Geldsegen bei Twitch: Warum die Umsätze der Streaming-Stars wenig aussagen
Für reichlich Aufregung und neidvolle Diskussionen sorgte vor einigen Tagen eine geleakte Liste, die die Einnahmen zahlreicher Twitch-Streamer offenlegte. Einige Stars der (englischsprachigen internationalen) Szene kamen in gut zwei Jahren zwischen August 2019 und September 2021 demnach auf acht bis zehn Millionen, einige deutsche bekannte Namen schafften ebenfalls Millionenumsätze. Demnach bekam Marcel Eris aka Montana Black im besagten Zeitraum knapp 2,4 Millionen US-Dollar, der„König des Internets“ Jens Knossalla aka The Real Knossi knapp 2,2 Millionen Dollar.
Soweit die absolute Spitze der Szene. Doch die meisten Freelancer und Content-Produzierenden kommen dort nicht ansatzweise auf solche Sätze, wären folglich schon mit einem Bruchteil dessen zufrieden, was die Top-Verdiener aufs Konto bekommen. Und bei näherem Hinsehen relativieren sich solche Zahlen ohnehin, denn Umsatz ist bekanntermaßen auch hier nicht gleich Gewinn – was viele aber übersehen oder nicht wahrhaben wollen.
Umsätze sind bei weitem nicht mit Gewinn gleichzusetzen
Denn zum einen handelt es sich dabei um Bruttoeinnahmen in US-Dollar, die erst noch versteuert werden müssen. Und dafür fällt zumindest hier in Deutschland schon (je nach Familienstand ein Stück höher oder gegebenenfalls mit dem Ehepartner kombinierbar) ab rund 58.000 Euro Jahresgewinn der Spitzensteuersatz in Höhe von 42 Prozent an, auch wenn der durchschnittliche Steuersatz in dieser Region natürlich ein ganzes Stück niedriger liegt. Vom Umsatz abgezogen werden müssen außerdem die diversen Kosten, die ein Freelancer im Gegensatz zum Angestellten selbst trägt – vom technischen Equipment über Rücklagen und unvorhergesehene Ersatzanschaffungen bis hin zu Mietkosten, Haftpflichtversicherung, Personalkosten und diversen anderen Posten.
Abzuziehen sind außerdem die die Person selbst betreffenden Versicherungskosten, die im Gegensatz zum Angestellten in voller Höhe, also mitsamt dem Arbeitgeberanteil, anfallen – von Krankenkasse und Pflegeversicherung, um die auch der Selbstständige nicht herumkommt, bis hin zu Altersvorsorge, um die er sich selbst kümmern muss (oder eben auch darf). Und dann ist da noch das unternehmerische Risiko, das für viele Freischaffende und Selbstständige unter den Content-Produzenten mehr Risiko als Chance ist.
Hinzu kommt bei der Berechnung, was ein Freelancer verdienen muss, dass er seinen Tagessatz so definieren muss, dass er den anvisierten Jahresgewinn innerhalb von höchstens 220 Tagen erzielen kann. Und von diesen möglichen Tagen gehen Urlaubstage, Kranktage, Tage, in denen er die Buchhaltung macht, Akquise oder Eigenmarketing betreibt oder sich einfach mal fortbildet, ab. Unterm Strich, so rechnen es erfahrene Selbstständige vor, bleiben je nach Arbeitsgebiet und Branche im Schnitt 150 bis 180 Tage, an denen ein solcher Tagessatz zu erzielen ist.
Umgekehrt ist Twitch meist nur ein Teil des Geschäfts
Denn auch Twitch-Streamer sind ja (in der Regel) nicht permanent auf Sendung oder generieren ständig ihre Einnahmen. Und egal, ob Twitch-Streamer oder Webdesigner, Instagram-Influencer oder Texter – Geld verdienen lässt sich zwar als Selbstständiger recht gut, wenn die Rahmenbedingungen stimmen, doch nur die wenigsten erreichen die Größenordnung der genannten Twitch-Größen. Sie haben an dieser Stelle aber auch über Jahre hinweg in ihre Personenmarke investiert und diese aufgebaut. Auf der anderen Seite ist zumindest bei den genannten Stars Twitch auch nur eine Einnahmequelle unter vielen. Hinzu kommen Sponsoringverträge, Werbeeinnahmen, zusätzliche Events und natürlich die Einnahmen anderer Plattformen. Es bleibt also weiterhin viel Raum für Spekulationen.