„Roboter werden für Tesla bedeutender als Elektrofahrzeuge!“ Diese erneute Bestätigung einer älteren Aussage des Tesla-Chefs zum in der Nacht vorgestellten humanoiden Roboter namens Optimus dürfte nicht für uneingeschränkte Freude bei Anlegenden geführt haben. Geduld brauchten sie ohnehin. Immerhin fast dreieinhalb Stunden lang gingen Musk und seine Mitarbeitenden bis in die Details ihrer Entwicklungstätigkeiten.
Ungelenker Roboter soll Zukunft Teslas sein
Anlässlich seiner offiziellen Vorstellung auf dem bisher zweiten Tesla AI Day wankte ein Roboter mit ein paar Schritten über die Bühne. Dabei winkte er dem Publikum ungelenk zu und führte eine Handvoll asynchroner Dancemoves aus.
Die optische Anmutung entsprach dem Prototyp-Status. Optimus zeigte sich weitgehend roh – mit sichtbaren Kabeln und ohne großes Design-Polish. Das begeisterte jedenfalls den Multimilliardär Elon Musk, der sich beeilte, die Schwachstellen wortreich zu verbrämen.
Für Betrachtende offensichtlich war, dass sich Optimismus deutlich ungelenker fortbewegt als etwa die diversen Roboter der Hyundai-Tochter Boston Dynamics. In diversen Videos können wir uns davon überzeugen, dass die nicht nur rennen, springen und klettern – sondern sogar tanzen können. Das stellt sehr hohe Anforderungen an die Koordinationsfähigkeiten der Systeme.
Musk sieht seinen Vorschlag dennoch weit vorn. Denn Optimus habe eine Steuerung, die auf der Autopilot-Software basiere, die auch die Elektroautos des Unternehmens einsetzen.
Um diesen Anspruch zu untermauern, wurden Videos eingespielt, die zeigen, wie Optimus einen Karton trägt, Blumen gießt und ein Werkstück in Teslas Gigafactory bewegt. Laut Musk liege der Fokus bei der Entwicklung des Roboters einerseits auf Nützlichkeit und andererseits auf schnelle Produzierbarkeit.
Alltagsroboter soll „Zukunft ohne Armut“ ermöglichen
Dabei strebe Tesla einen ungefähren Preis von 20.000 Dollar an, so Musk. Ein leitender Ingenieur unterstützte diesen Claim mit der Prognose, dass Optimus in Stückzahlen produziert werden könnte, die nicht in die Tausende, sondern in die Millionen gehen.
Perspektivisch könnte eine dermaßen hohe Verfügbarkeit an robotischen Hilfen „für eine Zukunft im Überfluss, eine Zukunft ohne Armut“ sorgen, schwärmte Musk. In Anbetracht der aktuellen Präsentation, die Optimus zu bieten hatte, dürfte allerdings einige Skepsis hinsichtlich der zeitlichen Perspektive dieser Zukunft angebracht sein.
Wenigstens hatte es Tesla auf dem aktuellen Event nicht mehr nötig, einen Menschen in ein Roboterkostüm zu stecken, wie es das anlässlich der Vorstellung auf dem ersten Tesla AI Day im August 2021 vor rund einem Jahr noch tat – und dafür einigen Spott erntete.
Neben dem laufenden Optimus, den Tesla als „Bumble C“ bezeichnete, hatte Musk auch eine fortgeschrittenere Version im Gepäck. Die allerdings bedurfte umfangreicher menschlicher Unterstützung. Eigenständig auf die Bühne gehen konnte diese Version nicht. Drei Tesla-Mitarbeiter trugen den Prototyp herbei, der wie eine Gliederpuppe auf einem Metallrahmen hing.
Musk stellt Fortschritte bei Autopilot-Technologie vor
Neben den Robotern, die auf der Autopilot-Technologie des Unternehmens basieren, stellte Musk die Technologie an sich ausführlicher vor. Dabei war indes wenig Neues zu erfahren.
Der Tesla-Chef zeigte sich nach wie vor überzeugt davon, seinen Autopiloten rein mit Kameras zum Erfolg führen zu können. Angelegentlich demonstrierte er, wie die acht Kameras der Tesla-Fahrzeuge ihre Umgebung wahrnehmen können.
Musk predigt Lidar-Verzicht, andere Hersteller halten das für absurd
Das steht in deutlichem Gegensatz zu anderen Fahrzeugherstellern, die teils sehr deutlich – wie Volvos Technikchef – ausschließen, dass Selbstfahrsysteme ohne die teureren Lidar-Sensoren überhaupt realisierbar seien.
Der Wunsch auf den Lidar-Verzicht scheint durchaus verständlich. Immerhin wurden noch bis vor kurzem Preise zwischen 50.000 und 80.000 Dollar für ein Pkw-taugliches Licht-Radar-System aufgerufen.
Mit steigender Verbreitung sinken die Preise indes bereits. Mit dem iPhone 12 Pro hatte Apple die Technik sogar in ein Kameramodul ihres Flaggschiff-Smartphones eingebaut. Sicher dürfte indes sein, dass Lidar niemals die niedrigen Kosten einer reinen Kameralösung erreichen wird.
Entsprechend ist die Kamera-Technologie der Teslas durchaus umstritten. Die globale Einführung gestaltet sich ob der immer wieder aufflammenden Hinweise zu mangelnder Sicherheit als überaus schwierig. Musk behauptet, sein Unternehmen werde technisch bereit sein, zum Jahresende flächendeckend den Autopiloten zu aktivieren. Aktuell verwenden die Funktion rund 160.000 Nutzende der „Beta-Version“ in den USA.
Musks Aussagen mit Vorsicht zu genießen
Abseits der vollmundigen Aussagen Musks zu Optimus und der Autopilot-Technologie im Allgemeinen, bleibt es wichtig, sich daran zu erinnern, dass der Tesla-Chef eben exakt dafür bekannt ist – vollmundige Aussagen.
Es gibt im Netz eine große Zahl an Faktenchecks, die zeigen, wie weit neben der Realität Musks Aussagen tendenziell liegen. Hätte Musk Rechts behalten, wäre schon 2017 ein Tesla vollautonom von der US-Westküste zur US-Ostküste gefahren. Tatsächlich ist das auch im Jahr 2022 noch nicht passiert.
Für 2020 hatte Musk „sicher eine Million Robotaxis auf der Straße“ versprochen. 2022 gibt es noch immer kein einziges. Auf dem AI Day versprach Musk nun, dass es aber im Jahr 2024 ganz sicher der Fall sein werde.
Der 2017 für 2020 angekündigte Roadster, der das schnellste Serienauto der Welt sein werde, ist 2022 nirgends zu sehen. Auch der 2019 für 2021 angekündigte E-Pickup namens Cybertruck rollt nicht auf den Straßen, sondern wird jetzt für 2024 erwartet.
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