Tagesgeld und Festgeld: Für wie viel mehr Zins lohnt sich der Anbieterwechsel?
Kein Zweifel, die Zeit der Minimalzinsen ist in Deutschland fürs Erste vorbei. Schuld daran ist allerdings vor allem die hohe Inflation. Auch der mehrfach durch die EZB erhöhte Leitzins hat dazu beigetragen, dass die Banken einmal mehr mit immer attraktiveren Zinsangeboten bei Tagesgeld und Festgeld um die Gunst der Anleger:innen kämpfen. Im Rahmen der t3n-Themenwoche New Finance haben wir untersucht, welche Zinsangebote sich lohnen und wann das Zinshopping mehr Aufwand verursacht als der damit verbundene Ertrag wert ist.
Befristete Spitzenzinsen – meist Marketinginstrument
Zunächst einmal solltest du die Mechanismen bei der Zinsgestaltung kennen: Zum einen ergibt sich jeder Zinssatz aus dem damit verbundenen Risiko. Eine Bank mit mäßigem Eigenkapital in einem Land, bei dem man im Ernstfall das Funktionieren der Einlagensicherung anzweifeln kann, wird höhere Zinsen zahlen als eine solide Bank in einem mit den Höchstnoten gerateten Staaten. Umgekehrt kannst du (nach bisherigen Erfahrungen, auch aus der Krise 2008) davon ausgehen, dass die bankeneigenen und staatlichen Sicherungssysteme mindestens für die versprochenen 100.000 Euro einstehen werden, um im Ernstfall einen Bankrun zu verhindern. Denn die Staaten wollen um jeden Preis verhindern, das hat auch der Fall um die Silicon Valley Bank gezeigt, dass sämtliche Einlagen binnen weniger Tage abfließen.
Über diese 100.000 Euro hinaus werden wohl nur wenige Kund:innen Geld im Festgeld und schon gar nicht im Tagesgeld anlegen. Wenn du zu der kleinen, aber beneidenswerten Gruppe gehörst, die das doch tut, solltest du wissen, dass zum einen alle Aktien, Fonds und ETF Sondervermögen sind und nicht unter diese Summe fallen und die Summe sich auf jeweils eine Bankengruppe und Person bezieht (also die Direktbanktochter der Bank da mit reinzählt, wenn du schon beim Mutterhaus Geld angelegt hast).
Doch zurück zur Zinsgestaltung: Oben drauf kommt das, was Banker an Marketingbudget für die Neukund:innengewinnung haben. Klar ist nämlich auch, dass viele (vor allem kleinere und weniger bekannte) Banken die Tagesgeld- und Festgeldangebote als Türöffner für eine Kund:innenbeziehung sehen und daher auch ein Teil des möglichen Zinses Marketingbudget ist.
Daher solltest du stets unterscheiden, welche Zinssätze eine Bank dauerhaft oder zumindest bis auf Weiteres verspricht und welche Zusatzzinsen von vornherein nur für drei oder sechs Monate vorgesehen sind oder bestenfalls bis Jahresende befristet sind. Handelt es sich um einen befristeten Zins (beispielsweise zwei Prozent mehr für sechs Monate) kannst du sehr genau bemessen, was die Kundenbeziehung die Bank an Budget kostet. Das gilt insbesondere, wenn das Ganze bei einem bestimmten Betrag gedeckelt ist, den aber wahrscheinlich die wenigsten Kund:innen dort anlegen werden.
Besonders zurückhaltend solltest du bei Angeboten sein, bei denen du etwa nur die Hälfte als Festgeld anlegst und die zweite Hälfte in Fonds anlegen musst. Hier profitiert die Bank noch von Innenprovisionen, Kaufprovisionen und anderen Kickbacks seitens der Fondsgesellschaft und dir entstehen offene oder im Produkt versteckte Kosten.
Bei den Low-Fee-Brokern schließlich, namentlich Trade Republic und Scalable Capital, kommt bei hohen Zinsversprechen fürs Tagesgeld aber auch noch ein weiterer Faktor hinzu: Das Geld liegt dann gleich auf dem Konto der depotführenden Bank und das Institut kann dir gegebenenfalls gleich die passenden Angebote unterbreiten (und lernt, wie viel anzulegende Ersparnisse prinzipiell verfügbar wären).
Tagesgeld: Nur begrenzte Geldmenge hier anlegen
Lohnen kann es sich aber vor allem bei größeren Summen, die man in ein Festgeldangebot investiert, auf die Nachkommastellen beim Zins zu schauen. Wer etwa 50.000 Euro für drei Jahre anlegt und hier zwischen 3 und 3,5 Prozent jährlich erzielt, hat damit schon einen Hebel, der eine Neukundenbeziehung und das damit verbundene Onboarding rechtfertigt. Wer dagegen 5.000 Euro ins Tagesgeld steckt, hat bei der Entscheidung für 0,3 oder 0,5 Prozent mehr Zinsen als beim Mitbewerber gar nicht so viel gewonnen.
