Wie Molly Burhans den Grundbesitz der Kirche kartiert

(Bild: Shutterstock)
Als Molly Burhans mit der Kartierung des weltweiten Grundbesitzes der katholischen Kirche begann, erschien ihr die Idee so naheliegend, dass sie sicher war, dass jemand anderes bereits damit begonnen haben musste. Sie studierte damals Ökologisches Design und hatte gerade eine Einführung in Geografische Informationssysteme (GIS) erhalten. Und sie war eine gläubige Katholikin, die gerne Zeit mit Nonnen verbrachte. Beim Besuch eines Klosters mit einer riesigen ungenutzten Wiese begann sie darüber nachzudenken, wie viel Land die Kirche besitzt und wie dieses Land dem Klima helfen könnte, wenn es verantwortungsvoll bewirtschaftet würde.
„Die katholische Kirche ist der größte nicht staatliche Anbieter von Gesundheitsfürsorge, der größte nicht staatliche Anbieter von Bildung und das zweitgrößte Netzwerk für humanitäre Hilfe in der Welt – es wird nur übertroffen, wenn man alle UN-Mitgliedsorganisationen zusammenzählt“, sagt sie und spielt mit ihrer Halskette, an der ein Bild von Hildegard von Bingen hängt. „Ich dachte mir: ‚Die müssen auch das größte Naturschutznetzwerk der Welt haben. Ich werde herausfinden, wer das leitet.‘“
Dieser Text ist zuerst in der Ausgabe 8/2023 von MIT Technology Review erschienen. Hier könnt ihr die TR 8/2023 bestellen.
Seit 1901 keine Karte mehr aktualisiert
Was sie stattdessen herausfand, als sie 2014 mit ihrer Arbeit begann: Die Kirche besaß nicht nur kein solches Netzwerk; die meisten kontaktierten Pfarreien hatten noch nicht einmal Aufzeichnungen über ihren eigenen Grundbesitz – eine Folge des Alters und der dezentralen Organisation der Institution.
Das Problem reicht bis ganz nach oben. Der weltweite Landbesitz der katholischen Kirche wird auf 72 Millionen Hektar geschätzt, aber so genau weiß das niemand. Bei einer Audienz im Vatikan versuchte sie, Zugang zu Unterlagen zu bekommen, um Karten zu vervollständigen, die sie bereits mit freiwilligen Yale-Studenten aus öffentlichen Daten erstellt hatte. Dabei musste Burhans feststellen, dass seit 1901 keine der vatikanischen Karten mehr aktualisiert worden war.
Diese Lücke versucht Burhans, die heute auf die Mitte 30 zugeht und an der Columbia University in New York unterrichtet, mit ihrer Organisation GoodLands zu schließen. Sie nutzt das GIS-Programm ArcMap und maschinelles Lernen, um den kirchlichen Besitz zu kartieren, zu kategorisieren und Maßnahmen für ein verantwortungsvolles Landmanagement vorzuschlagen.
GIS ist unter anderem deshalb so mächtig, weil es verschiedene Karten zu einer Art Superkarte zusammenführt: Grundstückswerte, Wassereinzugsgebiete, Eigentumsgrenzen, Bodentypen, indigenes Land, Baumbestand, Lebensräume gefährdeter Arten und vieles mehr.
„Bei der Verbindung von menschlichen Aktivitäten und dem Planeten können Mapping und Analytik helfen, die Herausforderungen des Klimawandels zu lösen“, sagt Jack Dangermond, Gründer und Präsident des bekannten GIS-Anbieters Esri. Burhans’ Arbeit sei bemerkenswert, weil sie „diese Technologien für eine nachhaltigere Landbewirtschaftung einsetzt“.
