
Umweltverschmutzung, Krieg & Sucht: Sin Stocks profitieren von moralisch fragwürdigen Geschäften. (Foto: Victor Lauer/Shutterstock)
Geld verdienen mit Krieg, Sucht oder Umweltverschmutzung: Was moralisch anrüchig ist, verspricht mitunter eine außergewöhnliche Rendite an der Börse. Sogenannte „Sin Stocks“ sind daher ein Börsentrend, der sich quasi als Gegenstück zum grünen und ethischen Investieren positioniert.
Was sind „Sin Stocks“?
Der Begriff der „sündhaften Aktien“ meint, dass Anleger:innnen ihr Geld in Firmen stecken, die an „lasterhaften“ Produkten wie Alkohol, Tabak oder Pornografie verdienen, Glücksspiel betreiben, Waffen herstellen oder als umweltschädlich gelten – also all das, was ein nachhaltig orientierter Fonds von seiner Liste streichen würde.
Ähnlich wie beim Investieren nach ESG-Kriterien (ESG steht für Environmental, Social und Governance) ist aber auch bei den „Sin Stocks“ nicht eindeutig definiert, welche Aktien unter diese Definition fallen Indizes und Fonds, die auf das Thema setzen, haben typischerweise große Tabakfirmen, Brauereien und Spirituosenhersteller aber auch Casino- und Nachtclub-Betreiber, Waffenproduzenten oder Cannabis-Firmen im Portfolio.
Was macht „Sin Stocks“ attraktiv?
„Sin Stocks“ sollen besonders renditestark und krisenfest sein. Dahinter steckt die Theorie, dass sozial verantwortliche Anleger:innen die Sündenaktien meiden. Aufgrund dieser Boykottstrategie seien die „Sin Stocks“ im Vergleich zu nicht sündigen Unternehmen unterbewertet und müssen daher höhere Renditen versprechen, um Investoren anzuziehen.
Getrunken, geraucht und gezockt wird außerdem immer – viele Branchen profitieren daher davon, dass die Nachfrage nach ihren Produkten relativ konstant und unabhängig vom allgemeinen wirtschaftlichen Umfeld ist.
Dass „Sin Stocks“ bislang den Markt schlagen konnten, zeigt eine US-Studie aus dem Jahr 2008: Demnach hatten die Sünden-Aktien von 1970 bis 2007 in fast allen Jahren eine bessere Wertentwicklung als der Gesamtmarkt. Allerdings gilt auch hier: Die Gewinner von gestern müssen nicht automatisch in der Zukunft auch zu den Outperformern gehören.
Dass Anleger:innen den vermeintlich „unethischen“ Trends folgen, wenn diese gute Renditen versprechen, zeigt der jüngste Börsenerfolg vieler Rüstungsfirmen. Vor dem Hintergrund des Kriegs in der Ukraine und der angespannten geopolitischen Lage sind ihre Aktienkurse in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Beispiel Rheinmetall: Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine stieg dort die Nachfrage nach Munition, Panzern und Flugabwehrgeschützen – der Aktienkurs hat sich seitdem mehr als verfünffacht. Anfang 2022 notierte die Aktie des Düsseldorfer Rüstungskonzerns noch unter 85 Euro, aktuell steht sie bei 510 Euro.
Auch die Investitionen in Öl- und Gasfirmen bleiben trotz der steigenden Bedeutung von ESG-Investitionen hoch. Institutionelle Anleger:innen halten nach einer Recherche von Urgewald weltweit Anleihen und Aktien in Höhe von 4,3 Billionen US-Dollar von Unternehmen, die in fossilen Industrien aktiv sind. Ihre jährlichen Investitionen für die Öl- und Gasförderung haben sich demnach seit 2021 sogar noch um mehr als 30 Prozent erhöht.
In den USA gibt es sogar eine regelrechte „Anti-ESG”-Bewegung, die von der politischen Diskussion befeuert wird und das Investieren nach Nachhaltigkeitsregeln ablehnt. Laut dem Analysedienst Morningstar haben US-Investoren bis 2023 schon rund 13 Milliarden Dollar aus nachhaltigen Anlageprodukten abgezogen.
Was gegen „Sin Stocks“ spricht
Viele des Sünden-Unternehmen geraten immer wieder in der öffentlichen Kritik, wie das Beispiel Rheinmetall zeigt: Seit das Rüstungsunternehmen Ende Mai die Partnerschaft mit dem Fußballverein Borussia Dortmund verkündete, hagelt es Protest vonseiten der Fans: „Wir lassen uns nicht vor euren Panzer spannen“, stand etwa auf einem Plakat, das bei einem Spiel des Clubs auf der Tribüne gezeigt wurde.
Außerdem unterliegen viele „Sin Stocks“ einer strengen Regulierung – und die kann sich natürlich ändern, etwa wenn ein Land beschließt, strengere Regeln fürs Glücksspiel zu erlassen, Rüstungsexporte zu beschränken oder die Steuern auf Tabak und Alkohol zu erhöhen. Auch Veränderungen in der Gesellschaft können dazu führen, dass die Geschäftsmodelle solcher Firmen unter Druck geraten, beispielsweise weil Menschen mehr Wert auf einen gesunden Lebensstil legen und lieber die Finger von Alkohol und Tabak lassen.
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