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Kolumne

Das steckt hinter Kursen für digitale Nomaden

Ob Online-Kurs, PDF, E-Book, Retreat, Event oder Kreuzfahrt: Da die Zahl der digitalen Nomaden stetig steigt, steigt auch das Angebot an „Infos“ und „Kursen“ dafür. Dafür muss man meist tief in die Tasche greifen. Und was kriegt man dafür?

Von Robert Enskat
8 Min.
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(Grafik: t3n)

Ich kann es ja nachvollziehen und verstehen – wenn sich jemand mit dem Gedanken beschäftigt, als DN um die Welt zu ziehen, ist man doch etwas unsicher. Und sucht den Rat von Experten. Tja, von denen gibt es eine ganze Menge, die ihr Wissen für viel Geld weitergeben. Witzig, das ist dann meist das einzige Einkommen dieser „Experten“, weil sie mit ihrem eigentlichen Job nicht vorankommen. Und die geben dann wertvolle Tipps? Ebenso andere Formate: Es werden hehre Ziele propagiert, doch letztlich geht es nur um eines: Geld. Möglichst viel davon. Nun ja …

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Ich kann nur raten, davon die Finger zu lassen. Böse gesagt, aber das erlaube ich mir, weil es meine persönliche Meinung ist, in meinen Augen sind das Nepper, Schlepper, Bauernfänger. Hier und da konnte ich mir solche E-Books und PDFs anschauen und habe Menschen getroffen, die bei Cruises dabei waren. Selber war ich mal bei einem Retreat dabei – nicht als Teilnehmer, nur als stiller Beobachter am Rande. In einem Wort: erschreckend! Hier eine Übersicht der beliebtesten und gängigsten Formate, auf die viele reinfallen.

Kreuzfahrten

Um es vorweg zu sagen: eine der besten Business-Ideen, die ich gesehen habe. Für die Veranstalter. Mehr als 250 „digitale Nomaden“, die mindestens 1.000 Euro zahlen, um mit einem Kreuzfahrtschiff in zwölf Tagen von Europa nach Südamerika zu fahren. Rechnet man noch die Extrakosten hinzu, ist das ein recht teures Vergnügen. Was wird da geboten? Eine Unconference mit Speakern, echt wichtigen Speakern. Ja, da sind meistens auch ein paar echt interessante Leute dabei. Doch im Ernst: Gehe ich auf so eine CO2-Schleuder, um mir dann einen Vortrag über gesunde, vegane und nachhaltige Ernährung als digitaler Nomade anzuhören? Leute …

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Die Idee dahinter ist ja gut: viele Digital Nomads zusammenbringen, sich connecten, Insights erfahren, Schlaues von schlauen Leuten hören und so. Doch die Realität sieht anders aus, so wurde es mir zumindest von Teilnehmern gesagt. Sie haben bestätigt, was ich immer dachte: Es ist eine einzige Party, digitales Nomadentum ist nur der Deckmantel. Die Qualität der Sessions ließ stark zu wünschen übrig, zumal viele Teilnehmer der Cruises sich dafür nicht interessierten. Oder mit mächtigem Kater noch im Bett lagen. Denn darum geht es im Grunde den meisten Teilnehmer wirklich: das „Connecten“. Aber nicht wegen Jobs …

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Betrachtet man das mal ganz praktisch: Minimum 1.500 Euro für die Kreuzfahrt, dann der Rückflug (die wenigsten blieben danach in Brasilien oder Südamerika) – hey, 2.000 bis 2.500 Euro für zwölf Tage „soziale Interaktion“? Keiner der Teilnehmer, die ich getroffen habe, hat danach auch nur einen einzigen Job gekriegt. Es blieb bei Facebook-Kontakten und säckeweise gebrauchten Kondomen im Müll. Mehrwert also gleich null. Kreuzfahrten für digitale Nomaden sind meiner Meinung nach nur was für Digital Pretender. Zu teuer und höchst fragwürdig. Eben mal zwölf Tage just for Fun über den Atlantik mit einem Kreuzfahrtschiff und dann sich danach in einem Öko-Projekt für die Umwelt freiwillig engagieren? Leute, Leute …

Retreats

Coworking-Retreats für angehende Digital Nomads sind auch sehr beliebt. Versprechen sie doch, einem das Rüstzeug zu geben, um diesen tollen Lifestyle leben zu können. Ehrlich, ich kann mich immer noch beömmeln, wie ich das ein Mal miterlebt habe. Während ich an der Bar saß und am Laptop gearbeitet habe, habe ich mitgekriegt, was da so abging. Nach einem Tag habe ich nur noch so getan, als würde ich arbeiten, hatte Kopfhörer auf (ohne Musik), damit ich nicht angesprochen werden würde, und habe zugehört. An Arbeit war da nicht zu denken, das war besser als Backstage bei der Muppet Show. Nur um euch gleich die Fakten zu nennen: Es war ein Retreat über sieben Tage. Kosten pro Person: 3.500 Euro. Teilnehmer: etwa 20. An- und Abreise waren separat zu bezahlen. Rechnet das mal hoch … Und das war in Thailand! In der Teilnahmegebühr war enthalten: Unterkunft (etwa 500 Euro insgesamt), drei Mahlzeiten pro Tag (50 Euro insgesamt). Heilige S****** … Wenn dafür wenigstens die Inhalte gestimmt hätten, okay. Aber das war (in Kürze) das Programm:

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  • Gemeinsam frühstücken
  • Yoga-Session
  • „Vortrag“ (15 Minuten)
  • Gemeinsames Mittagessen
  • Yoga oder Surf-Kurs
  • „Vortrag“ (15 Minuten)
  • Pause
  • Yoga-Session oder Surf-Kurs
  • „Vortrag“ (15 Minuten)
  • Abendessen
  • Abend zur freien Gestaltung

Und das jeden Tag. Als wäre das nicht schon lächerlich genug gewesen, habe ich auch die Vorträge der Experten zum Thema „Getting started as a DN“ angehört. Diese Experten waren (und so wurden sie auch vorgestellt): ein Kung-Fu-Großmeister (nix gegen Kung-Fu und schon gar nicht gegen Großmeister!), der über innere Ruhe dozierte; einer der Organisatoren über Surfen (er ist selber begeisterter Surfer); ein Entrepreneur und erfolgreicher Geschäftsmann (war über Google nicht auffindbar); eine Köchin, die über gesunde Ernährung erzählte (okay, das war ganz interessant zu erfahren, welcher Reis für welches Gericht am besten ist); und dann noch die Partnerin des Organisators, die über „positive Energien“ erzählte (hätte vorher echt nicht gedacht, dass Schlafen gut für die Regenerierung des Körpers ist …).

Zum Thema DN: kein Wort. Mit anderen Worten: Die einzigen, die von diesem Retreat profitierten, waren die Betreiber. Okay, die Teilnehmer hatten ihren Spaß, aber was hat es gebracht? Mir zumindest eine Menge Unterhaltung …

Zwischendrin

Es gibt noch eine Mischform, die ich weder Events noch Retreats oder sonstwas zuordnen kann. Höchstens: leicht asozial … Das sind Angebote von Betreibern einer Coworking-Station oder eines Retreats. Dort heißt es dann sehr verlockend: „Komm zu uns, und lerne On-the-Job!“ Was nur bedeutet, dass man dort ein Zimmer und Verpflegung kriegt. Im Gegenzug arbeitet man dafür und wird dabei gecoached, sodass man danach erfolgreich durchstarten kann. Ja, so das Versprechen.

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Meist sieht das dann aber so aus, dass man stupide, stumpfsinnige Fließbandarbeit macht. Texte korrigieren, Scripts überprüfen, Websites testet und so weiter. Richtig lernen tut man dabei nichts. Gut, man hat eine Unterkunft und was zu essen. Und lernt ein paar Leute kennen. Doch wer profitiert eigentlich davon? Jaaaa, der Betreiber … Denn das, was als Training-on-the-Job versprochen wird, wird in zehnfacher Höhe an Kunden weiterberechnet. Taschenrechner raus und mal reingetippt: Kosten für Unterkunft pro Tag: 15 Euro, Essen etwa zehn Euro. Der Betreiber gibt also um die 25 Euro aus. Dafür arbeitet man aber acht Stunden am Tag – und dafür kassieren diese Betreiben dann 20 Euro pro Stunde vom Kunden … Weil mir das Unterrichten Spaß macht, habe ich mal an so einem Ort nachgefragt, ob die mit mir arbeiten wollen. Für schmales Geld würde ich mich als Lehrer, als Coach um die Leute kümmern, ihnen mit Rat und Tat zur Seite stehen und sie weiterbringen. Wollten die aber nicht – wäre ein zusätzlicher Kostenfaktor. Solange ihre Jobs laufen – pfffft, egal ob die Leute was lernen, die sollen arbeiten, denn die nächsten stehen schon Schlange …

E-Books und PDFs und Online-Kurse

Zugegeben, an einem Abend hat mich mal ein Paar richtig abgefüllt. Aber so richtig … Warum? Aus Dankbarkeit … Wir kamen zufällig ins Gespräch in einem Straßenrestaurant, nachdem ich bemerkte, dass die Frau einen Online-Kurs zum Thema Texten nutzte. Na ja, ich bin Texter, ich bin Schreiberling seit fast 30 Jahren und habe auch mal an der Texterschule unterrichtet, von den ganzen Junioren unter meinen Fittichen ganz zu schweigen. (Ja, genug Eigenlob, will nur sagen, dass ich weiß, wovon ich rede …).