Optionen für eine verantwortungsvolle Bewirtschaftung
Dazu identifiziert GoodLands zunächst, welche Flächen einer bestimmten Diözese gehören könnten, und ordnet sie Kategorien zu (Krankenhaus, Universität oder Exerzitienhaus; städtisch oder ländlich; flach oder bergig). Anschließend schlägt maschinelles Lernen Optionen für eine verantwortungsvolle Bewirtschaftung vor, an denen sich Priester oder Äbtissinnen orientieren können.
Wenn eine Diözese beispielsweise mit begrenzten Mitteln zur Aufforstung ihrer Region beitragen möchte, kann GoodLands mithilfe von GIS-Karten Hinweise geben, wie sie einen maximalen Nutzen für die Umwelt erzielen kann. „Wenn man 500 Bäume in einer bewaldeten Vorstadt pflanzt, hat das eine um Größenordnungen geringere Wirkung als 15 Bäume in einem Stadtviertel ohne Wald“, sagt Burhans.
Aufmerksamkeit vom Papst
Seit der Gründung von GoodLands im Jahr 2015 haben Burhans’ Aktivitäten ihr die Aufmerksamkeit des Papstes und des Weltwirtschaftsforums eingebracht sowie eine Reihe von Preisen, darunter den Young Champion of the Earth Award der UN, ein Ashoka Fellowship und den EarthCare Award des Sierra Club.
„Sie war die Einzige, die die Welt nicht in Form von Ländern sah, sondern in Form von Institutionen“, sagt Carl Steinitz, emeritierter Harvard-Professor für Landschaftsarchitektur. „Es ist eine große Idee für eine große Institution – von einer sehr jungen, intellektuell aggressiven Forscherin, mit einem enormen potenziellen Nutzen auf globaler Ebene, sowohl für den Vatikan als auch für die ganze Gesellschaft.“
„Meine ursprüngliche Vision war: ,Ich werde den Diözesen helfen, ihr Land zu kartieren und dadurch Naturschutz zu ermöglichen‘“, sagt Burhans. „Und wir werden damit beginnen, so etwas wie Nationalparks aufzubauen – aber eben katholische Parks.“
Burhans wurde als Tochter einer Informatikprofessorin und eines Krebsforschers geboren. Datenanalyse und die Sprache der Wissenschaft bildeten den Hintergrund ihrer Kindheit. Von klein auf war sie eine visuelle Denkerin, spielte mit Photoshop und Dreamweaver; mit 14 Jahren erstellte sie wissenschaftliche Grafiken, die ihr Vater in seinen Papers veröffentlichte.
(Bild: Screenshot: Catholic GeoHub / GoodLands)
Die Forschung ihres Vaters über das Altern von Nacktmullen und die Vorstellung, dass Wissenschaft die Alterung eines Tages verlangsamen oder gar umkehren könnte, brachten sie zur Religion: „Ich glaube, dass wir aus Liebe hierhergebracht wurden, und ich glaube an ein absichtsvolles Wesen, das dahinter steht.“ Dieses Wesen, so glaubte sie, sei Gott.
Keinen anderen schaden
Nachdem sie zwei Jahre lang Altgriechisch studiert hatte, um das Glaubensbekenntnis von Nicäa, eine der ältesten Formulierungen des christlichen Glaubens, übersetzen zu können, wandte sich Burhans dem Katholizismus zu. Sie hatte ihn schon als Kind kennengelernt, bevor ihre Familie den Gottesdienstbesuch einstellte, als sie sieben Jahre alt war.
Zu ihrer Mission wurde es bald, herauszufinden, wie man „in einer Gesellschaft lieben kann, in der man so gut wie nichts tun kann, ohne anderen zu schaden“. Diese Frage veranlasste sie zu einer sechsmonatigen Reise durch Guatemala, wo sie Wandmalereien schuf und ehrenamtlich in Suppenküchen arbeitete. Zurück in ihrer Heimatstadt Buffalo machte sie am Canisius College ihren Abschluss in Philosophie und Tanz.
