Tiktok statt Werbebudget: Wie das Games-Studio Pixel Maniacs Millionen erreicht
Die Idee entstand bei dem Game Jam Ludum Dare: Im Meeting-Raum stand eine Carrerabahn; um die zu bedienen, musste sie aber erst aufgebaut werden. „Ein Kollege hat gemeint, das sei doch eine witzige Idee für ein Spiel: Eine Person baut die Strecke, die andere fährt“, erzählt uns Benjamin Lochmann, CEO des Nürnberger Studios Pixel Maniacs. So entstand in Kürze der grundlegende Gedanke des turbulenten Multiplayer-Spiels „Can’t Drive This“, das vor wenigen Wochen als Vollversionen für Konsolen und PC erschienen ist, nachdem es bereits seit September 2016 im Early Access auf Steam zu erwerben war.
Dieser Game Jam habe bereits den Grundstein für die Marketing-Arbeit gelegt, die das Spiel bis heute auszeichnet. „Wir haben die Veranstaltung live gestreamt, uns war schon immer wichtig, dass wir offen kommunizieren, woran wie arbeiten und wo wir unsere Ideen hernehmen“, sagt Lochmann. Und siehe da, kurz nach dem Stream berichtete schon das reichweitenstarke Online-Magazin Kotaku über „Can’t Drive This“. „Die erste Version, die noch total rudimentär war, haben wir kurz danach schon online gestellt. Wir wollten diesen Wirbel direkt mitnehmen.“
Der Games-Markt ist hart umkämpft. Studios, die über kein gigantisches Marketing-Budget verfügen, müssen oft andere Wege finden, um mit wenig Geld ihr Publikum zu erreichen. In dieser Serie wollen wir kleinere Videospiel-Studios vorstellen, die auf kreative Art ihre Spiele bewerben; die neue Kanäle nutzen, gekonnt mit Influencern zusammenarbeiten oder durch geschicktes „Word of Mouth“-Marketing zum Erfolg gefunden haben. Hier geben sie Tipps, wie auch mit wenig Geld ein gutes Spiel bekannt werden kann.
Gestartet sind die Pixel Maniacs, die heute aus sechs Mitarbeitern und einem Hund bestehen, als ein Studio für Spiele-Apps. Sudoku, Schach oder Vier Gewinnt mit Multiplayer-Modus waren die ersten Erfolge. „Wir sind in die Spielebranche außerhalb von Apps eher reingerutscht – auch weil wir immer wieder an Game Jams teilgenommen haben“, sagt Lochmann. Bei diesen Events gilt es, in 72 Stunden die Idee für ein Spiel zu kreieren und dieses auch direkt zu programmieren. Daraus sind schon viele Spiele hervorgegangen, die schließlich ein Erfolg wurden. Ein durchschlagender Erfolg war „Can’t Drive This“ aber nicht von Anfang an. „Im Early Access war das Spiel kein Überflieger, wir haben nicht massig daran verdient – es war ein guter fünfstelliger Betrag. Gekostet hat das Spiel aber schließlich 500.000 Euro. Profitabel sind wir damit bisher nicht.“ Das Studio habe sich die Produktion leisten können, weil sie weiterhin Geld mit Apps verdienten. Ebenso gab es eine Förderung des Film-Fernseh-Fonds Bayern in Höhe von 130.000 Euro. Inzwischen sind die Zahlen zufriedenstellend – auch wenn sich noch herausstellen muss, wie lange sich das Spiel verkauft.
„Marketingbudget? Wir haben keines!“
Der Spielemarkt ist hart umkämpft. Besonders laut bewerben die sogenannten AAA-Studios ihre Spiele. Sie geben Millionen aus für Werbung oder Kooperationen mit Influencern. Sie fliegen Menschen um die halbe Welt, damit ihr Spiel angespielt und besprochen wird. Indie-Studios haben dieses Geld nicht. So auch die Pixel Maniacs. „Wir investieren unsere Zeit. Ein Marketingbudget haben wir nicht“, sagt Lochmann. Diese kleinen Studios müssen darauf hoffen, dass ihr Spiel durch eine frische Idee heraussticht. Dass es eine Nische findet, dass das Word of Mouth laut genug ist, dass viele es hören.
Oder aber sie finden neue Möglichkeiten, um ihr Spiel bekannt zu machen. „Wir hatten das Glück, dass einige bekannte Youtuber „Can’t Drive This“ für sich entdeckt haben“, sagt Lochmann. Menschen wie Markiplier mit 28,9 Millionen Abos probierten das Spiel aus – und über eine Million Menschen schauten zu.
„Natürlich haben wir da einen Effekt gemerkt. Aber der ist nicht so groß, wie viele annehmen“, sagt Lochmann. Im Verhältnis seien es eher die kleineren Kanäle gewesen, die für einen höheren Verkauf sorgten: „Bei Streams, wo ein paar Hundert Menschen zuschauen, ist ein viel engeres Verhältnis zu der Person, die streamt. Und wenn die ein Spiel empfiehlt, dann vertrauen die Leute da eher drauf und probieren es selbst mal aus“, sagt er. Und diese Kanäle als Studio zu erreichen, sei auch einfacher. Richtig große Reichweiten hat das Studio, und besonders Benjamin Lochmann, dann jedoch mit einem relativ neuen Kanal erzielt: Tiktok.
