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Analyse

What the Block? Wie steht es eigentlich um Blockchains?

Je nach persönlichem Interesse läuft einem der Begriff Blockchain entweder überall über den Weg oder er ist aufgrund der fehlenden Sichtbarkeit als Fußnote im Gehirn vermerkt. Wie steht es eigentlich gerade um die Technologie, die seit Jahren das nächste große Ding gilt?

Von Jake Pietras
7 Min.
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Gute Grafiken zu Blockchains sind schwer zu finden, also gibt es Blöcke mit Katzen (Grafik: Shutterstock/Oksava)

Im Groben kann man das Interesse für Blockchain in drei Gruppen aufteilen: Die einen kennen die besonderen Features und Vorteile der Blockchain-Technologie. Sie entwickeln im Idealfall eine eigene Blockchain oder nutzen sie, um ein Problem zu lösen oder eine weitere Kryptowährung zu etablieren. Auch wenn sich letztlich wahrscheinlich Bitcoin als einzige Digitalwährung durchsetzt, nachdem die volatile Spekulation mit Altcoins zu Ende sein wird. Rants und Drohungen à la „Aber meine Chainlinks / EOS / IOTA / zukünftigen Shitcoins haben großes Potenzial“ bitte in die Kommentare.

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Interessengruppe zwei ist eher passiv und bewegt sich vom Verständnis her irgendwo zwischen „Scheint was dran zu sein und vielleicht sollten wir uns das mal ansehen“ bis „Lasst uns das als Sticker auf unsere App klatschen, damit Investoren / Kunden anbeißen“. Blockchain ist einfach trendy und hält gut als Marketingmaßnahme her.

„Shut the block up!“

Blockchain als Buzzword

„Blockchain“ ist durch die inflationäre Nutzung zum Buzzword verkommen (Bild: t3n.de/Jake Pietras)

In Gruppe drei reihen sich dann alle ein, die das unkonkrete Marketing-Blabla einfach nicht mehr hören können. Ähnlich wie die Begriffe Digitale Transformation, Umweltschutz oder R&D oft nur noch Gähnen verursachen (und durch Digitalisierung, Sustainability und Innovation ersetzt werden), passiert es gerade mit Blockchain.

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Wir erleben eine Art Hype-Müdigkeit, die auch dadurch entstanden ist, dass die Technologie nicht so einfach greifbar ist, wie ein Elektroauto oder ein Smartphone. Man hat Blockchains jahrelang als eierlegende Wollmilchsäue verkauft, die zusätzlich irgendwie Soja und vegane Alternativen produzieren – um hier inklusiv zu bleiben.

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Dabei sind Blockchains eine Technologie, die immer mehr zum Einsatz kommt – und das oft, ohne dass wir es bemerken. Es ist ein bisschen wie vor einigen Jahren, als man überall von der Cloud las und die Dienste erst nach und nach schleichend Einzug in unsere Leben und die Wirtschaft fanden. Der Digital Strategist Dom Tapscott nannte in seinem Ted-Talk das, was Blockchains ermöglichen, sogar, „das zweite Internet“. Nicht zu verwechseln mit Web 2.0, sondern aus infrastruktureller Sicht. Nur ist diese Revolution noch nicht eingetreten und wird auch eher schrittweise kommen.

Was können Blockchains und was nicht?

Blockchains wurden als Allheilmittel für alle Einsatzzwecke und Branchen angepriesen, die zentrale Speicherung, Datenmanipulation und Kontrollinstanzen obsolet machen sollen. Und gleichzeitig schnelle Transaktionen, Transparenz und rechtssichere Automatisierungen mit Smart Contracts erlauben, ohne die persönlichen Identitäten der Beteiligten preiszugeben. Was nicht bedeutet, dass wir hier von kompletter Anonymität reden, aber es ist eben ein bisschen kompliziert mit der Blockchain. Klingt insgesamt also gut, richtig?

