Eine Kombination der Daten des inzwischen stillgelegten Spitzer-Weltraumteleskops der Nasa mit den neuesten Daten der Gaia-Mission der Europäischen Weltraumagentur Esa fügt der bisher bekannten Darstellung unserer Heimatgalaxie, der Milchstraße, ein faszinierendes neues Puzzleteil hinzu.
Der Splitter im Spiralarm der Milchstraße sollte nach bisherigen Annahmen nicht da sein
Die Forscher fanden eine lange, dünne Struktur, die mit dem Sagittarius-Arm verbunden ist. Sie bestehe aus jungen Sternen, die sich mit fast der gleichen Geschwindigkeit und in der gleichen Richtung durch den Raum bewegen wie der Spiralarm selbst. Das Erstaunliche daran sei seine Ausrichtung, so die Forscher.
Während die Wissenschaft bisher davon ausgegangen war, dass sich junge Sterne eng an die Form der Arme anpassen, in denen sie sich befinden, fanden die Nasa-Forscher vier sternbildende Gaswolken oder Nebel, die aus dem Sagittarius-Arm herausragen „wie ein Splitter, der aus einem Holzbrett herausragt“. Dieser Splitter erstrecke sich über eine Länge von rund 3.000 Lichtjahren.
Dieser Splitter stellt eine der wesentlichen Annahmen zur Struktur unserer Milchstraße infrage. Bislang galt es nämlich als „Schlüsseleigenschaft von Spiralarmen“, sich eng um eine Galaxie zu winden. Dabei gilt: Je enger die Spirale sich windet, desto kleiner ist der Neigungswinkel. Das bisherige Spiralmodell der Milchstraße ging davon aus, dass der Sagittarius-Arm eine Spirale mit einem Neigungswinkel von etwa zwölf Grad bildet. Die nun gefundene Struktur weist indes einen Winkel von fast 60 Grad auf.
Strukturbild der Milchstraße gewinnt an Details
Die neuen Erkenntnisse erlauben es, dem bisherigen Modell der Milchstraße einige Details hinzuzufügen, um die Struktur unserer Galaxie besser nachvollziehen zu können. Denn obwohl die Wissenschaftler eine ungefähre Vorstellung von der Größe und Form der Spiralarme der Milchstraße haben, bleibt es schwierig, die gesamte Struktur unserer Heimatgalaxie zu erkennen. Das liegt vor allem daran, dass sich die Erde in ihr befindet, wir also von innen schauen.
„Es ist so, als würde man mitten auf dem Times Square stehen und versuchen, eine Karte der Insel Manhattan zu zeichnen“, erklärten Wissenschaftler des Jet Propulsion Laboratory (JPL) der Nasa im US-Bundesstaat Kalifornien in einer Erklärung. Für weniger Erdkunde-Affine: Der Times Square liegt mitten in Manhattan.
Die neuen Daten von Gaia und Spitzer zeigen nun eine Komplexität in einer Region, in der sie zuvor nicht vermutet worden war, so Studienleiter Michael Kuhn vom California Institute of Technology, der besser als Caltech bekannten Universität in Los Angeles. „Letztlich ist dies eine Erinnerung daran, dass es viele Ungewissheiten über die großräumige Struktur der Milchstraße gibt. Wir müssen uns die Details ansehen, wenn wir das Gesamtbild verstehen wollen“, ergänzt Robert Benjamin von der University of Wisconsin in der Stadt Whitewater.