In Buffalo verkehrte sie mit Punks, Hausbesetzern und Freigeistern, die in den vielen verlassenen Gebäuden der Stadt lebten, sie in einigen Fällen auch renovierten, und sich von weggeworfenen Lebensmitteln aus Müllcontainern ernährten. Dabei begann sie zu erkennen, was sie „die Macht des Eigentums“ nennt. Sie beteiligte sich an der Gründung eines Unternehmens namens Gro-Op, einer vertikalen Indoor-Aquaponic-Farm in einem alten Industriegebäude. Obwohl Burhans mittlerweile nicht mehr daran beteiligt ist, versorgt Gro-Op die Anwohner immer noch mitten in einer Lebensmittelwüste, in der viele nur bedingt Zugang zu Lebensmittelgeschäften haben, mit frischem Fisch und Gemüse.
Ihre Erfahrungen nahm sie mit in ein Masterprogramm für Ökologisches Design an der Conway School in Massachusetts. Dort wurde sie zum ersten Mal mit GIS vertraut gemacht, was ihr als „einer der besten Tage meines Lebens“ in Erinnerung bleiben sollte. „Es war, als hätte jemand die Art und Weise, wie mein Verstand arbeitet, in Software übertragen“, sagt sie. 2015 schloss sie ihr Studium ab und gründete GoodLands mit 7.000 US-Dollar aus ihrem Studienkredit, wobei sie die ersten Projekte pro bono übernahm und versuchte, der katholischen Führung das Potenzial ihrer Methode begreiflich zu machen.
Bedarf an Bildung und Katastrophenhilfe lokalisieren
Und GoodLands hatte eine Menge zu bieten. Kombinierte Karten von Grundstücken in katholischer Hand und von öffentlichen Schulbezirken konnten beispielsweise katholischen Organisationen zeigen, wo eine neue Schule den lokalen Bildungsbedarf am besten decken würde. In Zukunft könnte GoodLands auch Hilfsorganisationen Hinweise geben, an welchen Orten Katastrophenhilfe benötigt wird, indem es die Daten miteinander kombiniert, wo es eine Kirche gibt und wo die größte Not herrscht.
Burhans Arbeit ist politisch vielleicht noch anspruchsvoller als technisch, sagt Steinitz: „Man muss unheimlich viel graben. Man muss sich mit Orten befassen, für die es keine Karten gibt und keine Eigentumsdefinitionen. Versuchen Sie mal, das in Zentralafrika zu machen.“ Außerdem, fügt er hinzu, sei Burhans als junge Frau in der katholischen Kirche, in der ältere Männer das Sagen haben, „die totale Außenseiterin“.
Notwendigkeit des Klimaschutzes
Dennoch hat sie sich auf diesen Ebenen Anerkennung verschafft. Nicht lange, nachdem sie mit der Kartierung begonnen hatte, veröffentlichte Papst Franziskus seine bahnbrechende Enzyklika Laudato Si’, die der Klimaaktivist und Schriftsteller Bill McKibben als „das wichtigste Dokument über den Klimawandel im letzten Jahrzehnt“ bezeichnete.
Franziskus hat sich in den vergangenen Jahren den Beinamen „Klimapapst“ verdient, weil er sowohl innerhalb der Kirche als auch auf der Weltbühne eine führende Rolle bei diesem Thema spielt. So hat er bei den Vereinten Nationen vor den Staats- und Regierungschefs der Welt eindringlich auf die Notwendigkeit des Klimaschutzes hingewiesen.
Mit einem starken Gefühl gemeinsamer Werte rund um die „Sorge für unser gemeinsames Haus“ bat Burhans den Vatikan um eine offizielle Genehmigung für ihre Arbeit. 2018, nachdem sie mehrfach nach Rom gereist war, genehmigte ihr der Papst die Gründung eines Kartografie-Instituts. Das angebotene Budget war für eine Realisierung allerdings zu niedrig. Hätte Burhans das Angebot angenommen, wäre sie die erste Frau gewesen, die ein Institut irgendeiner Art im Vatikan leitet.
