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Analyse

Schwerer Vorwurf: Elektro-Autos bei Volkswagen nur Mittel zum Zweck

VW setzt auf hohe Volumina zu verkaufender E-Autos, um die geringere Profitabilität des einzelnen Stromers aufzufangen. Das ist zumindest die offizielle Lesart. Die Wahrheit könnte anders klingen.

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Der VW ID-3. (Foto: VW)

Eine Greenpeace-Untersuchung zeigt, dass VW-Händler eher dazu tendieren, Kunden einen Verbrenner als ein E-Auto zu verkaufen. So blockierten sie die von Konzern-Chef Herbert Diess angekündigte Antriebswende.

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Nach Auffassung der Autoren liegt das vor allem daran, dass der Verdienst des Autohauses und seiner vielfach auf Provisionsbasis arbeitenden Verkäufer beim Verbrennerverkauf schlicht deutlich höher ist. Von daher bestünden schon rein wirtschaftlich für den VW-Handel keine Anreize, die Stromer, die zudem auch noch teurer als Verbrenner sind, an den Mann oder die Frau zu bringen.

Verbrennerverkauf wirtschaftlich interessanter

Das könnte der Konzern natürlich steuern – tue es aber nicht. So fand Greenpeace heraus, dass VW weiterhin besonders reizvoll subventionierte Sondermodelle über den Handel in den Markt drückt. Stromer fänden sich in diesen Aktionen indes keine.

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So müssten die Autohäuser beim ID-3 mit einer fixen Marge von rund sechs Prozent arbeiten, während schon die Grundmarge bei Verbrennermodellen nach Händlerinformationen bei 14 Prozent liege. Aus dieser höheren Marge ergeben sich Rabattspielräume, die der Händler nutzen kann, um den Kunden zu einem Abschluss zu bewegen. Beim ID-3 gebe es diesen Spielraum nicht.

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VW ID 3 von außen
VW ID-3. (Bild: VW)

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Aber auch bei den Verkäuferprovisionen zeige sich das Problem besonders deutlich. Danach sollen die sogenannten Bruttoertragsprovisionen für rund drei Viertel aller VW-Verkäufer der wesentliche Vergütungsbestandteil sein. Die Provision errechnet sich aus der Differenz zwischen den Händleranschaffungskosten und dem Kundenverkaufspreis.

Diese Provision belohnt also jene Verkäufer, die den Kunden die geringsten preislichen Zugeständnisse machen – also mithin am geschicktesten verhandeln. Da VW für den ID-3 indes auf das sogenannte Agenturmodell setzt, bei dem der Händler nur als Mittler zwischen Kunde und Konzern auftritt, also gar keine eigenen Anschaffungskosten und die sich daraus ergebenden Spielräume hat, trage ein ID-3-Verkauf nichts zu diesem wichtigen Vergütungsteil der Verkäufer bei. Klar also, dass die eher ein Interesse daran hätten, Fahrzeuge zu veräußern, bei denen sie stärker profitieren. Laut VW gebe es eigene „Verkäufer-Prämien“ und im Rahmen dieser werde der ID-3 „überproportional gefördert.“ Das wirke sich zumindest bislang aber kaum auf die Verkaufszahlen aus.

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Auch die Autohäuser selbst profitierten kaum von E-Auto-Verkäufen, fand Greenpeace heraus. Das liege vor allem daran, dass VW den E-Auto-Verkauf nicht mit den gleichen Werkzeugen unterstütze, wie das bei Verbrennern erfolge. So gebe es für den Verbrennerbereich umfangreiche Bonusregeln, etwa für das Erreichen zuvor vereinbarter Mengenziele, den Verkauf bestimmter Ausstattungen oder die Abnahme von Vorführwagen. So kann das Autohaus durch geschicktes Agieren zumindest teilweise den Verdienst mitbestimmen. Für E-Autos gibt es – wie Greenpeace aus Händlerkreisen erfahren haben will – dagegen keine Boni. VW bestreitet das.

