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Reportage

Wettbewerbszentrale verklagt AU-Schein.de wegen fragwürdiger Krankschreibungs-Praxis

Die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs hat Klage gegen den Gründer des Startups AU-Schein.de eingereicht. Sie bezweifelt die Rechtsgültigkeit der ausgestellten Atteste und macht unzulässige Werbung für Fernbehandlungen geltend.

Von Dieter Petereit
2 Min.
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AU per Whatsapp? Die Wettbewerbszentrale hat Bedenken. (Foto: Shutterstock)

Es sind im Wesentlichen zwei Vorwürfe, die die Wettbewerbszentrale dem Startup macht. Zum einen verspreche AU-Schein.de einen „100 Prozent gültigen AU-Schein“, zum anderen mache das Unternehmen Werbung für Fernbehandlungen, was nach § 9 des Heilmittelwerbegesetzes (HWG) unzulässig sei.

Klagegrund #1: Die Gültigkeit der AU darf nicht garantiert werden

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Hinsichtlich der Frage, ob das über AU-Schein.de erstellte Attest Gültigkeit besitzt, stehen gerichtliche Entscheidungen noch aus. Hier ist nicht die Frage, ob die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) des Startup-Arztes generell gilt, sondern ob sie im konkreten Krankheitsfall, der sich zu einem Streit zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber ausweitet, vor dem Arbeitsgericht Bestand haben würde. Dass ein niedergelassener Arzt eine AU ausstellen darf, ist nicht streitig.

Andererseits stellt die geltende Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie (PDF) des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) in ihrem Paragraphen 4 sehr deutlich klar, dass die Erteilung einer AU „nur auf Grund ärztlicher Untersuchungen erfolgen“ darf. Zwar gibt es keine Legaldefinition des Begriffs „ärztliche Untersuchung“, dennoch dürfte es durchaus streitig zu bewerten sein, ob eine formularisierte Patientenbefragung eine solche ärztliche Untersuchung darstellt.

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So formuliert die Wettbewerbszentrale hinsichtlich dieses Vorwurfes auch vorsichtig, indem sie mitteilt, es könne sein, dass in einem Rechtsstreit die Online-AU als nicht ausreichend bewertet werden würde. Käme es zu einer solchen Einschätzung, hätte der Arbeitnehmer unentschuldigt gefehlt, was in der Regel einen Kündigungsgrund darstellt. Denkbar wäre auch der Vorwurf eines Betrugsversuches.

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Deshalb richtet sich die Wettbewerbszentrale hier lediglich gegen das Versprechen des Startups, die AU seien zu 100 Prozent gültig. Dies könne das Unternehmen nicht verbindlich versprechen, weshalb es einen Wettbewerbsverstoß darstelle, es dennoch zu tun.

Klagegrund #2: Werbung für Fernbehandlungen ist nicht zulässig

Zudem ist die Wettbewerbszentrale der Auffassung, dass das Angebot der Versendung von AU per WhatsApp oder Postbrief eine unzulässige Werbung für die Durchführung von Fernbehandlungen darstelle. Zwar sind die Voraussetzungen für Fernbehandlungen gelockert worden, das Werbeverbot wurde indes beibehalten.

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In § 9 Heilmittelwerbegesetz (HWG) heißt es wörtlich: „Unzulässig ist eine Werbung für die Erkennung oder Behandlung von Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhaften Beschwerden, die nicht auf eigener Wahrnehmung an dem zu behandelnden Menschen oder Tier beruht (Fernbehandlung).“

In diesem Fall wird das Gericht entscheiden müssen, ob sie das Angebot auf AU-Schein.de als Werbung einstuft, wovon indes auszugehen ist. Immerhin hat die Wettbewerbszentrale bereits ein fast identisch gelagertes Verfahren gegen die Versicherung Ottonova und ihre Kooperation mit den Schweizer Eedoctors vor dem Landgericht München gewonnen. Auch in diesem Fall wurde mit der Krankschreiben per App geworben.

Im Unterschied zu AU-Schein.de arbeiten die Eedoctors, allesamt Allgemein- und Notfallärzte aus der Schweiz, dabei immerhin noch mit Video-Konsultationen, können also eingeschränkt tatsächlich die Verfassung des Patienten beurteilen.

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Can Ansay, Gründer von AU-Schein.de, kann die Vorwürfe nicht nachvollziehen. Nach seiner Auffassung unterscheide sich eine von seinem Vertragsarzt ausgestellte AU nicht von der, die bei einem Arztbesuch ausgestellt würde, so Ansay gegenüber dem Spiegel. Sogar die Originalunterschrift des ausstellenden Arztes sei vorhanden. In Anbetracht der Tatsache, dass Herr Ansay angibt, Rechtsanwalt zu sein, überrascht seine Simplifizierung des Problemkomplexes durchaus etwas.

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