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Vogelgrippevirus in Kuh-Rohmilch: Können sich Menschen anstecken?

Forscher:innen haben Versuchsmäusen Rohmilch von erkrankten Kühen verabreicht. Die Mäuse zeigten kurz darauf Krankheitssymptome. Was das für den Menschen bedeutet: Die FDA geht davon aus, dass pasteurisierte Milchprodukte weiter sicher für Verbraucher:innen sind.

Von Veronika Szentpétery-Kessler
4 Min.
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Das Vogelgrippevirus breitet sich gerade verstärkt unter US-Kuhherden aus. (Foto: Clara Bastian/Shutterstock)

Seit sich das Vogelgrippevirus H5N1 auch unter Kühen ausbreitet und in ihrer Milch gefunden wurde, stellt sich die Frage, ob sich Menschen beim Milchverzehr anstecken könnten. Pasteurisierte Milch gilt laut Expert:innen bisher als sicher, weil sie ausreichend lange und heiß erhitzt werde, um Erreger abzutöten. Zudem handelt es sich bei den Virusfunden in pasteurisierter Milch lediglich um Virusbruchstücke und nicht um komplette, infektiöse Viruspartikel.

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Wie aber verhält es sich mit Rohmilch von H5N1-infizierten Kühen? Diese kann durchaus funktionstüchtige Viren übertragen und krank machen, wie Forschende von der University of Wisconsin-Madison und dem Texas A&M Veterinary Medical Diagnostic Laboratory gezeigt haben. Die Wissenschaftler:innen um Lizheng Guan hatten Labormäusen Rohmilch-Tröpfchen von erkrankten Kühe in den Rachen gesprüht.

Den im Fachjournal New England Journal of Medicine veröffentlichten Ergebnissen zufolge zeigten die Nager bereits am ersten Tag Krankheitssymptome wie Lethargie und ein zerzaustes Fell. Am vierten Tag enthielten ihre Lunge und die Atemwege große Mengen des Vogelgrippevirus, während andere Organe weit weniger Erreger enthielten.

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Dritter Vogelgrippefall bei Menschen

Die ersten Vogelgrippeinfektionsfälle bei Kühen in den USA wurden im März gemeldet. Im April folgten die ersten Fälle bei landwirtschaftlichen Mitarbeiter:innen, die sich offenbar bei Kühen angesteckt hatten. Zwei von ihnen hatten bis auf eine Bindehautentzündung keine weiteren Symptome. Die Lunge des ersten Infizierten war klar und zeigte keine Infektionsanzeichen. Der dritte Betroffene hat nun als erster neben unangenehmen Augensymptomen mit wässrigem Ausfluss auch respiratorische Symptome in Form von Husten. Alle drei Patient:innen erhielten antivirale Medikamente, auch der dritte Patient erholt sich.

Obwohl das Virus bisher keine genetischen Anzeichen für eine Ausbreitung von Mensch zu Mensch gezeigt hat, überwachen die US-Gesundheitsbehörden nach Angaben der Gesundheitsbehörde National Institutes of Health (NIH) die Situation bei den Milchkühen im Rahmen der allgemeinen Pandemievorsorge.

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H5N1-Viren haben sich seit 2003 auf 23 Länder ausgebreitet. Zunächst waren vor allem Wildvögel und Geflügel betroffen, es gab allerdings auch etwa 2.600 Fälle bei Menschen, die zum Beispiel engen Kontakt zu infizierten Vögeln hatten. 1.100 der Infizierten starben, die Todesrate war also recht hoch. In den letzten Jahren hat sich unter Vögeln eine hoch pathogene Virusvariante namens „HPAI A(H5N1)“ ausgebreitet und mehr als 50 andere Tierarten infiziert („HPAI A“ steht dabei für „highly pathogenic avian influenza A virus“, auf Deutsch hochpathogene Vogelgrippe A-Virus).

