Verdrehte Datenwelt: Trojaner, Trennung, Transparenz
Datenschutz ist ein Thema, mit dem man hierzulande gern hausieren geht und reichlich breitbeinig alle Welt glauben machen will, dass wir die Sachen hier aber so was von vorbildlich im Griff haben, dass man es sich andernorts dringend abschauen sollte. Und tatsächlich: die Datenschützer sind äußerst eifrige Gesellen:innen, denen niemand gerne in die Quere kommt. Deshalb entscheidet sich beispielsweise die Politik bei einer Corona-Warn-App für den Datenschutz und gegen die konsequente Pandemiebekämpfung. Deshalb werden Schulkinder vor funktionierenden Lösungen für die Digitalisierung des Unterrichts und müssen sich aus reichlich eigentümlichen Gründen mit noch eigentümlicheren handgestrickten Software-Imitaten abraufen.
Umso erstaunlicher, dass all die lautstarken Datenschutz-Fans plötzlich ganz leise waren, als es diese Woche mal richtig ans Eingemachte ging. Der Staatstrojaner wurde für Bundespolizei sowie alle 19 Nachrichtendienste in Deutschland über die Rampe geschoben. Ein Stück Software, das in Sachen Datenschutz etwa so vertrauenswürdig ist wie ein Labrador bei der Bewachung eines Wiener Würstchens. Gerade in einem Land, das in Sachen Digitalisierung echten Aufholbedarf hat, macht sich zusätzliche Unsicherheit natürlich besonders gut. Nicht. Bitkom hat das etwas freundlicher, aber doch unmissverständlich kommentiert: „Sicherheit und Vertrauenswürdigkeit der Telekommunikationsnetze und -dienste sind ein hohes Gut und dürfen nicht untergraben werden.“ Werden sie aber doch. Hinzu kommt: der Staatstrojaner ist potentiell auch Vorhut für illegale Verwandte. Entwickler nutzen in beiden Fällen bekannte (aber noch nicht behobene) oder eben neu entdeckte Schwachstellen offensiv aus. Etwas vereinfacht gesagt gefährdet der Staatstrojaner auf gewisse Weise auch die IT-Sicherheit aller Menschen, die mit dem Programm selbst nie etwas zu tun haben. Datenschutz geht irgendwie anders.
Telegram hält sich lieber an die Hausordnung
Ob irgendwelche staatlichen Dienste bereits auf dem Telefon des inzwischen komplett aus der Spur geratenen Verschwörungsideologen Attila Hildmann mitlesen, wissen wir nicht. Was wir aber wissen: Hildmanns krude Botschaften landen zumindest derzeit erstmal nicht mehr bei den Telegram-Nutzern (so diese ihre App aus dem iOS oder Playstore haben). Der Kanal ist gesperrt. Darüber muss man nicht traurig sein. Wohl aber darüber, wie zum Teil medial mit dem Thema umgegangen wurde. Da wurde gerne mal die Hildmannsche Märchenerzählung, Google und Apple hätten ihn gesperrt, einfach so übernommen. Das aber wäre – unabhängig vom Betroffenen – wirklich bedenklich. Ist aber nicht so. Vielmehr haben die beiden Store-Betreiber den Messengeranbieter wohl recht direkt darauf hingewiesen, dass sich Attilas Buchstabenhaufen nicht so recht mit der jeweiligen Hausordnung vertragen wollen. Telegram musste befürchten, komplett aus den Stores zu fliegen und hat bei Hildmann deshalb einen Cut gemacht. Offiziell will sich dazu aber niemand so wirklich äußern. Transparenz wird an dieser Stelle ziemlich klein geschrieben.
Instagram und der Algorithmus
Für eine positive Überraschung in Sachen Transparenz hat indes im Lauf der Woche Instagram gesorgt. Ein Blogbeitrag beschäftigt sich ausgerechnet mit dem sagenumwobenen Algorithmus und erklärt, wie Inhalte auf der Facebook-eigenen Plattform gerankt, angezeigt und moderiert werden. Damit nicht genug: In Zukunft sollen Änderungen und neue Funktionen, die beeinflussen, wie Inhalte jeder einzelnen Person auf Instagram ausgespielt wird, proaktiver und transparenter kommuniziert werden, verspricht Instagram. Tatsächlich erklärt der Blogbeitrag sehr umfangreich, wie das Ranking bei Feed, Stories und Reels funktioniert. Überprüfbar ist das natürlich nicht wirklich. Erstaunlich ist derlei Offenheit aber dennoch.
Apple öffnet sich – irgendwie zumindest
Apropos Offenheit. Apple sorgt beim WWDC Anfang der vergangenen Woche für große Augen, als verkündet wurde, dass Facetime und Siri künftig auch auf anderen Plätzen mitspielen dürfen. Bei genauerem Hinsehen stellt sich aber heraus, dass die Mitglieder des Apple-Teams höchstens Gastspieler in anderen Mannschaften bleiben. Unter dem Strich bleibt: Apples Kernstrategie bleibt identisch. Es geht um Kontrolle im eigenen Ökosystem und die eigenen Produkt. Wenn wir ehrlich sind, klappt das alles ja auch verdammt gut.