Eine Laserkanone auf zwei Rädern: Das Vanmoof Electrified S im Test

Das Vanmoof Electrified S gilt als „Tesla unter den E-Bikes“. (Foto: © Johannes Schuba)
Als Kind habe ich das Fahrradfahren gehasst. Ich habe es gehasst, meinen Eltern bei brütender Hitze auf kilometerlangen Radtouren entlang von Wäldern und Autobahnen hinterherstrampeln zu müssen. Ich habe es gehasst, meinen klapprigen Drahtesel mit Dreigang-Schaltung die Hügel hoch zu wuchten. Und ich habe es gehasst, wenn mir der gnadenlose Gegenwind mit kichernder Stimme zurief: Bengel, dir mache ich heute die Hölle heiß! Manchmal habe ich aus Protest dann mit aller Wut zurückgeblasen.
Das steckt im Vanmoof Electrified S
Dass ich 20 Jahre später noch mal so etwas wie Genugtuung empfinden würde, hätte ich nicht gedacht. Aber das Vanmoof Electrified S hat sie mir tatsächlich verschafft: Das E-Bike des niederländischen Fahrrad-Startups wurde mir eine Woche lang für eine Testfahrt überlassen. Lange hatte ich nicht mehr so viel Spaß beim Radfahren, auch, wenn unterm Strich nicht alles perfekt war. Aber dazu später mehr.

Das Vanmoof Electrified S kommt mit einem ungewöhnlichen Design daher. (Foto: © Johannes Schuba)
Beginnen wir mit den Basics: Das Vanmoof Electrified S ist keine Massenware aus China, sondern stammt aus eigener Herstellung in Amsterdam. Schon beim ersten Anblick sticht das ungewöhnliche Design ins Auge. Das E-Bike sieht aus wie eine fahrbare Laserkanone, wozu vor allem helle Phillips-Beleuchtung an beiden Enden des Oberrohrs beiträgt. Das gefällt nicht jedem, garantiert aber neugierige Blicke. Leider lässt sich die Beleuchtung nur per App anschalten. Gerade im Notfall oder bei verlegtem Smartphone ist das ungünstig. Den nötigen Saft zieht sich die Beleuchtung aus einem unsichtbar im Oberrohr verbauten 418-Wattstunden-Akku.
Ohnehin fällt kaum auf, dass es sich hier um ein E-Bike handelt: Sowohl Akku als auch Motor (250 Watt) sind unauffällig im eloxierten Alurahmen beziehungsweise in der Frontnabe untergebracht. Auf dem Oberrohr ist ein Touch-Display integriert, das den Ladestand und die Fahrstufe anzeigt. Außerdem lässt sich durch Berühren des Displays das Schloss entsperren. Am unteren Teil des Rads befindet sich eine Tasche, in der das robuste Kettenschloss von Vanmoof verstaut werden kann.

Das Kettenschloss lässt sich in einem Fach am Rahmen des E-Bikes verstauen. (Foto: © Johannes Schuba)
Über eine erkennbare Gangschaltung verfügt das Rad ebenfalls nicht. Stattdessen schaltet das Vanmoof Electrified S automatisch in den zweiten Gang, wenn eine Geschwindigkeit zwischen 15 und 20 Kilometern pro Stunde erreicht wird. Die Inbetriebnahme des Rades fällt leicht – wenn man von den Spezialschrauben absieht. Die sind zwar gut gegen Diebe, machen eine Anpassung des Sattels unterwegs aber unmöglich, wenn man das mitgelieferte Werkzeug nicht dabei hat.
Superheld an der Ampel
Im Fahrtest macht das Vanmoof Electrified S dagegen eine durchweg beeindruckende Figur. Neben der gewöhnlichen Tretunterstützung liegt die Besonderheit vor allem in einem unscheinbaren Knopf am linken Lenkerende. Dahinter verbirgt sich ein Turbo-Modus, der das Rad in wenigen Sekunden auf bis zu 32 Kilometer pro Stunde beschleunigt. Lästige Steigungen und sogar heftige Gegenwinde bewältigt man so mühelos und ohne dabei auch nur einen Tropfen Schweiß abzusondern.

