
Die deutschen Bahnstrecken sind in einem weit geringeren Maße elektrifiziert als es die Öffentlichkeitsarbeit der Bahn suggerieren will. Immer noch 39 Prozent aller Strecken müssen mit anderen Antrieben abgedeckt werden. Dabei kommen in der Regel Diesel-Triebwagen und Lokomotiven zum Einsatz.
Das Bundesverkehrsministerium will weitere neun Prozent bis 2035 elektrifizieren, doch abseits der Absichtserklärung tut sich nur wenig. Damit liegt Deutschland im europäischen Vergleich hinter vielen Ländern, allen voran der Schweiz, die trotz herausfordernder Topografie ausschließlich elektrifizierte Strecken unterhält. Auch Belgien und Schweden liegen sehr deutlich vorn.

Die Elektrifizierung der Bahnstrecken in Deutschland verläuft extrem schleppend. (Quelle: Allianz pro Schiene)
Bei nüchterner Betrachtung muss es in Deutschland demnach Initiativen geben, die abseits von Diesel, aber auch abseits elektrischer Oberleitungen funktionieren. Wie beim Straßenverkehr bieten sich dazu batterieelektrische Triebwagen und solche, die Wasserstoff in Brennstoffzellen in Energie umsetzen, an.
Dabei könne es keine eindeutige Entscheidung für die Batterie-Technologie geben, erläutert Alstom-Ingenieur Andreas Frixen im Podcast „Wieder was gelernt“ von N-TV. Denn die deutschen Strecken und Topografien eigneten sich teils schlicht nicht für batterieelektrische Lösungen.
Alstom ist ein französischer Zugbauer, der bislang gute Geschäfte mit der Herstellung von Diesel-Triebwagen für die vielen nicht-elektrifizierten Strecken weltweit gemacht hat. Sein Flaggschiff, den Triebwagen Coradia Lint, hat das Unternehmen auf Wasserstoff umgerüstet.
Nach der ersten Vorstellung der Diesel-Alternative im Jahr 2016 folgten diverse Tests. Zwischen den norddeutschen Städten Buxtehude und Cuxhaven kamen die Brennstoff-Triebwagen 2019 ganzjährig testweise im regulären Fahrplan zum Einsatz. Ab März 2022 soll diese Strecke regelhaft mit den Alstom-Wasserstoff-Triebwagen befahren werden.
Auch in anderen deutschen Bundesländern laufen Tests. Niedersachsen hat bereits 14, Hessen 27 Brennstoff-Triebwagen bestellt – je zwölf gehen nach Italien und Frankreich. Mit einer Betankung soll die Alstom-Lösung 1.000 Kilometer Reichweite bieten. Die erforderlichen Tankstellen sollen nach Alstom-Vorstellungen so ausgebaut werden, dass auch Busse, Lkw und Pkw betankt werden können. So könnten regionale Wasserstoff-Konzepte sinnvoll unterstützt werden.
Wettbewerb erwächst Alstom eher perspektivisch – und zwar aus dem Siemens-Konzern. Der baut nicht etwa einen vorhandenen Triebwagen um, wie Alstom es tut, sondern hat mit dem Mireo Plus H eine komplette Neuentwicklung angestoßen.

Mireo Plus H. (Bild: Siemens)
Die Siemens-Lösung will die eierlegende Wollmilchsau sein. Sie kann Energie aus der Oberleitung, aus Batteriespeichern und aus Brennstoffzellen ziehen. Die Inanspruchnahme der Energieträger soll sich im laufenden Betrieb wechseln lassen. Die Flexibilität geht indes zulasten der Reichweite. 600 Kilometer soll der Mireo Plus H abdecken können, wenn er keine Oberleitung nutzen kann.
Zwischen Tübingen und Pforzheim soll der Siemens-Zug im Jahr 2024 getestet werden. Zu diesem Zeitpunkt dürfte der Alstom-Triebwagen in vielen Regionen bereits zur Standardausstattung im Bahnverkehr gehören.
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Der Vollständigkeit halber sollte man erwähnen, dass die technologie-offene Ausschreibung für neue Nahverkehrszüge in Schleswig-Holstein im Jahr 2019 Stadler mit seinen Akku Flirt Zügen gewonnen hat. Ab Dezember 2022 werden alle Diesel-Züge damit durch Akku-Züge ersetzt. Hauptgrund ist, dass die Strecke, die ein Zug ohne Oberleitung überbrücken muss, erstaunlich kurz ist, was sich positiv auf die Akku-Größe auswirkt. Und das, obwohl in Schleswig-Holstein gerade mal 29 % der Strecken elektrifiziert sind. Hauptgrund ist, dass Akku-Züge geringere Kosten verursachen als Diesel-Züge, während Wasserstoff-Züge deutlich teurer sind.
Dies bedeutet auch, dass inzwischen die Planungen für die Wiederinbetriebnahme verschiedener anderer Strecken angepasst wurden. Nicht nur die Strecke Hamburg-Bergedorf–Geesthacht kalkuliert nun mit Akku-Zügen, sondern auch beispielsweise die Herman-Hesse-Bahn in Baden-Württemberg von Weil der Stadt nach Calw.
Der Vollständigkeit halber sollte man auch erwähnen, dass vor allen Dingen im Bau, Betrieb und Unterhalt von Neben- und Zubringerstrecken generell (auch und vor allem bei der Reaktivierung) erhebliches Effektivierungs-Potenzial aktiviert werden kann:
Nicht selbst auf kürzesten Verbindungen den für diesen Zweck überdimensionierte Nahverkehrszug sondern dem Zweck angemessenes Rollmaterial – den LEICHTZUG; wo immer technisch möglich eine dem Zweck angemessene Spurweite und Betriebsordnung – es muss keinesfalls und unumgänglich immer die Regelspur und die Eisenbahn-Betriebs-Ordnung EBO sein.
Die Schweiz und teils auch die Tschechei kombinieren seit Anbeginn der Eisenbahngeschichte die Regelspur mit schmaleren Spuren und setzen leichtgewichtige, kleine Züge und Triebwagen ein. Pakete werden vom Zusteller ja auch nicht mit deren Sattelschleppern auf breiten Straßen bis vor die Haustüre beliefert, sondern auf schmalen Straßen mit zweckdienlichen kleinen Kastenwagen. Das gab es schon, bevor die Nebenstrecken still gelegt wurden – der „UERDINGER“ lässt grüßen.
Schlussendlich im Vergleich: es lassen sich heutige Kosten für die Strecke (Einrichtung; Betrieb; Ersatzbeschaffung auf der Basis der EBO) und die Anschaffung von Rollmaterial um bis zu 55 % reduzieren. Wenn dann auch noch der E-Antrieb mit Akku und Ladestellen für das induktive Laden dazu kommt , lassen sich auch die von der (sozialen) Mobilität abgeschnittenen Gemeinden neu beleben. Belebung von Gewerbe und Tourismus und vielfältige, sehr kräftige Reduzierung des CO² sind die Folge. Räte, Bürgermeister und auch Initiativen müssen es nur wollen. Die EU und auch das Bundes-Verkehrsministerium haben das Geschehen und die Notwendigkeiten vor Ort nicht auf ihrem Schirm – ist auch nicht erstrangig ihr Ding.
Nur Mut. Es lohnt sich.
TRAMINO