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Kolumne
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Nicht ohne meine Siri, oder: deine beste Freundin disst dich hart

Was ist eigentlich dran an all den Versprechungen, die uns die Technologie so macht? Lässt sie uns nicht ständig hängen? Julia Peglow aka jpeg über Debatten zwischen Siri und Google Maps – und notwendige Konsequenzen.

Von Julia »jpeg« Peglow
6 Min. Lesezeit
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Liebes digitales Tagebuch, heute muss ich echt mal mein Herz ausschütten bei dir. Weißt du, es wäre toll, wenn Technologie einfach mal funktionieren würde.

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Heute zum Beispiel. Da hat in meinem Google Meet Call meine Kamera nicht funktioniert, die ganz oben auf meinem großen Monitor klemmt. Hundert Mal hat das Setup anstandslos funktioniert, und dann auf einmal ist sie weg, und Google Meet ignoriert sie partout und verbindet sich ausschließlich mit meiner Laptop-Kamera, als hätte es sie nie gegeben. Why?

Oder Apple Car Play. Hundert mal setz ich mich ins Auto und es funktioniert, und dann, eines Tages, setz ich mich nichts ahnend auf den Fahrersitz, wahrscheinlich ist es auch noch ein Tag, an dem ich es besonders eilig habe, und alles ist weg. Die Verbindung ist weg, Car Play ist weg, ja, mein Telefon taucht noch nicht mal mehr auf auf der Liste der verbundenen Geräte. Als hätte es diese Connection nie gegeben!

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Meine beste Freundin? 

Ich verstehe die Technologie einfach nicht. Sie tut so, als wär sie deine beste Freundin, und ist immer da, wenn du sie brauchst, und dann auf einmal lässt sie dich total hängen.

Weißt du, irgendwie neige ich dazu, das persönlich zu nehmen. Ich ertappe mich dabei, bei Hardware und Software menschliche Gefühle hineinzuinterpretieren. So ist der Mensch, er denkt ja immer, alles läuft nach menschlichen Mustern ab, ähnlich, wie dass er überall Gesichter zu erkennten glaubt, in den Wolken, oder in der Baumrinde, oder auch in einer Parkuhr.

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Ist doch klar, dass ich verletzt bin, wenn mich ein technisches Gerät im übertragenen Sinne hundert mal gegrüßt hat und mich dann von einem Tag auf den anderen nicht mehr kennt. Ich denke dann, dass es mich nicht mag oder ghostet und wahrscheinlich hinter vorgehaltener Hand mit den anderen Geräten in meinem Haushalt über mich lacht oder mich im Technologie-Chat disst, in dem sich die Geräte in einer eigentümlichen Maschinensprache miteinander austauschen.

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Apropos Austausch: Auch untereinander läuft es bei den technischen Tools nicht immer glatt, nein, manchmal kommt mir vor, als ob’s da zugeht wie auf dem Pausenhof: Kamera redet nicht mit Google, Google disst Mikro, Mikro mobbt USB-Kabel. Ich war selbst schon Zeuge, dass sich Siri und die Stimme aus Google Maps um den richtigen Weg gestritten haben und beide darum gekämpft haben, in meiner Navigation die Oberhand zu gewinnen!

Neustart? Oder gleich Fußtritt

Und auch die Lösungsansätze, wie man solche Konflikte löst, kommen mir irgendwie erschreckend platt vor. Weißt du, mein Mann ist ITler. Der Ratschlag, den er mir seit siebzehn Jahren erteilt, wenn die Technik mal wieder nicht funktioniert, ist so simpel, von so wenig intellektueller Tiefe, ist keine Weltformel oder die Antwort auf die Frage aller Fragen (42), sondern schlicht und ergreifend: „Hast du’s mal mit ’nem Neustart versucht?“

Da könnte er ja gleich sagen, „Hast du’s mal mit ’nem Fußtritt versucht?“, das hat schon beim Millenium Falken immer geklappt. Da funktioniert der Hyperantrieb ja wirklich nie, wenn man ihn braucht, zum Beispiel, wenn einem gerade Darth Vader mit einem Sternenzerstörer auf den Fersen ist. Ständig sieht man einen haarigen Wookiee mit Schraubenziehern rumhantieren und an ihm rumschrauben. Oder ihm einfach einen Fußtritt verpassen, wonach das komplexe System dann auch endlich hochfährt.

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Unsichtbares Buddy-Netzwerk

Liebes Tagebuch, komm mal ganz dicht heran, ich muss dir was ins Ohr flüstern: Technologie ist ein Macho! Ich hab langsam echt den Verdacht, dass die technischen Geräte in unserem Haushalt mich insgeheim diskriminieren.

Denn, weißt du was? Kaum betritt mein Mann den Raum, funktioniert alles!! Das ist doch nicht nur mit dem Vorführeffekt zu erklären! Und wenn wir uns beide zusammen ins Auto setzen, koppelt sich Apple Car Play mit seinem Smartphone, obwohl meins als Favorit angegeben ist! Da steckt doch wieder das unsichtbare Buddy-Netzwerk dahinter, bei dem sich alle technischen Geräte gegenseitig auf die Schulter klopfen und samstags zusammen biertrinkend ins Stadion gehen.