Nicht unwesentlich dürfte auch sein, dass ein E-Auto wesentlich geringere Folgekosten in Wartung und Verschleiß nach sich zieht. Gerade das Werkstattgeschäft ist allerdings ein wesentliches Standbein eines jeden Autohauses. Wer will dem Händler also einen Vorwurf machen, wenn er es vermeidet, ein Fahrzeug zu verkaufen, das er in der Folge kaum in seiner Werkstatt sehen wird, wenn er eines verkaufen kann, mit dem er öfter zusätzlich Geld verdient?

Unbefriedigender Kundenkontakt: Verkäufer vor Ort schlecht informiert

Zudem stellte Greenpeace fest, dass es den Verkäufern vor Ort vielfach an hinreichendem Fachwissen für eine qualifizierte E-Auto-Beratung fehlt – ein Umstand, den VW leicht durch Schulungen beheben könnte. Aus Händlerkreisen will Greenpeace erfahren haben, dass es eben daran mangele. Zwar gebe es durchaus Schulungen, diese seien jedoch zu oberflächlich und gingen weder hinreichend auf die Vorteile der E-Mobilität gegenüber Verbrennern und Plugin-Hybriden noch auf kritische Kundenfragen ein.

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56 „Mystery-Shopper“, also Testkäufer, schickte Greenpeace im November in 50 VW-Autohäuser in 38 Städten überall in der Bundesrepublik. Deren Käuferprofil hatte Greenpeace einheitlich so angelegt, dass die Interessenten idealerweise hin zu einem E-Auto, konkret dem VW ID-3, hätten beraten werden können. Tatsächlich passierte das nur in einem von 25 Fällen, wenn die Interessenten zu Gesprächsbeginn keine Präferenz geäußert hatten. Gingen die Interessenten mit der Aussage, zwischen dem Golf 8 und dem ID-3 zu schwanken, in das Gespräch, empfahlen die VW-Händler wenigstens in sieben von 25 Fällen auch tatsächlich den ID-3.

Teilweise soll den Interessenten ohne Umschweife und rundheraus vom Kauf eines E-Autos abgeraten worden sein. Teils sollen aus den Reihen der Verkäufer sogar grundsätzliche Zweifel am Konzept der E-Mobilität geäußert worden sein.

Im Schnitt jede zweite fachliche Frage der Testkäufer konnten die Verkäufer nach Greenpeace-Angaben nicht, nicht hinreichend oder nur falsch beantworten. Dabei ging es teils um ganz grundlegende Fragen, etwa jene, ob der ID-3 100 Kilometer Reichweite gewinne, wenn man ihn zwölf Stunden lang an einer Haushaltssteckdose lade.

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Steuert VW den Elektroauto-Absatz etwa absichtlich nach unten?

Für Greenpeace ergibt sich aus dem Erlebten ein Muster und eine mögliche Erklärung, die allerdings so gar nicht das Bild vom von E-Mobilität überzeugten Zukunftskonzern stützen will. Könnte es sein, dass VW gerade so viele Stromer verkaufen will, dass die EU-Vorgaben für den CO2-Ausstoß nicht überschritten, aber eben auch nicht unterschritten werden?

Für Greenpeace scheint das die plausibelste Erklärung für die aus ihrer Sicht eher verhaltene Absatzunterstützung für Stromermodelle zu sein. Die Logik dahinter ist nachvollziehbar, denn für 2020 liegt der durchschnittliche Flottengrenzwert aller Hersteller für in der EU verkaufte Neuwagen bei 95 Gramm Kohlendioxid pro Kilometer. Für den konkreten Hersteller ergeben sich abweichende Grenzwerte, die vom Gewicht der Modelle im Durchschnitt abhängen. Für VW ergibt sich im laufenden Jahr ein Schnitt von 97 Gramm CO2 pro Kilometer, die jedes verkaufte Neufahrzeug ausstoßen darf. Jedes zusätzliche ausgestoßene Gramm belegt die EU ab 2020 mit empfindlichen Strafzahlungen, nachdem sie in den Jahren 2017 bis 2019 noch ein Auge zugedrückt hatte. 95 Euro pro Gramm je Kilometer und verkauftem Auto wird die EU in Rechnung stellen.

