Der Initialzünder war ein nostalgisches Gruppenerlebnis. Genau genommen ein Whatsapp-Gruppenerlebnis. Thomas hat alte Fotos rausgekramt, die uns auf einer LAN-Party zeigen. Wir müssen so zwischen 16 und 18 Jahre alt gewesen sein. Es war die Zeit, in der ich in meinen Baggypants wohnte. Blonde Strähnen, ein paar Pickel. Wir waren Kinder vom Dorf, und dort gab es vor allem in den Wintermonaten nicht viel zu tun. Zocker-Wochenenden haben uns über die dunkle Jahreszeit gerettet. Das ist gute 20 Jahre her, wir erinnern uns zurück.
„Ich hätte Lust, das mal wieder zu machen“, schrieb ich in die Gruppe. Schnell sammelten sich die Daumen nach oben. Natürlich war der Satz nicht ernst gemeint. Mit 38 Jahren habe ich gar keine Zeit dafür. Wenn ich nicht arbeite, verbringe ich die Zeit mit meiner Frau und unserem Baby. In die wenigen Momente dazwischen passen essen gehen mit Freunden oder eine Joggingrunde im Park. Für eine LAN-Party ist die freie Zeit eigentlich viel zu kostbar. Eigentlich. Ein paar hartnäckige Freunde wollten es wissen und so kam ich da nicht mehr raus.
LAN-Party: Eine Runde über viele Stunden
Eine LAN-Party zeichnet aus, dass sie sehr, sehr lange dauert. Eine Spielrunde kann durchaus sechs Stunden in Anspruch nehmen. Für manche ist das ein ganzer Arbeitstag. In sechs Stunden könnte man viel machen. Als frisch gebackener Vater kommt mir da vor allem eines in den Sinn: schlafen. Aber genau das ist es, was auf einem Zocker-Wochenende nicht passiert. Man ist wach, die ganze Zeit. Es gibt viel Cola, eine Menge Mate. Energydrinks sind allgegenwärtig. Und Bier. Der größte Muntermacher ist jedoch das Zocken an sich.
Das Wochenende ist von langer Hand geplant. Nur wenige hatten noch einen alten Tower zu Hause, die meisten arbeiten an Macbooks, die vom Arbeitgeber gestellt sind. Für die Spiele, die wir zocken wollten, brauchte es mindestens eine Windows-Partition. Auf die Macbooks einen Torrent zu laden war unmöglich. Wir hörten uns also um: Woher kriegen wir Rechner? Haben wir noch eine ISO? Daneben die Routinefragen: Brauchen wir noch Steckdosenverteiler? Wie sieht es mit LAN-Kabeln aus? Was wird gegessen, was getrunken? Wer kauft ein?
Ich fühlte mich allein durch die Whatsapp-Gespräche schon zurückversetzt in die alten Zeiten, nur dass wir diese Fragen damals in der Raucherecke auf dem Schulhof durchgingen. Wir waren teilweise so angeheizt, dass wir sonntags von der LAN kamen und montags schon direkt die nächste planten. Für uns war heute glasklar, wir wollten die gleiche Technik aus diesen Tagen nutzen. Alexander hatte noch das Hub, das wir vor 20 Jahren öfter gesehen haben als unsere Eltern unsere Klassenarbeiten. (Unterschrieben haben wir selbst.)
Ein Spiel, auf das wir uns besonders freuten: Warcraft III Tower Defense. Der Spielverlauf kurz erklärt: Monsterhorden wandern von Punkt A zu Punkt B auf einer Karte. Entlang der Wege müssen Türme gebaut werden, die die Monsterhorden abschießen und so daran hindern, von A nach B zu kommen. Jeder Abschuss bringt Gold. Mit dem Gold kauft man teurere Türme, die noch mehr Schaden anrichten. Oder man baut die vorhandenen Türme aus. Das ist nötig, denn die Monster werden stärker. Es ist ein Wettrüsten. Jeder sucht sich einen guten Ort für die Türme.