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Die Vorteile der Blockchain sind tatsächlich sehr wichtig und nützlich – wenn man sie denn wirklich braucht. Arbeite ich aber beispielsweise mit flüchtigen Echtzeitdaten, ist der Einsatz von bisherigen Blockchain-Modellen noch nicht wirklich sinnvoll. Denn warum sollte ich bestimmte Metadaten für immer speichern wollen? Das tue ich mit einer klassischen Datenbank ja auch nicht, und lösche die Einträge dort sofort oder arbeite direkt im Arbeitsspeicher (In-Memory).

Was machen Blockchains

Blockchains sind weder Weltformel noch Luftsäcke. Sie sind einfach nur komplex. (Grafik: Shutterstock/OddMary)

Dezentral heißt nicht kostenlos

Einer von vielen weiteren technischen Aspekten ist der Umstand, dass mich jede Informationsspeicherung in einer Blockchain Transaktionsgebühren kostet. Nutze ich beispielsweise das beliebte Ethereum-Framework, Ripplenet oder Stellar, kostet jede Transaktion Geld. In der Vergangenheit ist es auch passiert, dass für das Versenden von verschwindend geringen Geldbeträgen absurd hohe Transaktionsgebühren bezahlt werden mussten.

Das lag an verstopften Blockchains, um es etwas vereinfacht auszudrücken, und hatte technische eingebackene Gründe. Um solche Szenarien zu vermeiden, werden die entsprechenden Blockchain-Plattformen zwar weiter verbessert. Bestimmte Eigenschaften sind aber einfach Teil der Technologie und nicht veränderbar, ohne das ganze Prinzip ad absurdum zu führen.

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Deshalb eignet sich eine Blockchain weniger für die Arbeit mit zeitlich kritischen Informationen oder riesigen Datenbeständen (Big Data), die in Data-Lakes oder Data-Warehouses rumschwirren. Und auch die dauerhafte Speicherung der Daten könnte im Rahmen der EU-DSGVO das ein oder andere Problem darstellen.

Warum B2C-Banking verschwinden könnte

Siebt man solche Anwendungsfälle also heraus, bleiben immer noch eine Menge übrig, die vermutlich irgendwann einen Teil des prophezeiten zweiten Internets bilden werden. Für die dezentrale Speicherung von Inhalten, die lückenlose Nachverfolgung in der Logistik oder rechtlich relevante Vorgänge haben sich vor allen Dingen Finanzdienstleister der Blockchains angenommen.

Denn hier spielen die dezentralen Datenbanken ihre Stärken aus und erlauben compliance-gerechte Überweisung vom Nord- an den Südpol innerhalb von Sekunden. Und zwar für deutlich geringere Gebühren, als Banken und Zahlungsanbieter für solche Services heute nehmen. Besonders grenzüberschreitende Zahlungen sind lange Zeit sehr teuer gewesen.

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Disruption der Finanzbranche

Blockchain in der Finanzbranche

Diese Münzen sind nur symbolisch, denn Kryptowährungen sind komplett digital. (Bild: Shutterstock/Show Must Go On)

Die Banken wechselten die eigene in eine Fremdwährung mit oft maximal schlechten Wechselkursen und verlangen immer noch horrende Gebühren dafür. Quasi die Gatekeeper-Mentalität, die jetzt durch Blockchains gefährdet ist. Während Transferwise oder Revolut sehr erfolgreich mit ihren Modellen sind, Devisen zu halten, ohne Blockchains zu nutzen, ist das bei Satoshipay anders. Das Berliner Unternehmen hat neben einer Paywall-Applikation für Medieninhalte im Internet einen zweiten Service gelauncht, der Cross-Border-Payments günstiger und schneller macht.

Denkt man noch einen Schritt weiter, ist es vorstellbar, dass das Ganze durch eine einzige „Weltwährung“ standardisiert wird, was letztlich die Idee hinter Bitcoin ist. Eine solche digitale Währung hat übrigens genauso wenig oder viel Wert wie der US-Dollar, Euro, Yen oder anderes Fiatgeld. Die existieren zu mehr als 90 Prozent ohnehin nur noch in digitaler Form, was wir der Entkopplung vom Goldstandard vor einigen Jahrzehnten zu verdanken haben.

