Die Europäische Zentralbank (EZB) hat erneut den Leitzins erhöht. Der zentrale Zinssatz, zu dem sich Geschäftsbanken Geld bei der EZB leihen können, liegt nun bei vier Prozent. Auch der sogenannte Einlagenzinssatz, den Banken bekommen, wenn sie Geld bei der EZB parken, ist erneut gestiegen: von 3,25 Prozent auf 3,50 Prozent. Es sind bereits die achten Erhöhungen in Folge, seit die Zentralbank im Juli 2022 die Zinswende eingeläutet hat.
Beim Sparer kommen diese Zinserhebungen aber kaum an. Laut dem Vergleichsportal Verivox bieten von rund 730 Instituten etwa ein Viertel der örtlichen Sparkassen und Volksbanken auf dem Tagesgeldkonto nach wie vor keine Zinsen. Bei den anderen hat sich der Durchschnittszins für Tagesgeldangebote zwar mehr als verdoppelt, wenn Kunden 10.000 Euro anlegen, er liegt aber immer noch bei nur 1,1 Prozent. Bei den Sparkassen müssen sich Kunden im Schnitt mit 0,28 Prozent, bei regionalen Genossenschaftsbanken durchschnittlich mit 0,27 Prozent Zinsen zufrieden geben.
Obwohl die Banken selbst also längst wieder über drei Prozent Zinsen bekommen, wenn sie das Ersparte der Kundschaft bei der EZB parken, geben sie die Zinsen kaum an ihre Kunden weiter. Für die Sparer ist das ein Dilemma, denn die hohe Inflation lässt ihre Ersparnisse schrumpfen.
Verlockende Zinsversprechen
Angebote wie das des Fintech Liqid lassen da aufhorchen. Der Berliner Wealth-Manager verspricht Kunden nach dem aktuellen Zinsschritt der EZB vier Prozent Zinsen auf das Tagesgeld.
Allerdings ist das Angebot an Bedingungen geknüpft: Den hohen Zinssatz bekommen Kunden nur, wenn sie den kommenden sechs Monaten auf eine Liqid-Anlagestrategie setzen. Das Angebot sieht eine Grundverzinsung von zwei Prozent vor, wer für mindestens drei Monate in eine Strategie des Fintechs investiert, bekommt eine Bonusverzinsung von weiteren zwei Prozent.
Wer sich die attraktiven Zinsen sicher will, muss mindestens 100.000 Euro mitbringen, nach oben sind die Einlagen dann erst bei drei Millionen Euro begrenzt. Das Liqid-Zinskonto wird von der V-Bank geführt.
Auch andere Fintechs versuchen gerade, Kunden beim Thema Zinsen abzuholen und locken mit attraktiveren Angeboten als die Banken. So hat beispielsweise das Krypto-Startup Bitpanda in dieser Woche sein Angebot Cash Plus gestartet. Damit können Anleger in Geldmarktfonds investieren und eine Rendite von bis zu 2,57 Prozent bekommen.
Die beiden Neobroker Trade Republic und Scalable Capital bieten bereits über zwei Prozent aufs Tagesgeld. Trade Republic zahlt einen Zinssatz von zwei Prozent, Konkurrentin Scalable hat dieses Angebot kürzlich mit einem Zinssatz von 2,3 Prozent noch überboten. Allerdings sind diese Angebote auch begrenzt: Bei Trade Republic können Anleger nur bis zu 50.000 Euro parken, bei Scalable ist das Guthaben auf bis zu 100.000 Euro beschränkt – und erfordert einen „Prime Plus“-Vertrag, der immerhin 4,99 Euro pro Monat kostet.
Viele Direktbanken locken sogar mit Zinsen über drei Prozent aufs Tagesgeld. Allerdings gelten diese Angebote oft nur für Neukunden und sind zeitlich beschränkt. Den hohen Zins gibt es dann nur für wenige Monate, danach fällt der Kunde auf eine deutlich geringere Verzinsung zurück. Ob sich ein solcher Wechsel zu einer neuen Bank lohnt, sollte man sich daher gut durchrechnen.