„Wir brauchen tonnenweise Spiegel im All!“ Erfinder will nachts Sonnenenergie nutzen
Die Nutzung von Solarenergie bei Nacht sei kein großes Problem, erläutert Ben Nowack gegenüber Vice. Man brauche halt „tonnenweise Spiegel“ im All. Konsequenterweise hat er sein Startup „Tons of Mirrors“ genannt.
Solarenergie aus dem All ist ein Riesengeschäft – meint Nowack
Dass das funktionieren kann, will er mit einer Installation an der Internationalen Raumstation ISS beweisen. Dort sollen große Spiegel das Sonnenlicht auf einen Kollimator reflektieren, der die Strahlen dann parallel richtet und auf Punkte auf der Erde abstrahlt, wo sie dann gesammelt und in Energie umgewandelt werden können.
Nowack stellt sich vor, dass bestehende Betreiber von Solarparks sogar bereit sein könnten, sein Unternehmen dafür zu bezahlen, dass er ihre Kollektoren nachts bestrahlt. Aktuell muss er aber zunächst fünf Millionen US-Dollar akquirieren, um sich überhaupt für einen Start zur ISS zu bewerben. Noch ist Nowacks Innovationen vor allem theoretisch.
Die ISS hat Nowack nicht zufällig gewählt, etwa weil sie ohnehin kreist. Vielmehr verfügt die ISS über eine Technologie namens Muses. Dabei handelt es sich um ein Zwei-Achsen-Gimbal, das dabei hilft, zu bestimmen, wo sich die Raumstation befindet, wohin sie zeigt, wo genau die Erde ist und wie sie sich dreht.
Mithilfe von Muses ließe sich ein 30-Meter-Punkt aus der Umlaufbahn treffen. Besonders interessant: Muses verfügt über vier Plätze, auf die Unternehmen, die ihre Hardware installieren und testen wollen, zugreifen können.
Erweise sich die Nutzung von Reflektoren an der ISS als tauglich, will Nowack eigene Satelliten bauen, um nicht auf die Infrastruktur von Dritten angewiesen zu sein. Außerdem nehme man so einen Akteur aus der Verteilung der Gewinne. Nowack ist ein Geschäftsmann.
Die Idee mit der ISS und später dann den eigenen Satelliten ist schon eine abgespeckte Variante seiner ursprünglichen Idee. Zunächst hatte Nowack nämlich vor, ein ganz ähnliches Konzept über eine lange Vakuumröhre zu realisieren, die in der Erdumlaufbahn kreisen sollte. Die Idee ließ sich jedoch absolut nicht wirtschaftlich rechnen.
Seine neue Basisstruktur besteht aus Parabolspiegeln und Kollimatorplatten. Über ein Aneinanderreihen solcher Module könne nahezu unbegrenzt skaliert werden, meint Nowack. Zudem sei die Herstellung der Module einfach und nicht teuer.
Was Astronauten mit ins Weltall nehmen
Die wirtschaftliche Perspektive seiner Erfindung sei immens, ist Nowack sicher: „Mit den Solarzellen, die es heute gibt, macht die Branche 20 Milliarden Dollar pro Jahr. Was ich hier aufbaue, ist größer als jeder der Märkte, die es derzeit gibt. Wenn dies die elektrische Lösung ist und, sagen wir, in 200 Jahren die fossilen Brennstoffe ersetzt, dann ist das ein Markt von 17 Billionen Dollar.“
Auch andere Akteure entwickeln Solarreflektoren fürs All
Völlig allein ist Nowack mit seiner Idee nicht. Auch Forschende an der schottischen University of Glasgow arbeiten an einer weltraumgestützten Satellitensolarreflektortechnologie. Die soll dafür sorgen, dass große Solarfarmen zu Zeiten des höchsten Energiebedarfs ausreichend Sonnenlicht erhalten.
Die chinesische Regierung arbeitet an einem ähnlichen, aber doch ganz anderen Projekt. Sie will drei künstliche Monde im Weltraum platzieren und auf diese Weise die Straßenbeleuchtung im Land ersetzen.
Natürlich haben Reflektortechnologien ihre Kritiker. Immerhin ist allen dieser Installationen gemein, dass sie Licht auf die Erde abstrahlen und damit mindestens das Problem der Lichtverschmutzung intensivieren.
Starkes Streulicht kann vielerlei Schäden an Flora und Fauna hervorrufen, und die Astronomen dürfte sich ebenfalls nicht freuen, wenn sie künftig damit rechnen müssen, starke Lichtstrahlen aufs Objektiv zu bekommen. Außerdem benötigen Reflektoranlagen große Flächen im Weltraum, um die es im Zweifel echte Verteilungskämpfe geben könnte.