Vanmoof Electrified S: Der Turbo-Knopf unterhalb der Klingel ist das Highlight am Rad. (Foto: © Johannes Schuba)
Richtig großen Spaß bereitet der Turbo-Knopf zudem an Ampeln: Springt die Leuchte auf Grün, katapultiert der Motor den Fahrer innerhalb von Sekunden nach vorne – und lässt andere Radfahrer mit neidischen Blicken hinter sich.
Allerdings gibt es beim Turbo-Knopf eine Einschränkung: In Europa ist die maximal zulässige Höchstgeschwindigkeit auf 25 Kilometer pro Stunde begrenzt. Alles darüber hinaus bewegt sich außerhalb der geltenden Straßenverkehrsordnung. Zwar lässt sich das Tempolimit in der Vanmoof-App problemlos auf US-Norm umstellen. Erwischen lassen sollte man sich damit aber lieber nicht.
Die Reichweite gibt der Hersteller je nach Leistungsstufe mit bis zu 120 Kilometern an. In unserem Test kamen wir bei sportlicher Fahrweise mit großer Motorunterstützung circa vier Tage ohne Ladebuchse aus. Die durchschnittliche Kilometerzahl pro Tag betrug ungefähr 15 Kilometer. Ein ordentlicher Wert für ein ein Stadtrad.
Ein großer Nachteil sind aber die fehlenden Federungen am Rad: Zwar hat Vanmoof so lästige Extrakilos an Gewicht eingespart – insgesamt wiegt das Modell rund 19 Kilogramm –, dafür eignet es sich nur für das Fahren auf befestigten Wegen. Kopfsteinpflaster oder unebene Waldpfade werden dagegen schnell ungemütlich.
Was kann die App für das Vanmoof Electrified S?

Mit der App lässt sich das E-Bike konfigurieren und auch entsperren. (Foto: © Johannes Schuba)
Das Vanmoof Electrified S wäre trotz der Technik und dem modernen Design aber wohl immer noch ein normales E-Bike, wenn es da nicht noch die App gäbe. Denn darauf ist das Rad der Niederländer ausgelegt. Einmal per Bluetooth gekoppelt dient das Smartphone (iOS und Android) als Fernbedienung.
So lässt sich mithilfe der App beispielsweise das Schloss aus der Verankerung im Rahmen lösen. Das funktionierte im Test jedoch nicht immer auf Anhieb. Wegen der etwas hakeligen Bedienung waren oft mehrere Versuche nötig. Die angebliche Entsperr-Automatik per Bluetooth-Verbindung ließ das Rad außerdem zwar aufleuchten – das Schloss musste in der Regel aber trotzdem noch mal von Hand über die App geöffnet werden. Immerhin: Über die App lassen sich gleich die verschiedenen Fahrstufen für die Motorunterstützung sowie die Beleuchtung konfigurieren.
Eine recht unübersichtliche Karte zeigt an, wo sich das Rad gerade befindet. Sollte es gestohlen werden, kann man den Diebstahl über die App melden. Dann übernimmt der Hersteller das Tracking. Einmal gefunden, machen sich Mitarbeiter auf die Suche nach dem Rad und bringen es dem Besitzer wieder. Insgesamt nette Features – die mit einer besser programmierten App jedoch mehr Spaß gemacht hätten.
Preise, Verfügbarkeit und Fazit
Erwartungsgemäß ist „der Tesla unter den E-Bikes“ auch preislich in der Oberklasse angesiedelt. 2.498 Euro verlangt der Hersteller für die Grundausstattung in seinem Onlineshop. Wer noch Extras wie zum Beispiel einen passgenauen Fahrradkorb benötigt, zahlt je nach Ausführung zwischen 40 und 90 Euro obendrauf.
Bei den Farben besteht im Vergleich zum E-Auto aus Kalifornien dagegen weniger Auswahl: Zur Verfügung stehen lediglich ein klassisches Schwarz sowie ein industrielles Grau. In Weiß ist das Vanmoof Electrified S derzeit leider nicht mehr erhältlich. Eine entsprechende Sonderedition ist vergriffen.
Ansonsten kann ähnlich wie bei Apple-Produkten ein sogenanntes „Peace of Mind”-Paket hinzugebucht werden, das Radinhabern einen verlängerten Garantiezeitraum gewährt. Der Service kostet je nach Laufzeit (bis zu drei Jahre) zwischen 100 Euro und 240 Euro.

