Wie schizophren die Deutschen hinsichtlich Unternehmertum sind, zeigen etliche Erhebung. So genießen Selbstständige und Freiberufler hierzulande zwar hohes Ansehen, dennoch wollen nur wenige Berufstätige den Schritt in die Unabhängigkeit wagen, wie eine aktuelle Befragung des Finanzdienstleisters Transferwise zeigt. Demnach könne sich eine große Mehrheit über 64 Prozent der 16- bis 25-Jährigen ein Leben als Selbstständige durchaus vorstellen, jedoch glauben nur etwa zehn Prozent der Befragten, dass sie diesen Weg auch wirklich einschlagen werden. Der Grund: fehlendes Wissen und die Angst, zu scheitern.
„Deutschland ist Angestelltenland. Selbstständige machen mit vier Millionen gegenüber den 40 Millionen Angestellten eine Minderheit aus“, erklärt auch Catarina Bruns im t3n-Podcast. Sie möchte das ändern und leistet Lobbyarbeit für die Berufstätigen. Dazu zählt auch, die ökonomische Bildung im Sinne des Entrepreneurships zum Teil des modernen Bildungssystems zu machen. „Wir glauben, dass jeder selbstständig sein kann, und wollen dabei helfen, dass sich jeder in der Lage sieht, unternehmerisch Probleme zu lösen und kreative Lösungen für die Gesellschaft zu finden.“
Wer sich selbstständig in die Jobwelt begibt, muss in der Realität viel entlang eigener Erfahrungen lernen. Zwar gibt es auch private Gründerberatungen, die kosten allerdings. Und klar ist, dass es den meisten Jungunternehmern und –unternehmerinnen oft an einer Sache besonders fehlt: finanziellen Mitteln. Doch guter Rat muss nicht teuer sein. Es gibt viele Menschen, die sich dem Berufsbild gestellt und eigene Erfahrungen gemacht haben. Wer sich mit ihnen unterhält, stellt fest, dass es ein paar typische Fehler gibt, die vor allem am Anfang ihrer Karriere immer wieder begannen werden.
Selbstständigkeit: Vorsprung durch Wissen
1. Stundensatz zu niedrig berechnen
Wer den Weg aus dem Angestelltendasein in die Selbstständigkeit einschlägt, vergisst häufig die wesentlich höheren Ausgaben: Vorher hat der Arbeitgeber die Hälfte der Sozialabgaben übernommen. Jetzt müssen sie zu hundert Prozent selbst abgeführt werden. Die Krankenkassenbeiträge sind zudem deutlich teurer als für Angestellte. Dazu kommt noch die Gewerbesteuer. Ebenfalls wird häufig vergessen, dass viele Arbeiten wie Buchhaltung oder die Kundenakquise kein Geld einbringen. All diese Dinge sollten angehende Selbstständige und Freiberufler beim Stundensatz dringend einkalkulieren – mehr dazu hier.
2. Projektakquise vernachlässigen
Ohne genügend Aufträge wird die Selbstständigkeit schnell ihr jähes Ende finden. Ein häufiger Fehler, den Neustarter anfangs machen, liegt darin, sich zu spät um neue Projekte zu kümmern. Wer erst nach Abschluss eines Auftrags nach neuen Aufträgen sucht, läuft Gefahr, nicht sofort einen neuen Kunden an Land zu ziehen. Diese Leerlaufzeiten sind nicht ungefährlich, bringen sie doch kein Geld ein und können die eigene Liquidität empfindlich einschränken. Es ist ratsam, permanent die Augen nach neuen Aufträgen offen zu halten und immer wieder auch das persönliche Netzwerk zu aktivieren.
3. Zu viele Aufträge annehmen
Das andere Extrem ist, zu viele Aufträge anzunehmen, aus Angst, dass irgendwann Leerlauf einsetzen könnte. Das macht es jedoch schwer, jedem Projekt die notwendige Zeit zu widmen, die es oftmals benötigt. Die Folge ist, dass die Qualität der Arbeit oft leidet, dass gegebenenfalls Termine nicht eingehalten werden oder dass schlussendlich die Nächte um die Ohren geschlagen werden, damit das Projekt nicht gegen die Wand fährt. Selbständige und Freiberufler sollten ihren Blick dafür schärfen, wie hoch der Aufwand hinter einem Projekt ist und im Zweifel auch mal eine Anfrage ablehnen. Das fällt anfangs meist schwer, mit der Zeit jedoch nicht mehr.
4. Buchhaltung selbst erledigen
Geld ist rar am Anfang. Auch und gerade deshalb glauben viele Selbstständige und Freiberufler, dass es besser wäre, die Buchhaltung selbst zu erledigen. Das führt jedoch häufig zu anderen Problemen. Die Buchhaltung stellt viele Anfänger vor erhebliche Herausforderungen. Sie benötigt viel Zeit, die eigentlich in Aufträge fließen sollte, und führt bei Fehlern zu oft langwierigen und verwirrenden Korrekturrunden. In drastischen Fällen sogar zu teuren Nachzahlungen. In den meisten Fällen ist es ratsam, sich schon früh einen Finanzprofi ins Boot zu holen. Der weiß zudem auch, wo sich steuerliche Vorteile auftun können.
5. Keine Rücklagen schaffen
Vor allem bei Neukunden muss man einiges an Vertrauen vorschießen. Wie gut die Zusammenarbeit läuft oder die Zahlungsmoral ist, lässt sich nicht immer an der Nasenspitze erkennen. Auch ziehen sich Projekte hin und wieder über Monate, bis sie zum Ende kommen. Es ist insofern wichtig, dass Selbstständige und Freiberufler in der Lage sind, zumindest zeitweise in Vorleistung gehen zu können. Nach jedem abgeschlossenen Auftrag sollte deshalb ein Teil der Bezahlung beiseite gelegt werden. Etwas auf der hohen Kante zu haben, kann entscheidend sein, wenn es darum geht, im Falle eines Falles zu überleben.
6. Schadensersatzansprüche nicht versichern
Jeder Mensch macht früher oder später einen Fehler – auch Selbstständige und Freiberufler und vor allem zu Beginn ihrer Karriere. In Deutschland sind sie dazu verpflichtet, für etwaige Schäden, die einem Auftraggeber aufgrund eines groben Patzers entstanden und nachweisbar sind, aufzukommen. In der Regel übernimmt eine Berufshaftpflichtversicherung die Schadensersatzansprüche in Höhe einer vorher festgelegten Deckungssumme. Diese Versicherung sollte unbedingt abgeschlossen werden, damit die Selbstständigkeit in so einem Fall nicht die Liquidität gefährdet.
7. Sich keine Auszeiten nehmen
Der berühmt-berüchtigte „Selbst und ständig“-Spruch schreckt viele Menschen vom Unternehmertum ab. Andere nehmen ihn hingegen sehr ernst. Tatsächlich arbeiten Selbstständige und Freiberufler hierzulande oftmals deutlich mehr als 40 Stunden die Woche. Vor allem zu Beginn ist das nicht unüblich, da viele Prozesse erst etabliert, Erfahrungen gemacht und Kunden gewonnen werden müssen. Bei allem Verständnis dafür sollten sie jedoch darauf achten, sich auch regelmäßige Auszeiten zu nehmen, um nicht auszubrennen. Wie die Erholungspausen aussehen, muss jeder selbst entscheiden. Wichtig ist jedoch, dass sie passieren.