Ein typischer Fehler in dem Spiel ist es, nur Canon-Tower zu bauen. Die richten zwar großen Schaden an. Jedoch können sie nur auf den Boden feuern. Ein Satz, der deshalb häufig fällt: „Denkt auch an Flug!“ Gemeint ist, dass wir auch alle paar Runden fliegende Monsterhorden abschießen müssen, nicht nur laufende. Wer das nicht beachtet, lässt den Gegner durch. Der Countdown geht runter: 85, 84, 83 … 60! Was so viel heißt wie: Du kannst noch 60 Monster durchlassen. Dann ist das Spiel verloren. Niemand will die schwache Flanke sein.
LAN-Klassiker Tower Defense: Pro Abschuss ein Gold
Der Abend begann früh um 18 Uhr. Das Gefühl, als wir die erste Tower-Defense-Runde aufsetzten, war genau wie damals. Die Vorfreude wurde von einem Kettengeräusch aus den Boxen der PC begleitet, das immer dann auftritt, wenn eine neue Karte an den besagten Ketten ins Sichtfeld auf dem Bildschirm heruntergelassen wird. Jeder gibt sich einen Spielernamen. Es sind die Namen von damals, die erscheinen. Den Namen „Le Crobaq“ lese ich zum ersten Mal seit Jugendjahren wieder. Ein guter Name bleibt ein Leben lang haften.
Das Spiel beginnt und die Spieler strömen aus. Da ein Canon-Tower, dort ein weiterer. Einige bauen die wesentlich günstigeren Archer-Tower und fangen an, kleine Labyrinthe auf den Wegen zu bauen, in die die Monsterhorden geleitet werden, um sie zu verlangsamen. In die Labyrinthe wird mit allem gefeuert, was da ist. Auf dem Bildschirm ploppen Zahlen auf, +1, +2, +3 – das gesammelte Gold pro Abschuss, das sofort wieder genutzt wird, um die nächsten Tower aufzubauen und so die nächste Angriffswelle zu stoppen.
Wer vorher nicht auf Klo war oder um sich herum noch Getränke oder Junkfood postiert hat, hatte nun Pech. Das Spiel wird nicht pausiert. Die erste Runde ging vier Stunden lang. Bemerkt hat das niemand. Das Gefühl danach war geradezu euphorisch. Der Puls schlug hoch, und das lag nicht am Energydrink. Man hebt die Hand von der Maus, schüttelt sie und streckt den Rücken, wertet aus, wer die meisten Abschüsse hat, wer wie oft Gold an die Mitspieler gespendet hat, wer es „verdammt noch mal einfach verkackt hat!“ (Michael).
Für mich war es nur ein kurzes Vergnügen. Arbeit und Familie haben Vorrang, und somit bin ich um 2 Uhr nachts dann doch schon nach Hause gefahren. Den 24-Stunden-Zocker-Marathon will ich mir nicht leisten. Allerdings ging es nicht ohne Lächeln auf den Lippen zurück. In der S‑Bahn haben sich dann noch drei Jugendliche neben mich gesetzt. Wir fingen an, uns zu unterhalten. (Leicht angetrunken.) Auf die Frage, wie alt ich bin, schätzte man mich jünger ein. Meine Reise in die Vergangenheit hat offenbar Spuren hinterlassen.
Für die anderen ging es noch weiter. Am nächsten Abend sind ein paar Fotos des vergangenen Tages und der Nacht davor in der Whatsapp-Gruppe gelandet. Weiter als Tower Defense sind die Jungs offenbar nicht gekommen. Die Tische sehen trotzdem nach ganzer Arbeit aus. Viele Bierflaschen stehen neben Mateflaschen. Zwischen den Kabeln liegen Heats und ein USB-Stick. Ich stelle mir vor, wie ein Lüfter angestrengt vor sich hin surrt, und komme zu dem Schluss, dass ich eigentlich schon Lust hätte, das mal wieder zu machen. Hoffentlich nicht erst in 20 Jahren.