Versprochen ist versprochen

Liebes Tagebuch, was mich am meisten ärgert, ist, dass Technologie einfach immer Sachen verspricht, die sie dann nicht hält.

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Zum Beispiel das Versprechen „Wireless“. Ich hab’s ihr ja echt geglaubt, der Technologie, als sie mir versprochen hat, von nun an würde alles kabellos funktionieren. Es hat sich auch irgendwie befreiend angefühlt, als wir unsere Apple Talk Kabel und später die weißen iPod-Kabel-Kopfhörer in die Tonne getreten haben, das war ja soo „Nineties“. Alles sollte fortan kabellos über WLAN und Bluetooth funktionieren.

Und was ist daraus geworden? Meine Air Pods machen was sie wollen, verbinden sich willkürlich mit dem Device, auf das sie gerade Lust haben, sie ändern auch mal mitten drin ihre Meinung und beschließen, mitten im Call von meinem MacBook auf mein Smartphone zu springen. Oder sie sind einfach komplett bockig und verbinden sich einfach gar nicht, mit niemandem.

In jedem Zimmer meiner Wohnung stehen Homepods, die sich „seamless“ (noch so ein Versprechen!) mit dem Spotify auf meinem Smartphone connecten, so dass ich überall Musik hören kann. Zumindest geht so das Narrativ. Funktionieren tut das nie, fünfzig Mal am Tag reißt die Verbindung ab. Ganz im Ernst, ich habe jetzt begonnen, Insellösungen zu bauen.

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Nicht mehr als Mittel zum Zweck

Liebes digitales Tagebuch, ich bin ja so froh, dass du mir zuhörst. Weißt du, das kann man ja keinem ernsthaft erzählen: Im ganzen Haus seamless Homepods über WLAN, aber auf meinem Schreibtisch steht jetzt eine kleine, scheppernde Bluetooth-Box. Die funktioniert immer! Zum Glück haben wir unseren Herd und unsere Spülmaschine noch nicht ins WLAN eingebunden, sonst wären wir schon längst zurückkatapultiert in die Steinzeit.

Das neueste Versprechen dieser treulosen Tomate Technologie ist ja übrigens 5G: Glasfaser, Kupferleitung, Koaxioalkabel brauchen wir alles nicht mehr. Zumindest sagt sie das, die Technologie. Ich sag nur: Schaumer mal. Denkt mal lieber an euer Backup.

Liebes Tagebuch, weißt du, was mich an der ganzen Sache am meisten verwirrt? Das ist, dass Technologie so willkürlich erscheint. Ich zerbreche mir den Kopf darüber, aber ich kann einfach kein Muster dahinter erkennen, wann die Geräte funktionieren und wann der gesamte Gerätepark im Chaos unterzugehen droht. Das ganze ist einfach nur irrational.

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Weißt du, in der Natur ist ja alles wohlgeordnet, ja wirklich, es gibt Muster wie die Apfelmännchen von Mandelbrot, Teilchenspuren oder die DNA Doppelhelix, die sich in seltsamer Präzision im ganz Großen und im ganz Kleinen ewig fortsetzen.

Aber nicht bei der Technologie. Sie, die ja immer so ingenieurshaft tut, so rational und function- und featuregetrieben, ist in Wirklichkeit das irrationalste Angelegenheit auf diesem Planeten. Sollte es nicht eigentlich genau anders herum sein? Und was sagt uns das, dass es in Wirklichkeit nicht so ist wie wir meinen?

Use Case trifft Leben

Liebes Tagebuch, irgendwas ist da echt ganz gewaltig faul an der ganzen Angelegenheit. Aber ist dir schonmal aufgefallen, dass die erste Viertelstunde jeder Besprechung, jedes Meetings oder Calls dafür drauf geht, dass bei irgend jemandem die Technik nicht funktioniert?

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Die Technologie ist damit immer Punkt 1 auf jeder Agenda! Stell dir mal vor, wir würden einfach beschließen, dass ein ganze anderes Thema in sämtlichen Meetings auf diesem Planeten Punkt 1 auf der Agenda ist, z.B. Schönheit. Oder Liebe. Oder Klimaschutz!

Warum hat Technologie bloß immer diese unangenehme Angewohnheit, sich so aufdringlich in den Vordergrund zu drängeln? Eigentlich ist sie doch dazu da, uns zu unterstützen, so dass wir besser leben oder produktiver und kreativer zusammenarbeiten können.

Ständig fragen wir uns, welche Use Cases die neuen Technologien in unserem Leben haben könnten. Dabei gehen wir automatisch davon aus, unser Leben der Technologie anzupassen. Nicht umgekehrt. Weißt du, vielleicht verwechseln wir da einfach etwas. Technologie ist nicht die Lösung, sondern Mittel zum Zweck. Wir müssen uns halt mal entscheiden, wie wir leben wollen.

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