Tiktok-User löst Ansturm auf Kleinstadt aus: Warum wollen alle nach Castrop-Rauxel?
München, Lüneburg, Dresden – Schaut man sich Reisetipps zu den schönsten Städten Deutschlands an, ist Castrop-Rauxel in so gut wie keiner Liste zu finden. Denn eigentlich ist sie eine typische Stadt im Ruhrgebiet, inklusiver alter Zeche und eben hässlicher Gebäude. Dennoch zogen am 6. Oktober hunderte Menschen aus ganz Deutschland in die Stadthalle von Castrop-Rauxel, um dort den Ort als schönste Stadt zu feiern. Aber wieso?
Angefangen hat alles mit einem Video auf TikTok. Der Influencer Levi Penell erklärt, dass er eine deutschlandweite Plakatkampagne für Castrop-Rauxel geplant habe. „Grund dafür? Gibt’s nicht. Ich dachte, das wär lustig, dass wir alle auf einmal sagen, Castrop-Rauxel ist die schönste Stadt der Welt“, so der Influencer.
Mit Comic-Sans-Schrift auf grell-pinken Hintergrund wollte Penell in ganz Deutschland auf den Ort im Ruhrgebiet aufmerksam machen. Doch die ironische Plakatkampagne wird von der Plakatfirma abgelehnt. Dennoch macht die TikTok-Community beim Scherz mit – und schwärmt von Castrop-Rauxel. Penells Videos zu dem Thema haben alle über eine halbe Million Views und auch andere Creator:innen machen beim Scherz mit.
Und auch die Stadt Castrop-Rauxel bekommt von dem Hype um sich mit. Der Bürgermeister Rajko Kravanja lud Penell persönlich für den 6. Oktober ein – und seine Fans gleich mit. In dem Ratshaus, in dem es sonst nur 60 Sitze gibt, befanden sich über 400 Menschen. Vor Ort wurde der Influencer für seine Aktion zum Ehrenbotschafter von Castrop-Rauxel ernannt.
„Das hat der Stadt über einige Tage eine erhöhte Aufmerksamkeit gebracht“, erzählt die Pressesprecherin der Stadt, Nicole Fulgenzi. So könne die Aktion einige neue Fans zum Kurzbesuch motivieren. Doch Fulgenzi erwartet auch kein Wunder: „Gewerbeansiedlungen oder eine langfristige Erhöhung der touristischen Übernachtungen erwartet die Stadt hierdurch nicht.“
Warum die Kampagne so witzig ist
Und auch für die Plakatkampagne scheint es, ein gutes Ende zu geben. Eine andere Plakatfirma habe laut den Ruhr Nachrichten Penell schon angefragt. Für die Stadt ist das gleich doppelt praktisch. Denn die Kampagne ist maximal selbstironisch und witzig. Genau deswegen bleibt sie im Kopf. Das sieht auch Fulgenzi so: „Ein Stadtmarketing für eine Kommune mit dem Namen Castrop-Rauxel, das nicht mit Selbstironie und Witzen umgehen könnte, wäre fatal.“
Eine ähnliche Idee hatte auch schon eine andere Stadt im Ruhrgebiet. Hattingen, das zwischen Essen und Bochum liegt, übernahm im Jahr 2022 eine Wortpartnerschaft für das Wort „nett“. Statt mit Superlativen zu protzen, wollte die Stadt viel mehr das Image der „kleinen Schwester von Scheiße“ retten.
Für Castrop-Rauxel gibt es allerdings noch einen zweiten Glücksgriff. Denn die Stadt hat sowohl die Plakate als auch die Kampagne nicht in Auftrag gegeben. Damit ist die ganze Aktion eher eine Next-Level-Version von User-Generated-Content. Normalerweise erstellen User:innen nämlich virtuellen Content, der Unternehmen, oder in diesem Fall Städten, bei der Markenbildung hilft. Auch Castrop-Rauxel reagiert sofort, um den Hype mitzunehmen. „Das kleine Social-Media-Team der Stadt hat sich durch die Aktion von Levi Penell dazu bewogen gesehen, den Start des stadteigenen TikTok-Kanals um drei Monate vorzuziehen und auf die Aktion zu antworten“, so Fulgenzi. Denn so einfach kann eine solche Kampagne nicht nachgemacht werden.