„Da muss ich dranbleiben“
„Früher haben wir ordentlich Geld in Werbung auf Facebook gesteckt, um eine App zu bewerben. 10.000 Euro verfeuern und darauf setzen, dass genug Leute die kostenlose App runterladen und sie so im App-Store hoch in den Charts einsteigt.“ Wenn das erreicht wurde, habe sich die Werbung rentiert. Denn eine hohe Platzierung im Ranking sorge dafür, dass die App von noch mehr Menschen gesehen und heruntergeladen wird. „Bei Games geht das nicht. Wenn ein Spiel 20 Euro kostet, werden die Leute es nicht einfach kaufen, wenn sie eine Werbung auf Facebook sehen“, sagt Lochmann. Es brauche viel mehr Berührungspunkte – Videos, Rezensionen, Berichte von anderen Spielenden –, bis sich jemand entscheide, ein Spiel zu kaufen.
„Ich bin 35, eigentlich viel zu alt für Tiktok. Trotzdem habe ich es einfach mal ausprobiert“, sagt der CEO von Pixel Maniacs. Das sei zunächst befremdlich gewesen, weil er viele der Videos nicht verstanden habe, die da viral gehen. Doch habe er sich dazu entschieden, sich nicht zu verstellen, sondern seinen eigenen Stil zu finden. „Im ersten Video habe ich einfach nur erzählt, wer wir sind und was wir machen. Das Video hatte um die 10.000 Views und wir bekamen einige interessierte Kommentare.“ Überrascht von dieser Reichweite erstellte er kurz darauf ein weiteres Video, in dem er „Can’t Drive This“ zeigte und erklärte, wie das Spiel funktioniert: 525.000 Views. „Dann habe ich gedacht: Da muss ich dranbleiben.“
Inzwischen hat das Studio unterschiedliche Kanäle, auf denen jeweils Videos in verschiedenen Sprachen hochgeladen werden. Denn Lochmann habe erkannt, dass englische Videos, die für alle Märkte gedacht sind, nicht so gut laufen. „Solche Videos werden vom Algorithmus überall hin ausgestreut, aber es schauen weniger zu“, sagt er. Inzwischen macht Lochmann auf seinem Kanal, dem schon knapp 90.000 Menschen folgen, auch breiteren Content. Das erfolgreichste Video ist etwa eines zur Entwicklung der Videospielreihe „Grand Theft Auto“, darüber, wie sich die Spiele im Laufe der Jahre verändert haben. 1,6 Millionen Views hat dieses Video und der Kanal dadurch 1.000 neue Follower dazugewonnen. Und einige von diesen „GTA“-Followern sind sicherlich auch zu Fans von „Can’t Drive This“ geworden.
5 Tipps für die Nutzung von Tiktok
Benjamin Lochmann hat seine Erfahrung mit Tiktok als Plattform für Games-Marketing in fünf Punkten zusammengefasst:
- Man müsse die Plattform verstehen und wissen, was sie etwa von Instagram oder Youtube unterscheidet; und dass es hier um knappe Videos geht, die schnell eine Botschaft rüberbringen – und auf der es besonders wichtig sei, authentisch zu wirken.
- Es sei wichtig, dass eine Person oder Personengruppe im Mittelpunkt der Videos stehe. Nicht eine Firma oder ein Studio, sondern Menschen, zu denen die User eine Verbindung aufbauen können.
- Die Sprache müsse direkt sein. Man könne etwa auch mal darauf hinweisen, dass es gerade einen Rabatt gibt und es total helfen würde, wenn User jetzt zuschlagen, um das Ranking zu erhöhen. „Die Leute mögen es, etwas so zu sagen, wie es ist.“
- Um mehr Menschen zu erreichen, sei es wichtig, nicht nur Content zu erstellen, der sich ausschließlich um das eigene Produkt dreht, sondern breiteren Content zu produzieren, der mehr Menschen anspricht: „Etwa das Video zu „GTA“. Oder auch mal ein Video zu Themen wie Mikrotransaktionen und wie wir dazu stehen. Inhalte eben, mit denen man sich auskennt.“
- „Wir schicken die Videos für unsere nicht-deutschen Kanäle zu Übersetzern. Einer hat aus Versehen mal den Follow-Button im Video viel zu lange eingeblendet, bestimmt 30 Sekunden. Und wir merkten: Es sind uns mehr Menschen gefolgt. Daraus haben wir gelernt, dass es OK ist, die Leute darum zu bitten, mit dem Video und dem Kanal zu interagieren.“
Das Tiktok-Highlight sei für Benjamin Lochmann jedoch eine Begegnung in der Nähe des Studios in Nürnberg gewesen. „Da standen zwei Teens hinter einem Baum, mit dem Handy in der Hand. Als ich sie gesehen habe, sind die rot geworden“, sagt er. Da sei ihm klar gewesen: Sie haben ihn erkannt. Also sei er zu ihnen gegangen und habe sie gefragt, ob man sich kennt. „Sie fragten mich direkt, ob ich der Typ von Tiktok bin. Als ich das bejahte, sagten sie mir direkt, dass sie sich schon „Can’t Drive This“ gekauft haben. Das war auf mehreren Ebenen ein toller Moment.“