Wir hatten einen fantastischen Abend zusammen. Denn das, was in diesem Online-Kurs vermittelt wurde, lässt sich kaum beschreiben. Ein absoluter Profi, der seinen Kurs für 500 Dollar angeboten hat („Texter werden in nur drei Tagen!“), saß plötzlich einem echten Texter gegenüber. Einem, der Jahre gebraucht hat, um diesen Beruf zu erlernen – nicht weil ich blöd bin, sondern weil das komplex ist. Kann man in drei Tagen Kfz-Mechatroniker werden? Oder alles über Design wissen? Komplexe E-Commerce-Shops programmieren?

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Egal, zurück zum Punkt. Ich glaube, es hat etwa zehn Minuten und zehn Fragen gebraucht, bis dieser Vollprofi völlig durchgeschwitzt das Handtuch warf, die Kursgebühren erstatte und sich entschuldigte. Danach habe ich in etwa zwei Stunden den beiden mehr beigebracht, als in diesem ganzen Kurs nicht mal annähernd vermittelt hätte werden können. Dafür gab es dann die Gratis-Drinks, die ungefragt serviert wurden. Wie gesagt, ein fantastischer Abend.

Anderer Punkt, aber ähnlich: E-Books und PDFs. Zu 99 Prozent kostenpflichtig. Auch solche durfte ich ab und an mal zufällig in Augenschein nehmen. Was soll ich sagen? Das war noch nicht mal an der Oberfläche gekratzt. Das ist schon fast kriminell. Nicht nur, wenn es um die Themen Text oder Content ging. Selbst mir als Nicht-Nerd standen mir meine wenigen Haare zu Berge. Microsoft Frontpage als State-of-the-Art-Programm zur Erstellung von WordPress-Websites?! Und für diesen Tipp wurden 250 Euro aufgerufen. Leute … Udemy und Google sind cool, okay. Doch was ich euch empfehle, wenn ihr in einem Gebiet etwas lernen wollt: Macht das persönlich, nicht online! Und fallt nicht auf solche Angebote rein, die versprechen, euch in nur wenigen Tagen fit für einen neuen Job zu machen oder euch alles beizubringen, was man als digitaler Nomade wissen sollte. Das ist rausgeschmissenes Geld. Sprecht lieber mit Freunden, mit Kollegen oder Ex-Kollegen oder verifizierten und qualifizierten Anbietern. Bitte, bitte vertraut nicht den Angeboten im Netz.

Events

Ich glaube, ein Nachmittag auf einer Parkbank ist hilfreicher als die Teilnahme an speziellen Events. Die werden veranstaltet, um dem Veranstalter Geld einzubringen. Mehr nicht. Diese Events für Digital Nomads gibt es überall auf der Welt. Viele ganz tolle Keynote-Speaker, großartige Workshops und Networking, drei Tage lang – für mal eben 1.500 Euro. Sorry, aber in jeder Grundschule wird pro Tag mehr Wissen vermittelt. Jap, ich freue mich schon auf einen veritablen Shitstorm wegen meiner Meinung dazu …

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Aber wenn ich sehe, dass die Organisatoren professionelle Surfer oder Ernährungsberater sind, sorry, da fällt mir eigentlich nichts mehr ein. Was wollen die einem WordPress-Developer erzählen, der auf den Philippinen arbeiten will? Was einem Webdesigner, der sich auf Flat Design spezialisieren will? Und was einem Full-Stack-Developer, der nicht weiß, woher er Kunden holen kann? Schaut euch in Ruhe an, wer da eine Keynote halten, wer einen Workshop leiten wird. Digital Pretender – gibt’s auch auf Business-Seite … besonders im Bereich Digital Nomad. Denn mit dem Bedarf an Infos lässt sich eben schnelles Geld verdienen.

Doch auch hier gilt: Wenn ihr euch damit besser fühlt, dann macht das alles – oder lasst es sein. Es gibt kein Allgemein-Rezept oder -Tipp. Der eine mag es und braucht es, der andere pfeift drauf. Und ich gebe es offen zu: Ich habe auch schon öfters mit dem Gedanken gespielt, selber Online-Kurse und PDFs anzubieten, in denen ich über Digital Nomads schreibe, berichte, Tipps gebe oder Leuten das Texten beibringe. Aber, irgendwie, mein Bauch hat Nein gesagt. Ich weiß nicht, wieso. Also schreibe ich lieber hier bei t3n und bin froh darüber … Wer sich wirklich am Anfang oder in der Vorbereitung verloren vorkommt, für den habe ich bald den nächsten Beitrag bereit. Gibt ja Hoffnung und Lösungen. Also einfach weiter hier mal reinschauen :-)

Cheers, Rob

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Du hast Lust, mehr über das Leben als digitaler Nomade zu erfahren? Kein Problem, bei Rob’n’Roll around the World liest du mehr!

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