Warum Forscherteams Mäuse mit zwei Vätern erschaffen

Spermien auf dem Weg zu ihrem Ziel. (Foto: Christoph Burgstedt/ Shutterstock.com)
Forscher:innen von der Chinesischen Akademie der Wissenschaften in Peking haben mithilfe des Geneditierwerkzeugs CRISPR Mäuse mit zwei Vätern erzeugt, die bis zum Erwachsenenalter überlebt haben. Zhi-Kun Li und Kolleg:innen nutzten dabei einen neuartigen Ansatz, um auszugleichen, dass Gene normalerweise sowohl von männlichen als auch von weiblichen Eltern geerbt werden müssen. Sie hoffen, mit demselben Ansatz auch Primaten mit zwei Vätern erzeugen zu können.
Die Arbeit hilft dabei, ein seltsames biologisches Phänomen besser zu verstehen, das als – elterliche – Prägung (Imprinting) bekannt ist. Darunter versteht man, dass bestimmte Gene epigenetische Markierungen besitzen, die wie ein Etikett bewirken, ob die mütterliche oder väterliche Version aktiv ist, also abgelesen wird. Die jeweils andere Version ist dann entsprechend abgeschaltet. Epigenetisch bedeutet, dass die Markierung – eine kleine Methylgruppe – auf das Gen draufgesetzt ist. Die Basenabfolge selbst wird also nicht verändert. Tiere und Menschen erben von jedem Elternteil geprägte Gene, und beide Sets müssen harmonisch zusammenwirken, damit sich ein gesunder Embryo entwickelt.
Versuche in den 1980er Jahren, Mäuse mit zwei Vätern zu erzeugen
Liegen nicht beide Sets an geprägten Genen vor, kann das Ablesen schieflaufen, und die entstehenden Embryonen entwickeln Anomalien. Das haben Forscher:innen bei früheren Versuchen festgestellt, bei denen sie Mäuse mit zwei Vätern erzeugen wollten. In den Achtzigerjahren versuchten Wissenschaftler:innen im Vereinigten Königreich, den DNA-haltigen Kern einer Samenzelle in eine befruchtete Eizelle zu injizieren. Die daraus resultierenden Embryonen enthielten die DNA von zwei Männchen (sowie eine kleine Menge DNA von einem Weibchen im Zytoplasma der Eizelle).
Als diese Embryonen jedoch in die Gebärmütter von Leihmäusen eingesetzt wurden, endete keine der Schwangerschaften in einer gesunden Geburt, offenbar weil für die Entwicklung sowohl väterliche als auch mütterliche Gene benötigt werden.
Li und seine Kolleg:innen wählten deshalb einen anderen Ansatz. Das Team setzte ein Geneditierverfahren ein, um gezielt geprägte Gene, die eigentlich angeschaltet wären, doch abzuschalten. Etwa 200 Gene einer Maus sind geprägt, aber Lis Team konzentrierte sich auf 20, die in früheren Experimenten unter anderem mit zu starkem Organwachstum in Verbindung gebracht worden waren. Diese Fehlentwicklungen hatten sich als tödlich erwiesen.
Geneditierwerkzeug CRISPR kommt zum Einsatz
Um gesunde Mäuse mit der DNA von zwei männlichen „Vätern“ zu erzeugen, unternahm das Team eine Reihe komplizierter Experimente. Zunächst programmierte es Spermienzellen zu embryonalen Stammzellen um. Dann verwendeten sie das Geneditierwerkzeug CRISPR, um in ihnen die 20 geprägten Gene abzuschalten.
Diese gentechnisch veränderten Zellen injizierten sie dann zusammen mit unveränderten Spermienzellen in Eizellen, deren eigener Zellkerne entfernt worden waren. Das Ergebnis waren embryonale Zellen mit der DNA von zwei männlichen Mäusen. Diese Zellen wurden dann in eine sogenannte Embryohülle injiziert, die für die Bildung des Mutterkuchens (Plazenta) erforderliche Zellen liefert. Damit glichen sie das Fehlen von Genen aus, die sonst von der Mutter geerbt sind. Die so entstandenen Embryonen wurden in die Gebärmutter von weiblichen Mäusen übertragen.
Das hat bis zu einem gewissen Grad funktioniert. Einige der Embryonen entwickelten sich zu lebenden Jungtieren, die sogar bis zum Erwachsenenalter überlebten. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift Cell Stem Cell veröffentlicht.
Anderer Weg, zu Mäusen mit zwei Vätern zu gelangen
„Es ist aufregend“, sagt Kotaro Sasaki, ein Entwicklungsbiologe an der Universität von Pennsylvania, der nicht an der Arbeit beteiligt war. Li und seinem Team ist es nicht nur gelungen, eine Reihe von Imprinting-Fehlern zu vermeiden, sondern ihr Ansatz ist bereits der zweite Weg, den Wissenschaftler:innen gefunden haben, um Mäuse mit der DNA von zwei Männchen zu erzeugen.
Die Ergebnisse bauen auf den Forschungen von Katsuhiko Hayashi und Kollegen von der Universität Osaka auf. Vor einigen Jahren präsentierte das Team Beweise dafür, dass es einen Weg gefunden hatte, Zellen aus den Schwänzen erwachsener Mausböcke zu entnehmen und sie zu unreifen Eizellen umzuprogrammieren. Diese können mit Spermien befruchtet werden, um bipaternale Embryonen zu erzeugen. Die anschließend geborenen Mäuse können das Erwachsenenalter erreichen und eigene Nachkommen zeugen, so Hayashi.
Der kompliziertere Ansatz des Teams von Li war weniger erfolgreich. Zunächst einmal überlebte nur ein kleiner Teil der Mäuse. Das Team transferierte 164 genveränderte Embryonen, aber nur sieben lebende Mäuse wurden geboren. Und die, die geboren wurden, waren auch nicht ganz normal. Sie wurden größer als die unbehandelten Mäuse, und ihre Organe erschienen vergrößert. Sie lebten nicht so lange wie normale Mäuse, und sie waren unfruchtbar.
Übertragung der Technologie für den Menschen ist nicht machbar
Es wäre unethisch, solch riskante Forschung mit menschlichen Zellen und Embryonen zu betreiben. „Die Bearbeitung von 20 geprägten Genen beim Menschen wäre nicht akzeptabel, und die Erzeugung von Individuen, die nicht gesund oder lebensfähig sein könnten, ist einfach keine Option“, sagt Li.
„Es gibt zahlreiche Probleme“, sagt Sasaki. Zunächst einmal sind viele der technischen Laborverfahren, die das Team verwendet hat, für menschliche Zellen noch nicht etabliert. Aber selbst wenn sie es existierten, wäre dieser Ansatz gefährlich – das Ausschalten menschlicher Gene könnte ungeahnte gesundheitliche Folgen haben. „Es gibt jede Menge Hürden“, sagt er. „Die Anwendung beim Menschen ist noch in weiter Ferne.“
Trotzdem könnte die Arbeit ein wenig mehr Licht auf das mysteriöse Phänomen der Prägung werfen. Frühere Forschungen haben gezeigt, dass Mäuse mit zwei Müttern kleiner erscheinen und länger leben als erwartet, während die aktuelle Studie zeigt, dass Mäuse mit zwei Vätern zu groß werden und schneller sterben. Vielleicht fördern väterlich geprägte Gene das Wachstum und mütterlich geprägte Gene begrenzen es, und die Tiere brauchen beide, um eine gesunde Größe zu erreichen, sagt Sasaki.