in der Lage oder traut sich, es auszusprechen.
In vielen Teilen der Gesellschaft galt die Abwesenheit von Gefühlen lange als Tugend, als Grundlage des Miteinanders, der persönlichen Seriosität und in vielen Unternehmen sogar als Merkmal von Führungsqualität. Wer kennt es nicht: „Wir brauchen hier den kühlen Kopf im Management, jemanden, der seine Gefühle spätestens an der Türschwelle zum Büro ablegt, um sich ausschließlich auf Fakten, Zahlen und Zusammenhänge zu konzentrieren.“ Oder auch „Ich bin ein hoch emotionaler Mensch, nur nicht bei der Arbeit.“ Der Wohlstand des Westens baut auf Nüchternheit und Pragmatismus auf. Bislang haben nur Vernunft und gründliches Nachdenken vermeintlich unsere Lage verbessert, nicht aber das impulsive (Bauch-)Gefühl. Doch damit ist jetzt Schluss.
In der Arbeitswelt der Zukunft, geprägt von Komplexität und Unsicherheit, macht der Mensch den Unterschied – der Mensch in seiner Ganzheit mit all seinen Erfahrungen, Kompetenzen und auch Emotionen. Dafür braucht es ein neues, wirksameres Führungsverständnis, eine neue Haltung zu mehr Menschlichkeit, den bewussten Aufbau von Kompetenzen, die auch dabei helfen, Gefühle stärker auf die Agenda zu nehmen – die eigenen und die der anderen.
Warum Menschenorientierung?
Daniel Goleman hat schon 1995 die These aufgestellt, dass eine der wichtigsten Aufgaben von Führungskräften darin bestehe, in den Menschen, die sie führen, positive Gefühle zu wecken. Er ist der Ansicht, dass die emotionale Dimension von Führung, wenngleich sie oft nicht sichtbar ist oder völlig ignoriert wird, darüber entscheidet, ob eine Führungskraft alles so gut macht, wie sie es könnte. Und deshalb ist emotionale Intelligenz, also der intelligente Umgang mit Emotionen, so wichtig für erfolgreiche Führung.
Eine gute zwischenmenschliche Verbindung zwischen Führungskraft und Kollegen legt genau die Quellen frei, die das Unternehmen anpassungsfähig für die Zukunft machen. So entstehen Motivation, ein vertrauensvolles Arbeitsklima, eine Kultur der Innovation. Wenn Teammitglieder sich verstanden und geschätzt fühlen, beginnen sie, wertvolle Beiträge für den Kollegenkreis und das Unternehmen zu leisten. Sie schauen über den Tellerrand und gehen in die Eigenverantwortung. Sie beginnen, als ganzer Mensch da zu sein und sich mit allem, was sie können, einzubringen. Sie trauen sich eher, neue Ideen vorzustellen und die eigene Meinung zu äußern. So entsteht wie von selbst Raum für neue Lösungen.
Wie kommen wir zu mehr Menschenorientierung?
Wie schaffen es also Unternehmen, diese Menschlichkeit in den Führungsalltag zu integrieren? Wie können wir unsere Führungskultur so verändern, dass Emotionen Raum bekommen und ihre Wirkkraft entfalten können?
Das größte Potenzial für Veränderung liegt in der direkten Verbindung von Gefühlen und Verhalten – denn in allen Interaktionen sind immer beide Ebenen zu beachten: die Sachebene und die emotionale, zwischenmenschliche Ebene. Auf der Sachebene sind wir Meister, auf letzterer gilt es, Meister zu werden.
Don’t
Was passiert, wenn wir die zwischenmenschliche Ebene vergessen und nur auf der Sachebene denken und sprechen:
Do
Was passiert, wenn wir zuerst die emotionale Bedeutung einer Handlung benennen und ansprechen, bevor wir auf die Sachebene wechseln:
Menschen schöpfen Motivation und Kraft aus Anerkennung, Würdigung und Wertschätzung der eigenen Person und Arbeit. Die emotionale Ebene ist wirkmächtig – unabhängig davon, ob man auf der Sachebene einen kürzeren Bericht benötigt, inhaltliche Kritik äußert oder anderer Meinung ist. Beides hat nebeneinander Raum.
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Übung macht den Meister
Am Anfang braucht es Übung und Konzentration, um hinter das zu schauen, was eine Kollegin sagt, und ihr deutlich zu machen, dass du sie auch auf der zwischenmenschlichen Ebene verstehen willst.
In einer Welt, in der Unternehmen täglich mit der Herausforderung konfrontiert sind, ihre Anpassungsfähigkeit und ihre Attraktivität zu erhöhen und gleichzeitig einen sinnstiftenden Rahmen für Kollegen zu bieten, empfiehlt sich im Rahmen von kollegialer Führung eine Zusammenarbeit auf Basis von Werten und Prinzipien, anstatt nur mit Regeln und Anweisungen zu arbeiten. Denn Höchstleistung braucht Freiraum – und eine Vertrauenskultur setzt ungeahnte positive Energien frei. Um beides herzustellen, muss die Führung bereit sein, ausgetretene Pfade zu verlassen und den Mut für Experimente aufbringen. Es braucht ein schrittweises Ausprobieren neuer Prinzipien, Werkzeuge und idealerweise auch der Selbstbeobachtung. Denn nur so können wir verstehen, ob die Handlungs- beziehungsweise Verhaltensalternativen etwas zum Positiven verändert haben, oder das Ausprobierte womöglich wieder verworfen werden muss, um etwas ganz anderes zu erproben.
Wie bitte? Führungskräfte sollen sich jetzt auch noch um den Menschen bemühen? Das ist ja was ganz Neues.