Das dürfte VW hart treffen, denn nach Branchenschätzungen liegt der Konzern derzeit bei 102 Gramm. Durch den verstärkten Absatz an Plugin-Hybriden, die mit pauschal 50 Gramm CO2 je Kilometer angerechnet werden dürfen, könnte VW bis Jahresende noch auf 98 Gramm kommen. So scheint VW auch intern zu rechnen, denn Konzern-Chef Diess hatte zuletzt selbst davon gesprochen, nahezu eine Punktlandung schaffen zu können. Um etwa ein Gramm werde man abweichen, so Diess. Selbst diese geringe Abweichung würde Strafzahlungen in einer Größenordnung von 250 Millionen Euro nach sich ziehen.

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Umgekehrt gilt aber auch: Die Übererfüllung bringt VW keine Vorteile. Gerade in der Frühphase des Umstiegs auf Elektromobilität könnte VW betriebswirtschaftlich also eine ganz andere Rechnung an den Tag legen. Die sähe so aus, dass gerade genügend E-Autos in den Markt gebracht werden, um in etwa die EU-Grenze zu halten. Die Verbrennerverkäufe, die deutlich mehr Geld als Stromer in die VW-Kassen spülen, könnten im Gegenzug genutzt werden, um etwaige Strafzahlungen sozusagen quer zu subventionieren. Das könnte so lange die Konzern-Strategie sein, bis sich die derzeit noch höheren Produktions- und Rohstoffkosten für die Stromer auf das Verbrennerniveau gesenkt oder die Nachfrage der Kunden massiv erhöht hätte.

Für Greenpeace ist der Fall klar: Die Umweltschützer sprechen dem VW-Konzern die Ernsthaftigkeit seiner proklamierten Absicht, voll auf E-Mobilität zu setzen, ab. Das mag stimmen, könnte aber selbst dann aus den genannten wirtschaftlichen und rechtlichen Gründen kaum verwundern.

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Kantenhuber

Zuerst und vorweg: ja, ein Kauf eines Akku-Autos mit den derzeit verfügbaren Speichern ist ein verfrühter Kauf, weil die Speicher teuer und schwer sind und kurz davor stehen, durch andere, deutlich effizentere ersetzt zu werden. Die Frage ist allerdings, ob ein Upgrade überhaupt möglich ist.

Die derzeitige Flotte der Akku-Autos ist nur dazu aufgelegt worden, um die alten Schrotthuber schön zu rechnen. Wirklich ernsthafte Bemühungen, diese Autos als Quasiersatz für die Verbrenner heute bekannter Bautypen zu etablieren, gibt es nicht. Außerdem steht im Raum, ob Autos, so wie sie heute als Universaltransportmittel für Familien und pseudoberufliche Nutzer gebaut werden, für den urbanen Raum überhaupt noch tragbar sind. Oder ganz andere Typen auftauchen – Stichwort Micromobility.

Die Autoindustrie weiß zwar, dass ihre alte Erfolgsstrategie auf nächste Sicht terminiert ist, aber es ist einfach extrem schwierig, von einem alten Erfolgsmodell zu einem neuen zu konvertieren.

Im Grunde wiederholt sich hier das gleiche Schauspiel, wie schon bei der Fotoindustrie zu besichtigen war und ist: der s. g. Kodak-Effekt steht unmittelbar bevor.

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Stromerfahrer

Von welchen deutlich effizienteren Speichern, die kurz bevor stehen sprechen Sie?

Der running gag „Revolutionäre neue Akkutechnologie kurz vor der Marktreife“ ist fast so alt wie die Li-Ion Technologie selbst.
Nur hat es bisher kein einziger „Durchbruch“ auch das Labor verlassen.

Darauf zu warten ist nun wirklich grotesk. Da kann man ja gleich sagen „Ja, ich will mir unbedingt ein Elektroauto zulegen, ich warte nur noch darauf endlich das Geld dafür im Lotto zu gewinnen“

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Stromerfahrer

Völlig irrelevant.

Wer sich ein Elektroauto zulegen will, hat sich hoffentlich gut darüber informiert, bevor er im Autohaus auftaucht.

Wenn Händler unsicheren Käufern Elektroautos „aufschwatzen“ würden, würde das nur zu einer Vielzahl unzufriedener Nutzer führen.

Das würde dem Image der Stromer und damit dem Umstieg insgesamt eher schaden als nützen.

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