Die DNA deines Chefs, ausgedruckt auf 262.000 Seiten: Was der dritte Tag der SXSW zu bieten hatte
Die DNA des Chefs – ausgedruckt auf 262.000 Seiten
Riccardo Sabatini ist Quantenphysiker und zugleich Data Scientist, er arbeitet für Craig Venter und dessen Firma Human Longevity. Sabatini hielt einen vielbeachteten, aber noch nicht publizierten Talk auf der diesjährigen TED, für den er den gesamten genetischen Code seines Chefs in ausgedruckter Form mitgebracht hatte: 262.000 kleingedruckte Seiten, gebunden in etlichen Bänden vom Format eines größeren Lexikons mit einem Gewicht von 450 Kilogramm.
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Einen der schweren Bände hatte er auch nach Austin mitgebracht. Auf der SXSW sprach er heute mit Loïc Le Meur über sein Projekt, den menschlichen (Gen-)Code zu knacken. Die Digitalisierung des menschlichen Genoms erlaubt, den Methodenbaukasten der digitalen Technik darauf anzuwenden. So arbeiten inzwischen Data Scientists wie Sabatini im Bereich Genetik.
So funktioniert die Genanalyse
Sabatini kann aus einer Genanalyse mit einer hohen Wahrscheinlichkeit ableiten, wie groß und schwer der Träger des Gens ist, welche Augen- und Hautfarbe er hat und in etwa 80 Prozent sogar das Alter ermitteln. Als Basis dienten ihm Fotos und DNA-Samples, auf die er Algorithmen des Machine Learning angesetzt hat.
Jenseits solcher Gimmicks, die eher Möglichkeiten illustrieren als praktischen Nutzen haben, kam die Rede heute schnell auf alle schwierigen ethisch-moralischen Fragen, die seit jeher das Feld der Gentechnik umgeben. Sabatini wies plastisch wie drastisch auf die Konsequenzen der heutigen technischen Möglichkeiten hin: Wenn diese Technologie vor 35 Jahren existiert hätte, würde er heute selbst nicht leben.
Aus großer Macht folgt große Verantwortung
Die Tech-Szene, die sich in diesem Frühjahr in Austin versammelt, ist sehr mit den großen Fragen beschäftigt, die weit über Technologie hinaus reichen. Die Expansionsbewegung der letzten Jahre, die immer neue Bereiche des menschlichen Lebens digitalisiert oder gleich disrupted, hat zu einem größeren Problembewusstsein geführt.
Aus großer Macht folgt große Verantwortung. Es geht um die feine Linie, an der wir uns als menschliche Spezies selbst definieren. Casey Gerald und Barack Obama hatten insofern gleich am ersten Tag das Generalthema dieser SXSW gesetzt: die Frage nach der gesellschaftlichen Verantwortung für das Handeln der technikgetriebenen Szene und nach ihrem Beitrag zur Lösung echter menschlicher Probleme.
Wie Dirk Alhborn den Transportsektor aufmischt
Dirk Ahlborn wirkt wie ein typisch deutscher Ingenieur, der relativ nüchtern über Technik spricht und eigentlich keine große Begeisterung auslöst. Doch sein jüngstes Projekt steht zu seinem Auftreten in maximalem Gegensatz. Ahlborn arbeitet an einem dieser Moonshot-Projekte, die zugleich großes Staunen wie auch entsprechende Zweifel hervorrufen.
Als CEO von Hyperloop Transportation Technologies geht er daran, eine Idee von Elon Musk in die Tat umzusetzen: ein Hochgeschwindigkeitstransportsystem, das elektrisch getriebene Transportkapseln mit Reisegeschwindigkeiten von bis zu 1.225 Stundenkilometer auf Luftkissen durch eine stark evakuierte Röhre befördern soll. Der Reise- und Verkehrssektor insgesamt ist von zahlreichen Problemen für Reisende wie Infrastruktur geplagt und ripe for disruption. Ahlborn formuliert es schlicht: “Our goal is to make travel suck less.”„Our goal is to make travel suck less.“
Gerade erst in dieser Woche hat Hyperloop mit der Slowakei vereinbart, dort eine der ersten Hyperloop-Strecken zu realisieren. Bis 2020 schon soll die Strecke fertig sein und Ahlborn damit einen Fuß in der Tür zum europäischen Markt haben. Inzwischen arbeiten mehrere konkurrierende Unternehmen daran, die Hyperloop-Vision in die Tat umzusetzen. Die teilweise Namensgleichheit sorgt gelegentlich für Verwirrung.
„Vielleicht braucht es für ein Wahnsinnsprojekt wie den Hyperloop gerade so einen nüchternen Typen wie ihn“
Bemerkenswert ist, wie Ahlborn das Projekt realisiert?—?per Crowdsourcing nämlich. Inzwischen hat er rund 500 Mitarbeiter involviert, die zum großen Teil dezentral und in Teilzeit neben ihrer Haupttätigkeit am Projekt Hyperloop arbeiten. Neben der direkten Beteiligung am Unternehmen und damit am künftigen Erfolg investieren viele von ihnen auch noch eigenes Geld in Hyperloop.
Was Ahlborn heute in Austin vorgestellt hat, ist in vielen Details bereits so konkret, dass Zweifel wie Zweifler allmählich leiser werden dürften. Vielleicht braucht es für ein Wahnsinnsprojekt wie den Hyperloop gerade so einen nüchternen Typen wie ihn.
Dieser Artikel erschien zuerst auf Medium.com.