Interessanter Artikel, aber eigentlich sind 8h etwas kurz für eine LAN-Party.
Eine LAN Party geht mindestens 2 Tage, sonst ist es ein LAN Partychen
Krass dass es fast daran scheiterte Rechner aufzutreiben. Dachte eigentlich jeder hat einen Windows PC Zuhause. Und auf der Arbeit zum Mac gezwungen zu werden würde mich ja noch mehr dazu bringen wenigstens Zuhause was brauchbares zu haben.
Zum Glück stellt es mein Arbeitgeber frei. Da ich in der Softwareentwicklung arbeite gibt es hier quasi niemanden der freiwillig einen Mac nutzen würde.
Hab die Erfahrung gemacht dass es meist umgekehrt ist. Die meisten Leute haben auf der Arbeit einen Windows-PC bzw. Notebook und dann privat einen Mac, damit sie in ihren Universum aus iPhone, iPad und MacBook bleiben können.
Ich habe beim Lesen des Artikels gelächelt, vielen Dank dafür :)
Einen, nicht unerheblichen Grund hat man vergessen, da der heut zu Tage nicht mehr zieht (ist anzunehmen). Eine LAN-Party war immer auch eine Art „Protzveranstaltung“ jener Computernerds, die nicht nur Wert auf „Motorisierung“ des PC´s legten, sondern auch auf Optik, der so genannte „Luden-PC“, Designertower, blinki-blinki, im Innenleben High End, „das beste vom besten war grade gut genug“. Das wollte man auch herzeigen. Und da heraus rührte auch, das diese LAN-Partys so zeitintensiv waren, denn niemand schleppt zum Teil 20 Kg Desktops für „guten Tag-och schade-tschüß“ durch die Gegend, lohnen mußte sich das schon. Rechner waren nicht Mangelware, Monitore waren es, wenn der Tower schon 20 Kg wog, wollte man nicht auch noch mit 10-15 Kg Röhrenmonitor rumschleppen, auch wenn er „supi-dupi“ 100 hz Black-Trinitron als Merkmal aufwies. Das ist heut zu Tage obsolet, der unscheinbarste „Taschenrechner“ kann mehr und diese Mühe, dieses Herzblut steckt heut zu Tage kaum mehr jemand in seine Geräte, das ist alles nur noch „Mittelmäßigkeit“. Da gehst in Tech-Discount, kannst die gleichen PC´s gucken gehn, die dort als Ramschware in den Regalen steht. LAN-Partys waren ein „Event der Boliden“, ähnlich des Feelings, warum heute Leute zur Formel 1 gehen, „schicke Autos gucken“ wollen. Diese Uhr kann man nicht zurückdrehen. Heut zu Tage wäre das vergleichbar mit einer Rockerbande, der man ihre „Öfen“ weggenommen hat, die nun mit „Vespa“ ankommen, mit heutigem Highlight „arbeitet auf Akku“, bar der Lächerlichkeit. Damals war´s noch „nur angucken, nich anfassen, sonst Hand ab!“
Wieso… mal wieder machen… Alle 3 Monate im Jahr eine Lan :D 36 std Lang :D Mit den ganzen Jungs von Damals völlig normal :D Damals mit 12 angefangen. Heute mit 35 genauso weiter gemacht :P
Nach 6 Stunden hat man sich doch gerade erst warm gespielt auf ner LAN, oder? :D
O ja, W3 TDs, danke für die Nostalgie! =D Zwuckel war schon nice, aber Mafarazzo habe ich geliebt. Doch irgendein n00b oder Leaver war immer dabei, der einem am Ende den Sieg gekostet hat.
Jetzt habe ich Lust auf ein ordentliches Gebattle in Battleships Crossfire.