Begrenztes Budget und „Vorsehung“
GoodLands arbeitete immer mit einem begrenzten Budget und unter wirtschaftlicher Unsicherheit – und mit dem, was ein guter Katholik „Vorsehung“ nennen würde. In den Anfängen, als Burhans’ Softwarelizenz für Studenten auslief, hörte Esri-Chef Dangermond von ihr und spendete Software im Wert von etwa drei Millionen Dollar (gefolgt von einer Einladung, als Gastforscherin ein Team bei Esri zu leiten, als sie gerade 26 war). Und als sie auf einer Reise nach Rom so pleite war, dass sie befürchtete, vor einem Treffen mit Ministerpräsidenten und Würdenträgern auf der Straße schlafen zu müssen, lud ein Mitarbeiter des Vatikans sie zur Übernachtung in die Domus Sanctae Marthae ein – wo Papst Franziskus selbst lebt.
Die internationale Anerkennung, die sie derzeit schon erlangt hatte, hätte ihr mit ziemlicher Sicherheit irgendwann einen „richtigen Job“ in einem großen Technologiekonzern verschaffen können. Aber Burhans wurde durch Nonnen und religiöse Persönlichkeiten wie Dorothy Day geprägt – Menschen, die sich der „freiwilligen Armut“ verschrieben haben.
Trotz ihrer Bereitschaft, sich von Bohnen und Reis zu ernähren, könnte sie nun einen weiteren Akt der Vorsehung gebrauchen: Am Tag, als sie bei den Vereinten Nationen den renommiertesten Umweltpreis entgegennahm, musste sie ihre zehn Mitarbeiter entlassen, weil unerwartet eine Finanzierung ausfiel. Seitdem ist GoodLands nur noch „die Molly-Show“, ohne weitere Mitarbeiter – was sie, in Verbindung mit einer Reihe von familiären Todesfällen, Long Covid und den Folgen eines Vespa-Unfalls, deutlich ausgebremst hat.
One-Woman-Show
Dennoch hat die Nachfrage nach den Diensten von GoodLands nicht nachgelassen: Es hat derzeit Projekte „über 14 Millionen US-Dollar in der Pipeline“, sagt Burhans. Aber ohne ein gewisses Vorschusskapital, mit dem sie ein Team einstellen kann, gibt es keine Möglichkeit, all diese Projekte voranzubringen – und Burhans ist nicht bereit, sich auf Investoren einzulassen, die ihre Mission durch das Streben nach einer schnellen Rendite gefährden könnten.
Burhans ist zuversichtlich, dass sie ihr Team wieder zusammenbekommt. Anschließend will sie GoodLands von einer gemeinnützigen Organisation in ein gewinnorientiertes Beratungsunternehmen umwandeln, das sowohl mit katholischen als auch mit weltlichen Organisationen zusammenarbeiten kann. Vor Kurzem hat sie auch den Traum wiederbelebt, ein Kartografie-Institut für den Vatikan zu gründen. Burhans glaubt an das immense Potenzial der Kirche, den Klimaschutz voranzutreiben, insbesondere unter der Leitung dieses klimabewussten Papstes. „Wir brauchen eine Politik, die von dort ausgeht“, sagt sie. „Ich sollte nicht die Ein-Frau-Geospatial-Intelligence-Agency der katholischen Kirche sein.“
Wie auch immer ihr weiterer Weg aussehen mag: Burhans möchte das Engagement des Vatikans für den Klimaschutz in jedem Grundstück der Kirche verankern. „Die Vision, die so viel größer ist als ich, ist diese: Der katholische Naturschutz soll im nächsten Jahrhundert die gleiche Größenordnung erreichen wie die katholische Gesundheitsfürsorge – als das größte Netzwerk, das die Welt je gesehen hat.“
Von Whitney Bauck