Die vergangenen Pandemie-Jahre hatten es für viele berufstätige Eltern in sich: Schul- und Kitaschließungen brachten Mütter und Väter an ihre Grenzen. Wer den Nachwuchs vom Homeoffice aus im Blick behalten konnte, hatte noch vergleichsweise Glück. Doch nicht alle Berufstätigen konnten immer auf Heimarbeit ausweichen. Viele Menschen brauchten ganz einfach freie Zeit – und die ist im Zweifel schnell aufgebraucht. Die Frage, die 2020 und 2021 insofern häufiger im Kollegenkreis diskutiert wurde, lautet: Können Arbeitnehmende ihre Urlaubstage oder Überstunden auch an ihre Kollegen spenden?
Tatsächlich sei das im Einzelfall möglich, erklärt Dr. Karina Bischoff im t3n-Gespräch. Sie ist Associate der Kanzlei Bird & Bird und Expertin für kollektives und individuelles Arbeitsrecht. Eine ausdrückliche Regelung, die die Möglichkeit der Übertragung von Urlaubstagen oder Überstunden von Arbeitnehmenden auf andere Arbeitnehmende entweder untersagt oder vorsieht, gebe es im deutschen Recht nicht, so Bischoff. Deshalb könne eine derartige Vereinbarung mit dem Einverständnis des Arbeitgebers durchaus getroffen werden. Oder anders gesagt: Was nicht verboten ist, ist erlaubt.
Urlaub und Überstunden spenden – das gilt!
Zwei Dinge gilt es dabei zu beachten: Erstens ist eine Übertragung des gesetzlichen Mindesturlaubs aus Arbeitsschutzgründen unzulässig. Bei einer 5-Tage-Woche sind mindestens 20 Urlaubstage pro Jahr verpflichtend. Zweitens dürfen Überstunden nur gespendet werden, wenn sie nicht unter Verstoß gegen die tägliche Höchstarbeitszeit entstanden sind. Das Gesetz sieht das so: Die werktägliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer darf acht Stunden nicht überschreiten. Sie kann jedoch auf bis zu zehn Stunden verlängert werden, wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden.
„Bei einer 5-Tage-Woche sind mindestens 20 Urlaubstage pro Jahr verpflichtend.“
In der Praxis rät Karina Bischoff zu einer schriftlichen Vereinbarung, die die Spende von Urlaubstagen beziehungsweise Überstunden ausdrücklich vorsieht. Diese Übereinkunft sollte laut der Arbeitsrechtlerin einige Regelungen unbedingt enthalten: So solle der Zwecks des Verzichts festgehalten werden, um somit eine Anhäufung von Urlaubsguthaben zu vermeiden, das bei vorzeitiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgezahlt werden muss. Außerdem soll der Empfänger der übertragenen Urlaubstage beziehungsweise Überstunden benannt werden. Eine Erklärung der Arbeitnehmerin beziehungsweise des Arbeitnehmers, auf welchen Anteil des übergesetzlichen Urlaubsanspruchs beziehungsweise des Anspruchs auf Überstundenabgeltung sie oder er konkret verzichteten möchte, sei ebenfalls empfehlenswert.
Übrigens: Urlaubstage oder Überstunden lassen sich in dem Rahmen natürlich auch entlang anderer Gründe übertragen. So auch an Kolleginnen und Kollegen, die ein Familienmitglied zu pflegen haben.