Tech vs. Natur: Millionen Seevögel stoppen SpaceX‘ Hyperschall-Raketenprogramm

Vogel stoppt Rakete. (Foto: Corona Borealis Studio / Shutterstock)
Es klingt wie eine Vision aus einem Science-Fiction-Roman: Containergroße Frachtladungen, die in weniger als 90 Minuten von einem Kontinent zum anderen reisen, transportiert von einer wiederverwendbaren Hyperschall-Rakete. Genau dieses revolutionäre Logistik-Programm, intern „Point-to-Point“ genannt, treiben das Raumfahrtunternehmen SpaceX aus dem kalifornischen Hawthorne und die U.S. Air Force gemeinsam voran. Es verspricht, die globale Militär- und Katastrophenhilfe von Grund auf zu verändern.
Vom globalen Logistikturbo zum Projektstopp
Als einer der ersten Landeplätze für diese Missionen wurde ein winziger Punkt auf der Weltkarte auserkoren: das Johnston-Atoll, ein abgelegenes US-Territorium hunderte Kilometer südwestlich von Hawaii. Doch dieser Ort ist ein Schauplatz der Extreme. Es war einst ein Militärstützpunkt und Schauplatz von Atomwaffentests und ist heute eines der wichtigsten Schutzgebiete für Seevögel im gesamten Pazifik, Heimat für Millionen von Tieren.
Und genau hier ist das ambitionierte Vorhaben vorerst zum Erliegen gekommen. Die US-amerikanische Luftwaffe hat die Pläne für den Bau der Landeplätze auf dem Atoll auf Eis gelegt. Die offizielle Begründung: Der Schutz der dort brütenden, riesigen Vogelkolonien hat Vorrang vor den technologischen Ambitionen.
Die technischen Eckdaten des Programms verdeutlichen die Ambitionen: Bis zu 100 Tonnen Fracht sollen pro Flug in unter 90 Minuten an jeden Ort der Welt gelangen. Das würde völlig neue Möglichkeiten für die globale Notfall- und Militärlogistik eröffnen.
Die Kehrseite dieser enormen Geschwindigkeit ist die Physik des Wiedereintritts in die Atmosphäre. Der dabei entstehende Überschallknall, der generelle Landelärm sowie die Gefahr potenzieller Abstürze wurden von den zuständigen Behörden als untragbares Risiko für die empfindliche Tierwelt des Atolls bewertet.
Der Widerstand: Wenn Naturschutz auf militärische Pläne trifft
Maßgeblich für den Stopp war der Widerstand des U.S. Fish and Wildlife Service (USFWS) in Falls Church im US-Bundesstaat Virginia, der das Schutzgebiet verwaltet. Die Behörde äußerte nach einer öffentlichen Prüfungsphase erhebliche Bedenken.
Zusätzlichen Druck erzeugte das Center for Biological Diversity aus Tucson im US-Bundesstaat Arizona, eine gemeinnützige Organisation für Artenschutz. Wie aus einer Pressemitteilung des Zentrums hervorgeht, reichte die Organisation jüngst Klage ein, um die Herausgabe von Dokumenten zur Umweltverträglichkeit des Projekts zu erzwingen.
Ein Muster der Kritik an SpaceX
Der Vorfall im Pazifik steht nicht isoliert da. Er fügt sich in ein Muster von Kritik am Umgang des Unternehmens von Elon Musk mit Umweltauflagen ein. So berichtete etwa die New York Times im vergangenen Jahr, wie der Start einer Starship-Rakete im US-Bundesstaat Texas Nester seltener Vogelarten zerstört haben soll.
Elon Musks Reaktion auf die damalige Kritik, er werde „zur Wiedergutmachung dieses abscheulichen Verbrechens eine Woche lang auf Omelett verzichten“, wurde auf der Plattform X (ehemals Twitter) veröffentlicht und sorgte für erhebliche Kontroversen. Wie das Magazin Jalopnik berichtet, gibt es zudem wiederholt Beschwerden über Raketentrümmer, die nach Starts auf den Bahamas niedergehen sollen.
Das Projekt auf dem Johnston-Atoll zeigt damit eindrücklich eine wesentliche Herausforderung für die Tech-Branche auf. Selbst die technologisch fortschrittlichsten und finanzstärksten Vorhaben müssen sich am Ende den realen Gegebenheiten und rechtlichen Rahmenbedingungen beugen – in diesem Fall dem Schutz eines einzigartigen Ökosystems.
Dieser Artikel wurde ursprünglich am 09.07.2025 veröffentlicht, interessiert jedoch immer noch sehr viele unserer Leser:innen. Deshalb haben wir ihn aktualisiert und hier nochmals zur Verfügung gestellt.