Das Vanmoof Electrified S verfügt über eine diebstahlsichere Tracking-Technik. (Foto: © Johannes Schuba)
Wer also ein pfeilschnelles und technisch anspruchsvolles E-Bike sucht und Gefallen am Design findet, kommt mit dem Vanmoof Electrified S voll auf seine Kosten. Vor allem der Turbo-Knopf an der linken Lenkerseite sorgt für viel Fahrspaß – dass angeblich „Suchtgefahr“ besteht, wie Vanmoof auf seiner Website warnt, ist definitiv keine hohle Phrase. Vor allem in Großstädten mit vielen Ampelphasen macht sich das Feature bezahlt. Die Steuerung per App sorgt letztlich für den nötigen Hipster-Faktor.
Wer dagegen ein bequemes E-Bike speziell für längere Touren außerhalb des Stadtgebiets sucht, ist mit dem Vanmoof Electrified S weniger gut beraten. Dafür bieten Sattel und der sportliche Lenker schlichtweg zu wenig Komfort. Räder in der Preisklasse zwischen 1.500 und 2.000 Euro könnten hier die bessere Wahl sein.
Lohnenswert könnte übrigens auch noch etwas Wartezeit sein: Erst vor wenigen Wochen hat Vanmoof überarbeitete Modelle vorgestellt. Gleichzeitig hat der Hersteller ein monatlich kündbares Abonnement für einen Teil seiner smarten Räder ins Sortiment genommen. Ende des Jahres soll es das auch für die E-Modelle geben. Dann gibt es Momente wie neulich an der Ampel für weniger Geld und weniger Risiko.
- Obike: Fahrrad-Startup hinterlässt Schulden und tausende gelbe Räder
- Mit dem Rad zur Arbeit: Wenn ihr diese Fotos seht, lasst ihr euer Auto stehen
2500 Euro für ein Rad? Das ist nicht einmal die Einsteigerklasse. Soviel kostet schon eine anständige Gabel. ^^
Wir reden hier von einem Stadtrad. Nicht von einem Mountain-Bike :)
Als hättet Ihr Ahnung von Fahrrädern
Schade, dass das Rad nicht für Rentner geeignet ist. Der Umgang mit einer App ist schließlich für Menschen, die aus Alter- oder sonstigen Gründen aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sind zu anspruchsvoll.
Ich halte die Gleichung „Rentner = Vollidiot“ für falsch und das so vermittelte Rentnerbild für voll daneben, Herr Hüfner.
(Ist schon klar: wollten natürlich keinem zu nahe treten … bla bla. Sind Sie aber. )
Hallo Ebi,
ein berechtigter Einwand. Ich sehe ein, dass die Formulierung unglücklich gewählt war. Ich habe sie deshalb mal angepasst. Vielen Dank für das Feedback und beste Grüße!
Daniel
Absolut, Steve Jobs wäre auch bald Rentner geworden, Bill Gates ist 63.
Schön, dass Sie es korrigiert haben.
Vanmoof ist kein Startup….
… und das Bild vom Turbo-Knopf ist Seitenverkehrt …