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Der Tod des Schauspielers Gene Hackman zeigt: Was darf von Autopsien publik werden?

Die Todesursache einer Person ist eine öffentliche Information. Aber die sehr öffentliche Weitergabe der Gesundheitsdaten von Gene Hackman und Betsy Arakawa wirft ethische Fragen zur Privatsphäre auf. Ein Blick in die USA.

Von MIT Technology Review Online
5 Min.
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Gehört die Frage, was mit neuen Gesundheitsinfos aus der Autopsie passieren soll, in die Patientenverfügung? (Foto: Shutterstock)

Vor einigen Wochen ging die Nachricht über den Tod des Schauspielers Gene Hackman und seiner Frau, der Pianistin Betsy Arakawa, durch die Presse. Viele fanden es herzzerreißend zu hören, dass Arakawa anscheinend an einer seltenen Infektion gestorben war, nur wenige Tage vor ihrem Ehemann, der sich in einer fortgeschrittenen Phase der Alzheimer-Krankheit befand und möglicherweise Schwierigkeiten hatte, zu verstehen, was passiert war.

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Als der Gerichtsmediziner später weitere Einzelheiten über den Gesundheitszustand des Paares enthüllte, weckte das noch mehr Unbehagen. Medienberichten zufolge war dem Paar seine Privatsphäre wichtig und so hatte es sich schon jahrzehntelang aus dem Rampenlicht zurückgezogen. Nun aber erfuhr alle Welt, welche Pillen Arakawa in ihrem Medizinschrank hatte und dass Hackman mehrfach operiert worden war.

Wie geheim sollten Autopsieberichte sein?

All das wirft die Frage auf: Sollten Autopsieberichte geheim gehalten werden? Die Todesursache einer Person ist eine öffentliche Information. Aber was ist mit anderen intimen Gesundheitsdetails, die bei einer Obduktion aufgedeckt werden könnten?

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Die Verfahren und Vorschriften für Autopsien sind von Land zu Land unterschiedlich. In den USA, wo Hackman und Arakawa starben, kann eine sogenannte rechtsmedizinische Autopsie von den Strafverfolgungsbehörden organisiert und über die Gerichte abgewickelt werden, während eine klinische Autopsie auf Antrag von Familienangehörigen durchgeführt werden kann. Dazu gibt es mehrere Autopsie-Arten. Bei einigen werden nur bestimmte Organe oder Gewebe untersucht, während bei gründlicheren Untersuchungen jedes Organs und aller Gewebe im Labor geprüft wird.

Ziel einer Autopsie ist es, die Ursache für den Tod einer Person zu ermitteln. Autopsieberichte, insbesondere solche, die aus detaillierten Untersuchungen resultieren, geben oft Aufschluss über den Gesundheitszustand einer Person, der zu Lebzeiten möglicherweise geheim gehalten wurde. Es gibt mehrere Bundes- und Bundesstaatsgesetze zum Schutz der Gesundheitsdaten von Personen. So schützt beispielsweise der Health Insurance Portability and Accountability Act (HIPAA) „individuell identifizierbare Gesundheitsinformationen“ bis zu 50 Jahre nach dem Tod einer Person.

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Öffentliche Natur der Todesursachen

Allerdings ändern sich einige Dinge, wenn eine Person stirbt. Zunächst einmal wird die Todesursache auf dem Totenschein vermerkt. Das ist eine öffentliche Information. Diese öffentliche Natur der Todesursachen wird heutzutage als selbstverständlich angesehen, sagt Lauren Solberg, Bioethikerin an der University of Florida College of Medicine. Es ist zu einer öffentlichen Gesundheitsstatistik geworden. Solberg und ihre Studentin Brooke Ortiz, die zu diesem Thema geforscht haben, sind eher über andere Aspekte der Autopsie-Ergebnisse besorgt.

Autopsien können nämlich manchmal mehr aufdecken als nur die Todesursache einer Person, nämlich sogenannte Zufallsbefunde. So könnte ein Untersucher feststellen, dass eine Person, die an einer Covid-19-Infektion gestorben ist, auch an einer anderen Krankheit litt. Vielleicht war diese Krankheit nicht diagnostiziert worden. Vielleicht war sie auch asymptomatisch. Dieser Befund würde nicht auf einer Sterbeurkunde erscheinen. Wer sollte also Zugang zu dieser Information haben?

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Zugang zum Autopsiebericht: Regelung in den USA

Die Gesetze darüber, wer Zugang zum Autopsiebericht einer Person haben sollte, variieren von Bundesstaat zu Bundesstaat und sogar zwischen den Bezirken innerhalb eines Bundesstaates. Klinische Autopsieergebnisse werden den Familienmitgliedern immer zur Verfügung gestellt, aber die örtlichen Gesetze bestimmen, welche Familienmitglieder Zugang haben, sagt Ortiz.

