Vor einem Jahr läutete die Europäische Zentralbank die Zinswende ein. Damit beendete die EZB die Ära der Negativzinsen – elf Jahre, in denen es sich kaum lohnte, Erspartes zur Bank zu tragen.
Ziel ist, die Inflation zu bekämpfen, die in der Eurozone zuletzt im Juni 2023 bei 5,5 Prozent lag – und damit weit entfernt vom EZB-Ziel von 2 Prozent. Die Leitzinsen haben die Notenbanker:innen in den vergangenen zwölf Monaten daher bereits in acht Schritten nach oben geschraubt, zuletzt im Juni 2023 auf mittlerweile 4 Prozent.
Doch obwohl die Zinsen seit einem Jahr steigen, zahlt ein Fünftel der Kreditinstitute noch immer gar keine Zinsen für Guthaben auf dem Tagesgeldkonto. Das zeigen aktuelle Analysen des Vergleichsportals Verivox.
Negativzinsen abgeschafft
Immerhin haben aber fast aller Kreditinstitute ihre Negativzinsen auf Bankeinlagen nach dem Wegfall der EZB-Strafzinsen vor einem Jahr zügig abgeschafft, wie Oliver Maier, Geschäftsführer von Verivox Finanzvergleich erklärt. „Doch auch ein ganzes Jahr später und nach mittlerweile acht Leitzinserhöhungen in Folge bietet ein beträchtlicher Teil der Banken Sparern auf dem Tagesgeldkonto noch immer überhaupt keine Verzinsung“, sagt er.
Von insgesamt 738 Banken zahlen laut Verivox 141 ihren Tagesgeldanleger:innen keine Zinsen – das sind immerhin noch 19 Prozent der Institute.
Volksbanken und Sparkassen sind knickerig
Auffällig: Vor allem regionale Banken geben die Zinsen nur zögerlich an ihre Kund:innen weiter. Am weitesten verbreitet sind Nullzinsen unter den Volks- und Raiffeisenbanken sowie den PSD- und Sparda-Banken. Ein Viertel (23 Prozent) der Genossenschaftsbanken bietet laut Verivox noch immer gar keine Zinsen.
Ähnlich ist das Bild bei den Sparkassen, wo Sparer:innen bei 19 Prozent der untersuchten Banken leer ausgehen. Zum Vergleich: Bei den bundesweit tätigen Banken räumen nur 4 Prozent Tagesgeldanleger:innen gar keinen Zins ein.
Auch Verbraucherschützer:innen stößt das Zögern der Sparkassen beim Zins sauer auf. Sie kritisieren, dass die Institute während der Niedrigzinsphase sehr schnell Verwahrentgelte erhoben haben, die Vorteile der Zinswende nun aber nicht an die Verbraucher:innen weitergeben. Sie fordern daher von der Sparkassen, Einlagen von Verbraucher:innen in Höhe der gesetzlichen Einlagensicherung anzunehmen und zu verzinsen.
Neuer Wettbewerb um Sparer:innen
Denn insgesamt sind die Tagesgeldzinsen infolge der Zinswende deutlich gestiegen. Lagen sie Anfang August 2022 mit 0,05 Prozent nur knapp über der Nulllinie, so können Sparer:innen aktuell durchschnittlich 1,31 Prozent aufs Tagesgeld bekommen. Kund:innen der Sparkassen und der örtlichen Volks- und Raiffeisenbanken haben aber auch hier das Nachsehen: Sie bekommen im Schnitt nur 0,36 Prozent Zinsen aufs Tagesgeld.
Dabei ist längst ein Wettbewerb um die begehrten Spareinlagen der Kund:innen ausgebrochen. Deutsche Banken bieten in der Spitze bis zu 3,5 Prozent Zinsen beim Tagesgeldkonto. Wer 10.000 Euro zu diesen Konditionen ein Jahr lang anlegt, kann also Zinseinnahmen von 350 Euro einstreichen – 314 Euro mehr als bei einer Anlage zum aktuellen Durchschnittszins der Sparkassen und Volksbanken.
Auch Fintechs und Neobroker wie Traderepublic oder Scalable Capital bieten gute Konditionen, um Kund:innen beim Thema Zinsen abzuholen. Allerdings sollte man sich die besonders attraktiven Angebote auch genau anschauen. Denn die versprochenen über drei Prozent Zinsen gelten oft nur für Neukund:innen und sind zeitlich beschränkt. Den hohen Zins gibt es dann nur für wenige Monate, danach fallen Kund:innen wieder auf eine deutlich geringere Verzinsung zurück. Ob sich ein solcher Wechsel zu einer neuen Bank lohnt, sollte man daher gut durchrechnen.