
Unerwartet kam die Nachricht am Mittwoch nicht: René Benkos Signa Holding ist zahlungsunfähig – und es ist mit rund fünf Milliarden Euro geschätzten Schulden (bei nach ersten Erkenntnissen 273 Schuldnern) die größte Insolvenz Österreichs. Doch die Auswirkungen dürften bald international – und vor allem auch in Deutschland – zu spüren sein.
Dass die Unternehmensgruppe den Gang zum Konkursgericht antreten muss, hat eine Vielzahl von Gründen, von denen die schwierige Lage in der deutschen Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof nur einer unter vielen ist. Allzu lang hat man hier nur halbherzig digitalisiert und das Thema Omnichannel, das gerade angesichts der zahlreichen unterschiedlichen Varianten des Präsenzhandels (und der damit verbundenen Kosten) so auf der Hand gelegen hätte, nur halbherzig gespielt. Böse Zungen behaupten sogar, es sei dem umtriebigen Unternehmer ausschließlich um die Immobilien gegangen und das Interesse an der Sanierung der Warenhäuser daher eher verhalten gewesen.
Der Handel geht weiter – mit Einschränkungen
Doch was genau werden jetzt die Auswirkungen für den Handel sein? Zunächst einmal ist gerade in diesem Fall zu erwarten, dass die Gerichte einem Sanierungsversuch in Eigenregie zustimmen werden – mangels sinnvoller Alternativen. Doch das bedeutet noch nicht, dass der Verkauf bei Galeria Karstadt Kaufhof wie gewohnt weitergeht. Ein Handelsexperte berichtet von vergleichbaren, wenn auch kleineren Fällen, in denen Produzent:innen nicht nur ausschließlich gegen Vorkasse Waren bereitstellen, sondern auch bei besonders gefragten Warengruppen und Modellen gleich anderen Händler:innen den Vorzug geben.
Immerhin macht das Timing zum Weihnachtsgeschäft etwas Hoffnung. Noch seien die Lager voll und reichlich Warenbestand da, doch spätestens im neuen Jahr könnte es mit dem Sortiment in der bisherigen Breite schwieriger werden, sagt einer, der das Unternehmen gut kennt. Doch schon heute findet man in vielen Abteilungen bei Galeria Karstadt Kaufhof weniger aktuelle Ware als in vergleichbaren Onlineshops der jeweiligen Kategorie – ein Umstand, mit dem viele Präsenzhändler zu kämpfen haben.
Galeria-Kaufhäuser: Drohen weitere Schließungen?
Hinzu kommt, dass Galeria Karstadt Kaufhof in der Vergangenheit bereits vielfach unter Druck stand – ein Zustand, der sich in den letzten Monaten trotz intensiver Sparmaßnahmen nicht verbessert habe. 200 Millionen Euro hatte Signa eigentlich Galeria Karstadt Kaufhof in Aussicht gestellt, ein Viertel davon im kommenden Frühjahr – und selbst die Mieten, die, wie Medienberichte verlauten lassen, nun nicht mehr gezahlt werden könnten, machen nur einen kleineren Teil des Defizits wett. Gut möglich, dass von den ursprünglich rund 130 Filialen, von denen noch etwa 90 übrig sind, nur ein Bruchteil bleiben wird.
Bei den Mitarbeitenden ist die Stimmung entsprechend, sodass weder online noch in den Filialen damit gerechnet werde, dass hier über den üblichen Dienst hinaus in den nächsten Monaten viel Innovatives geschehen werde. Selbst wenn sich ein Investor finden würde, braucht es immer noch dreistellige Millionenbeträge und zahlreiche Einschnitte, um die Kaufhauskette wieder flott zu machen.
Im Onlinehandel hatte ja bereits vor einigen Wochen der Zweig der Signa Sports United die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragt und man sucht nun nach Lösungen. Einzelne Unternehmen könnten durch den französischen Sportartikelhändler Decathlon übernommen werden. Der sorgte gerade für Schlagzeilen, weil diese Woche bekannt wurde, dass er in den nächsten Monaten die Bergfreunde übernehmen werde. Die wiederum gehörten zuletzt zum US-Outdoorspezialisten Backcountry und hatten sich in ihrer Nische mit einer Mischung aus sauber funktionierendem Onlinehandel und kompetenter Beratung gut eingerichtet. Gut möglich, dass Decathlon nach demselben Muster auch einige der Shops der Signa Sports United, möglicherweise auch die gesamte Gruppe, übernehmen wird. Fahrrad.de und Tennis-Point sowie einige weitere spezialisierte Shops genießen einen guten Ruf in der Branche.
Bewahrheitet hat sich auch die Befürchtung, dass Mitbewerber Sport-Scheck, der sich gerade in einer Umbruchphase befindet, in die Insolvenz rutschen könnte. Das Unternehmen müsse jetzt Insolvenzantrag in München stellen, meldet das Handelsblatt. René Benko hatte Sport-Scheck vor drei Jahren vom Versandhauskonzern Otto Group übernommen und in die eigene Warenhaussparte integriert. Ob der eigentlich schon unter Dach und Fach gebrachte Verkauf an den britischen Sport- und Modehändler Frasers zustande kommt, wird sich noch zeigen.
Immobilienzweig der Benko-Gruppe hat große Auswirkungen auf den Handel
Doch da ist noch der Real-Estate-Teil der Gruppe, die zahlreichen Immobilien, teilweise in bester Lage der Innenstädte jedweder Größe – von Elbtower und Alsterhaus über Goldenes Quartier und Oberpollinger bis hin zu den eher kleineren Häusern in den deutschen Mittelstädten. Hier werden wir in den nächsten Jahren, egal wie die Geschichte um Benkos Imperium weitergeht, die größten und sichtbarsten Veränderungen sehen. Einige Projekte sind im Umbau, in vielen Fällen wird mittelfristig für die dort mietenden Geschäfte und Unternehmen Unsicherheit über die Zukunft bestehen. Auch eine Anschlussnutzung, sofern eines der letzten verbliebenen Kaufhäuser der eigenen Gruppe schließt, ist angesichts der Größe alles andere als leicht zu realisieren. Das zeigen unter anderem Fälle in München und Saarbrücken.
Dass dieser Teil der Unternehmensgruppe durch die aktuellen volkswirtschaftlichen Rahmenbedingungen und das gestiegene Zinsniveau nicht mehr dafür taugt, die Defizite anderswo zu kompensieren, ist so problematisch wie es absehbar war. Rund 400 Millionen hätte Benko kurzfristig benötigt und die kamen nicht zusammen.
Kurzum: Die Benko-Pleite hat vor allem auch Auswirkungen auf andere Unternehmen, angefangen bei den Hersteller:innen und Lieferant:innen bis hin zu den Vermietungsgesellschaften großer Einkaufszentren, in denen die Galeria-Gruppe ja mehr oder weniger flächendeckend vertreten war. Den Umfang der Auswirkungen im Präsenzhandel und E-Commerce werden wir erst nach und nach absehen, zumal hier das Unternehmensgeflecht des René Benko bemerkenswert komplex und verschachtelt ist und es zahlreiche kleinere, aber nicht zu vernachlässigende Beteiligungen gibt.