Der Einwurf, dass selbst üppige 3 bis 3,5 Prozent Zinsen deutlich unter der derzeitigen Inflationsrate liegen, ist nämlich berechtigt. Und genau deswegen solltest du auch sinnvollerweise nur so viel Geld als jederzeit verfügbares Tagesgeld halten, wie du auch spontan benötigen wirst – weil eine Autoreparatur fällig wird, man den Job verliert oder eine andere unvorhersehbare Investition anfällt. Wer hier nur für sich zu sorgen hat und in einer Mietwohnung wohnt, benötigt hier weniger als jemand mit Familie und Eigenheim.
Du solltest daher, sofern es deine Ersparnisse zulassen, zwischen langfristig angelegtem Geld (Festgeld, Aktiendepot etc.) und kurzfristig verfügbarem Geld unterscheiden. Gut ist es, wenn du Festgelder so anlegst, dass immer mal wieder etwas fällig wird, da dies das Risiko und die Notwendigkeit für zusätzliche Tagesgelder verringern kann. Generell gilt beim Festgeld zudem, dass ein Anlagehorizont, der über drei bis vier Jahre hinausgeht, in der aktuellen Lage wenig sinnvoll ist, weil die Zinsen bei längerer Bindung kaum höher ausfallen.
Zinsportale können Zinshopping erleichtern
Leider sind die Hausbanken, bei denen man sein Girokonto hat, in dieser Hinsicht dagegen meist nicht konkurrenzfähig, da sie in der Regel ein anderes Geschäftsmodell verfolgen. Also musst du dich bei der neuen Bank legitimieren. Beim Eingehen von Kundenbeziehungen gilt immerhin, dass diese prinzipiell durch die Videoidentifizierung einfacher geworden sind.
Meist reicht ein Onboarding, das innerhalb weniger Minuten abgeschlossen ist und mithilfe einer speziellen App erfolgt. Du musst dabei in einer Videokonferenz deinen Personalausweis oder ein anderes Ausweisdokument präsentieren und einige Fragen beantworten. Alternativ funktioniert in vielen Fällen aber auch das gute alte Postident oder – wenn es sich um eine Bank mit Filialnetz oder Filialpartnern handelt – der Gang in die Geschäftsstelle.
Berechne daher vorher, was dir der Wechsel des Festgeld- oder Tagesgeldanbieters bringt und ob du die Zeit investieren willst. Eine gute Alternative können dabei übrigens Zinsplattformen wie Zinsmarkt (aus dem Hause der Deutschen Bank), Weltsparen by Raisin oder Zinspilot sein. Hast du dich dort einmal angemeldet, kannst du gegebenenfalls im Laufe der Zeit unterschiedliche Angebote mitnehmen oder auslaufende Festgelder wieder neu anlegen, ohne die KYC-Prozedur erneut durchziehen zu müssen.
Wie viel Zins mehr rechtfertigt den Wechsel?
Grundsätzlich ist es sinnvoll, die sich wandelnden Zinsen nicht aus den Augen zu verlieren. Für das letzte Zehntel mehr solltest du aber nicht wechseln. Denn du solltest immer den eingangs geschilderten Kosten-Risiko-Zusammenhang im Blick behalten, wenn du vermeintlich gleiche Produkte bei unterschiedlichen Banken einer Plattform vergleichst. Denn das Risiko des jeweiligen Landes ist das eine, die mögliche Situation einer einzelnen Bank darfst du aber ebenso wenig aus dem Blick verlieren.
Auch wenn jeder den mit Zinshopping verbundenen Aufwand unterschiedlich bewerten wird (manchen macht das sogar Spaß oder es vermittelt Erfolgserlebnisse, wenn sie ihr Geld arbeiten sehen), kannst du als Faustformel im Hinterkopf behalten, dass es sich beim Festgeld durchaus lohnt, für ein Prozent mehr Zins ab einer fünfstelligen Summe mal wieder nachzudenken.
Beim Tagesgeld solltest du dagegen nur dann wechseln, wenn es sich um ein Angebot handelt, das auch nach Abzug der kurzfristigen Lockzinsen noch attraktiv bleibt und mindestens im vorderen Mittelfeld mitläuft. Hier kannst du allerdings mehr Zinsen sichern, wenn du nur den notwendigen Betrag täglich verfügbar hast und alles andere ins Festgeld (oder andere Sparformen wie ETF) umschichtest.