Gentests machen die Sache noch komplizierter. Manchmal werden bei der Autopsie Gentests durchgeführt, um die Todesursache zu bestätigen. Diese Tests können Aufschluss darüber geben, woran die Person gestorben ist. Sie können aber auch genetische Faktoren aufzeigen, die nichts mit der Todesursache zu tun haben und das Risiko für andere Krankheiten erhöhen könnten.

In diesen Fällen könnten die Familienangehörigen der verstorbenen Person vom Zugang zu diesen Informationen profitieren. „Meine Gesundheitsdaten sind meine Gesundheitsdaten – es sei denn, es geht um meine genetischen Gesundheitsdaten“, sagt Solberg. Gene werden von Verwandten geteilt. Sollten sie die Möglichkeit haben, sich über mögliche Risiken für ihre eigene Gesundheit zu informieren?

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An dieser Stelle wird es wirklich kompliziert. Aus ethischer Sicht sollte man die Wünsche des Verstorbenen berücksichtigen. Hätte diese Person gewollt, dass diese Informationen an die Angehörigen weitergegeben werden? Zu bedenken ist aber auch, dass ein genetischer Risikofaktor oft nur ein Faktor ist. Oft gibt es keine Möglichkeit zu wissen, ob eine Person eine Krankheit entwickeln wird oder wie schwer die Symptome sein werden. Und wenn es sich um ein genetisches Risiko für eine Krankheit handelt, für die es keine Behandlung oder Heilung gibt, bedeutet es dann für die Verwandten der betroffenen Person nicht eine Menge Stress, wenn sie davon erfahren?

Auswirkungen der Gesundheitsinformationen auf die Angehörigen

Eine 27-Jährige machte diese Erfahrung, als ihr ein 23&Me-Gentest mitteilte, dass sie „eine 28-prozentige Chance hat, bis zum Alter von 75 Jahren an Alzheimer zu erkranken, und eine 60-prozentige Chance, dass es bis zum Alter von 85 Jahren passiert“. „Ich bin plötzlich von dieser Information überwältigt“, schrieb sie in einem Demenzforum. „Ich kann mich dieses erdrückenden Gefühls der Angst und der Traurigkeit nicht erwehren, dass ich nie in der Lage sein werde, diese Informationen zu ignorieren.“

Bei ihren Nachforschungen stießen Solberg und Ortiz auf Fälle, in denen Personen, die bei einem Autounfall ums Leben gekommen waren, bei der Autopsie andere, asymptomatische Erkrankungen festgestellt hatten. Bei einem Mann, der in seinen Vierzigern bei einem Unfall starb, wurde eine genetisch bedingte Nierenerkrankung festgestellt. Bei einem 23-Jährigen wiederum wurde Nierenkrebs festgestellt.

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Patientenverfügung bezieht sich in der Regel auf die Zeit vor dem Tod

Im Idealfall sollten sowohl die medizinischen Teams als auch die Familienangehörigen im Voraus wissen, was eine Person im Falle einer Autopsie, Gentests oder in Sachen Privatsphärenschutz gewollt hätte. Mit einer Patientenverfügung können Menschen ihre Wünsche für die Versorgung am Lebensende festlegen. Aber nur etwa ein Drittel der Menschen in den USA hat eine solche ausgefüllt. Und sie beziehen sich in der Regel auf die Versorgung vor dem Tod, nicht auf die Zeit danach.

Solberg und Ortiz sind deshalb der Meinung, dass sie ausgeweitet werden sollten. In einer Patientenverfügung kann festgelegt werden, wie die Menschen ihre Gesundheitsdaten nach ihrem Tod weitergeben wollen. „Über den Tod zu sprechen ist schwierig“, sagt Solberg. „Für Ärzte, für Patienten, für Familien kann es unangenehm sein. Aber es ist wichtig.“

Am 17. März gab ein Richter in New Mexico dem Antrag eines Vertreters von Hackmans Nachlass statt, Polizeifotos und Bodycam-Aufnahmen sowie die medizinischen Unterlagen von Hackman und Arakawa zu versiegeln. Dem medizinischen Ermittler wird „vorübergehend untersagt, … die Autopsieberichte und/oder die Berichte über die Untersuchung des Todes von Herrn und Frau Hackman zu veröffentlichen“, schrieb die Hollywood-Nachrichtenseite „Deadline“.

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Dieser Artikel stammt von Jessica Hamzelou. Sie ist Senior Reporter bei der US-amerikanischen Ausgabe von MIT Technology Review und schreibt über Biomedizin und Biotechnologie.
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