
Volkswagen kauft damit ein Unternehmen zurück, das der Konzern erst 2006 abgestoßen hatte, weil es seinerzeit nicht mehr zur Kernstrategie des Konzerns gepasst hatte. Mit dem Wechsel zur Elektromobilität und der wachsenden Bedeutung des Konzeptes vom Nutzen statt Kaufen hat sich diese Einschätzung ins Gegenteil gekehrt. Immer mehr Menschen nutzen Abo-Modelle oder Carsharing-Dienste anstelle des Eigentumserwerbs an einem Fahrzeug.
VW braucht breite Mobilitätsplattform, Europcar braucht Perspektiven
Damit wird Europcar für VW potenziell sogar sehr nützlich, wie VW-Chef Herbert Diess anlässlich der Übernahme am Mittwochabend erklärte: „Mit ihrem modernen Flottenmanagement und dem breiten Stationsnetz wird Europcar dazu beitragen, dass Volkswagen seine ambitionierten Ziele für den Ausbau von Mobilitätsdiensten schneller erreicht.“
Schon bislang mischt VW im Markt des Sharings mit. Carsharing bietet die Marke Weshare und Mitfahrdienste bietet die Tochter Moia an. Dieser Geschäftszweig soll deutlich ausgeweitet werden. Europcar scheint sich mit seinem breiten Flächennetz von über 3.500 Mietstationen in mehr als 140 Ländern für VW als ideale Ausgangsbasis darzustellen. Dazu Diess: „Der Mobilitätsmarkt verändert sich rasant. Kundinnen und Kunden wünschen sich zunehmend neue, innovative On-Demand-Mobilitätslösungen, beispielsweise Abo- oder Sharing-Modelle – als Alternative zum eigenen Auto. Deswegen ist der Aufbau einer führenden Mobilitätsplattform ein wichtiger Eckpfeiler unserer kürzlich vorgestellten New-Auto-Strategie bis 2030.“ Damit ist klar, dass Europcar vor einem drastischen Umbau steht. Denn das klassische Geschäft einer Autovermietung ist nicht, was dem VW-Konzernchef vorschwebt.
Für Europcar kommt die Übernahme zur rechten Zeit. Die Auswirkungen der Corona-Pandemie hatten das Unternehmen an den Rand des Bankrotts gebracht. Ohne Notkredite der Staaten Spanien und Frankreich wäre Europcar wohl nicht zu retten gewesen. Zusätzlich sah sich der Vermieter gezwungen, seine Flotte nahezu zu halbieren. Zudem musste das Unternehmen den Ausstieg des Großaktionärs Eurazeo verkraften.
Green Mobility Holding wird neuer Eigentümer
Schon länger hatte VW versucht, einen Weg der Rückübernahme des Vermieters zu finden. Jetzt konnte sich der Konzern im Rahmen eines Konsortiums mit dem Vermögensverwalter Attestor und dem niederländischen VW-Großimporteur Pon Holdings durchsetzen. Europcar geht so nicht direkt in den VW-Konzern ein. Vielmehr haben die Konsortialpartner die Green Mobility Holding gegründet, unter dessen Dach der gebeutelte Autovermieter künftig betrieben werden soll und innerhalb der der VW-Konzern die Mehrheit hält. Sowohl die Gremien von Europcar als auch der VW-Aufsichtsrat haben der Übernahme bereits zugestimmt.
Nun müssen die Europcar-Aktionäre das Kaufangebot der Green Mobility Holding noch annehmen. Sobald 90 Prozent der Aktionäre das Angebot angenommen haben, steigt der Preis pro Aktie auf 51 Cent. Die Börse hat am Mittwochabend bereits mit einem Anstieg auf 50 Cent pro Aktie reagiert.