Tech-Konferenz soll erfundene Speakerinnen gelistet haben – und die echten sagen ab

Der Host der Entwicklerkonferenz Devternity Eduards Sizovs steht derzeit heftig in der Kritik: Er soll über Jahre mit erfundenen Speakerinnen geworben haben. Angesichts der schweren Vorwürfe haben immer mehr reale Tech-Profis von Unternehmen wie Amazon und Microsoft ihre Teilnahme an der Devternity 2023 abgesagt, jetzt ist die für Dezember angesetzte Konferenz ganz gekippt worden.
Wie der mutmaßliche Schwindel ans Licht kam – und was dahinterstecken könnte.
Speakerinnen erfunden: Das sind die Vorwürfe gegen die Devternity
Sie heißen Anna Boyko, Natalie Stadler, Alina Prokhoda oder Julia Kirsina, sollen als Entwicklerinnen bei Coinbase, Whatsapp oder Uber gearbeitet haben. Ihre Namen waren im Lauf der letzten Jahre Teil des beworbenen Line-ups der Devternity-Konferenz. Einen Talk beim angesehenen Tech-Event hat letztendlich allerdings keine von ihnen gehalten.
Eine Recherche des niederländischen Entwicklers und Newsletter-Autoren Gergely Orosz zeigt jetzt, woran das gelegen haben könnte: Die Frauen, die es nicht ins finale Programm schafften oder ihre Talks doch noch kurzfristig absagen mussten, waren, so Orosz, schlichtweg erfunden. Bei den Firmen, in denen sie angeblich gearbeitet haben, gibt es keine Hinweise auf ihre Existenz.
„Drei Jahre lang hat Devternity gefälschte Rednerinnen aufgelistet“, schreibt Orosz in einem ausführlichen Linkedin-Post zum Thema. Sein Verdacht: Die Frauen wurden erfunden, „um Bedenken hinsichtlich der Vielfalt auszuräumen, die von hochrangigen Rednern (die sich geweigert hätten, einen Vortrag zu halten) und Kunden (die sich über die mangelnde Vielfalt in der Vergangenheit beschwert haben) geäußert wurden“.
Eduards Sizvos: Er soll hinter den erfundenen Frauen stecken
Im Kreuzfeuer der Kritik steht jetzt vor allem Eduard Sizovs, der Organisator der Konferenz.
Der soll für eine der erfunden Frauen, Julia Kirsina, sogar einen eigenen Instagram-Account namens coding_unicorn führen. 115.ooo Menschen folgen dem Profil, auf dem überwiegend Fotos einer jungen Frau mit Brille vorm Laptop oder Monitor zu sehen sind. Im Header des Profils sind keine Links zu „Julias“ persönlichen Online-Präsenzen gesetzt – sondern nur zu den Onlineauftritten der Devternity.
Eine Recherche des Tech-Magazins 404Media fasst diverse Hinweise darauf zusammen, dass Sizovs hinter dem Profil stecken könnte. Dem Konferenz-Gründer wird vorgeworfen, mit den Bildern von „Julia“ Catfishing zu betreiben, also gezielt die Aufmerksamkeit männlicher Follower zu suchen.
Sizovs selbst positioniert sich in einem langen Post auf X zu den Vorwürfen, er habe die Liste seiner Speakerinnen für die Devternity 2023 künstlich verlängert.
„Julia“, vermutlich meint er damit Kirsina, sei im Laufe der Zeit in die Organisation der Konferenz gewechselt und werde deswegen nicht mehr als Speakerin auftreten. Bei „Anna Boyko“ habe es sich um eine zufallsgenerierte Platzhalter-Persona gehandelt, die versehentlich auf der Konferenzseite gelandet sei. Er habe die Löschung von Annas Auftritt aufgeschoben, weil es sich um einen komplizierten Vorgang gehandelt habe, so Sizovs – nach dem Posting von Gergely Orosz war das Profil allerdings ziemlich schnell von der Website der Konferenz verschwunden.
Auf die unauffindbaren Speakerinnen der letzten Jahre und das Instagram-Profil von „Julia“ geht der Konferenzgründer nicht ein, stattdessen besteht ein Großteil seines Postings aus Vorwürfen gegen Gergely Orosz, weil der seinen Ruf ruiniert habe.
Devternity 2023: Erste Absagen nach Anschuldigungen
Tatsächlich haben die Vorwürfe von Orosz für ordentlich Furore gesorgt. Nachdem bekannt geworden war, dass Sizovs beim Line-up der Devternity nachgeholfen haben könnte, mehrten sich die Absagen. „Ich werde das nicht dulden und nicht teilnehmen“, schrieb Microsoft-Manager Scott Hanselmann via X, „ich habe meine Regeln für die Teilnahme seit Jahren auf meiner Website veröffentlicht – einschließlich einer umfassenden Aufstellung. Ich wurde auch von den falschen Rednerinnen getäuscht“.
Auch AWS-Führungskraft Kristine Howard erklärte via Linkedin, sie sei zwar als Speakerin angedacht gewesen, werde die Konferenz nach den aktuellen Geschehnissen aber nicht besuchen. Weitere Teilnehmende folgten ihrem Beispiel.
In den ersten Tagen nach dem Bekanntwerden der Vorwürfe hatte Veranstalter Eduards Sizvos zwar noch via X darauf beharrt, die Konferenz durchzuführen, komme was wolle – mittlerweile ist klar, dass das Event nicht stattfinden wird. Gegenüber dem Fortune Magazine hat der Organisator in einer Mail die Absage bestätigt.