Bei Rindern sind mittlerweile mindestens 52 Herden in neun US-Bundesstaaten betroffen. Die Dunkelziffer ist wahrscheinlich höher, da es keine Testpflicht für Landwirte gibt. Wenngleich diese neue Version für Menschen weit weniger ansteckend zu sein scheint, weckt die schnelle Ausbreitung bei Rindern die Sorge, dass das Virus oft genug auf den Menschen überspringen wird und sich dabei so anpasst, dass es sich schließlich auch von Mensch zu Mensch weiterverbreiten kann.

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Tötet Wärme Vogelgrippeviren in Rohmilch ab?

Zusätzlich zu den Infektionstests an den Nagern untersuchten die Wissenschaftler:innen aus den USA auch, ob zwei verschiedene Wärmebehandlungen das H5N1-Virus in Rohmilch inaktivieren können. Im ersten Fall inkubierten sie Milchproben mit hohen H5N1-Mengen bei 63 Grad für mehrere Minuten, nämlich für 5, 10, 20 und 30 Minuten. Dabei wurde das Virus nach jedem Zeitintervall so erfolgreich abgetötet, dass ihre Zahl unter die Nachweisgrenze fiel und keine aktiven Viren mehr nachgewiesen werden konnten.

Im zweiten Experiment erhitzten sie die kontaminierten Milchproben kürzer – zwischen 5 und 30 Sekunden lang – aber diesmal auf 72 Grad. Diese Bedingungen kommen den Bedingungen der industriellen Pasteurisierung näher. Bei der sogenannten Kurzzeiterhitzung wird Rohmilch für 15 bis 30 Sekunden auf 72 bis 75 Grad erhitzt und abgekühlt und man erhält Frischmilch. Bei der Hocherhitzung steigt die Temperatur ein bis vier Sekunden auf 85 bis 127 Grad, um H-Milch zu bekommen.

Bei der zweiten Versuchsreihe mit 72 Grad zeigte sich, dass die Virusmenge in der behandelten Milch nach 15 und 20 Sekunden zwar um das 50.000-Fache verringert wurde, aber nicht alle Viren zerstört wurden. „Das bedeutet, sie konnten trotzdem infektiöse Viren in dieser Milch nachweisen. Die Kurzzeitbehandlung reichte in diesem Versuch nicht aus, um bei der üblichen Pasteurisierungstemperatur alle Infektiosität zu zerstören“, sagt Timm Harder vom Institut für Virusdiagnostik am Friedrich-Loeffler-Institut in Greifswald.

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Pasteurisierung in der Industrie

Allerdings entsprächen die Laborbedingungen nicht eins zu eins den großindustriellen Pasteurisierungsverfahren, die Ergebnisse seien also noch „nicht direkt vergleichbar“. Im nächsten Schritt seien also Versuche unter Industriebedingungen nötig. Das betonen auch die Autor:innen selbst; es seien Messungen von infizierter Milch in kommerziellen Pasteurisierungsanlagen nötig. Darüber hinaus müsse allerdings auch geprüft werden, „ob Rohmilchkäse, der aus H5N1-haltiger Milch produziert wurde, infektiöse Viren enthalten könnte“, so Harder weiter.

In einem separaten Experiment untersuchten Forscher:innen darüber hinaus, wie die Lagerung bei Kühlschranktemperatur von vier Grad den Virusgehalt von infizierter Rohmilch beeinflusst. Dabei war die Viruskonzentration selbst nach fünf Wochen nur geringfügig zurückgegangen. Das deutet den Forscher:innen zufolge darauf hin, dass das Virus in Rohmilch bei Kühltemperaturen infektiös bleiben kann.

Die US-Behörde für Lebens- und Arzneimittel FDA geht davon aus, dass die kommerzielle Milchversorgung weiterhin sicher ist. Sie hat in einer ersten Untersuchung 297 Milchprodukte aus 17 Staaten getestet. Keine der Proben enthielt lebensfähige Viren. Derzeit führt die Behörde in Zusammenarbeit mit dem US-Landwirtschaftsministerium Studien zur Überprüfung der Pasteurisierung durch, Ergebnisse liegen allerdings noch nicht vor.

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