Zahlungsdienste und Youtube in der Blockchain

Intern nutzen vor allen Dingen große Banken die bereits erwähnten Ripplenet und andere Plattformen, um ihre Transaktionen teils komplexer Finanzkonstrukte zu beschleunigen. Dltledgers aus Singapur geht noch einen Schritt weiter und bietet eine Plattform, die sich für Finanzen, Logistik, Handel und eine Menge anderer B2B-Anwendungen eignen soll. Für uns Normalsterbliche etwas greifbarer gibt es aber auch dezentrale Apps (Dapps), die Alternativen zu bereits bestehenden Diensten darstellen und teils seit Jahren im Einsatz sind.

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Eine davon ist Dtube und die deduktiv Geschickten unter euch werden es erraten haben: Es handelt sich um eine dezentrale Variante von Youtube. Die Plattform funktioniert im Grunde genau wie Alphabets (damals als Google) vermutlich bester Zukauf, aber mit zwei Besonderheiten. Zum einen gibt es keinerlei Werbung, wie beim großen Vorbild Youtube, das paradoxerweise immer mehr Werbung mit immer weniger Auszahlung an die Creators schaltet.

Dtubes Idee ist eher, dass die Nutzer der Plattform mit Kryptowährung für die Inhalte zahlen, die ihnen gefallen. Zum zweiten verzichtet Dtube auf Zensur, was natürlich ein zweischneidiges Schwert ist, aber hier sehr gut funktioniert. Illegale Inhalte werden nämlich von den Nutzern gemeldet und entfernt. Und nach mehreren Jahren ist Dtube auch nicht zu einer Plattform für, sagen wir Reproduktionsfilme für Erwachsene geworden, was ihr Ferkel natürlich zunächst angenommen habt.

Die Demokratisierung von Inhalten

Dtube nutzt hier eine Art „Hilfswährung“ für Kommentare, Votings und das Hochladen von Videos und diese Währung kann dann gegen Fiatgeld getauscht werden. Der Anbieter nutzt für die Videoplattform die Steem-Blockchain, die auch bei Steemit zum Einsatz kommt. Der Dienst ist ähnlich wie Reddit eine Mischung aus Newsportal, Content-Plattform und Social Media-Netzwerk und bezahlt seine Nutzer mit Steem-Tokens. Weitere Beispiele, die die großen Plattformen demokratisieren wollen, sind Everipedia als Wikipedia-Variante oder Emusic oder Musicoin (Spotify in der Blockchain). Eine Menge anderer Anbieter von Dapps findet ihr auf State of the Dapps.

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Eher im geschäftlichen Umfeld bewegen sich wiederum Anbieter wie Circulor, die die Blockchain aufgrund der oben erwähnten Vorteile für die Nachverfolgung von Ressourcen oder in der Logistikbranche nutzen. Damit der Fairtrade-Kaffee auch wirklich bis zum Produzenten nachverfolgt werden kann und Bio- oder die von der Industrie kreierten Siegel nicht für Greenwashings genutzt werden müssen.

Anwendungsfälle für den Staat und die Wirtschaft

E-Voting als Blockchain Applikation

E-Voting als Blockchain Applikation. (Grafik: Shutterstock/TarikVision)

Vom kommerziellen Einsatz in zahlreichen Branchen, zu denen auch die deutschen Maschinenbauer und die hoffentlich bald entstehenden Smart Factorys gehören, einmal abgesehen: Auch aus bürgerlicher Sicht haben Blockchains eine Menge Potenzial. Beispielsweise beim E-Voting, das Wahlergebnisse anonym und bis auf die Stimme genau unmanipulierbar macht. Oder Identitätsmanagement, um Finanz- und Steuerbetrug zu verhindern, oder Bürgerdienste, wie sie beispielsweise Estland bereits vor 13 Jahren mit einer Blockchain umgesetzt hat.

Es gibt genug Beispiele für die sinnvolle Nutzung von Blockchains und sicherlich werden nicht alle Anbieter überleben. So langsam schlüpft die Technologie aber aus den Kinderschuhen in teils überteuerte Sneaker, um mal bei der Analogie zu bleiben: Einige Blockchain-Anbieter nutzen den Hype gerade eben, um Kapital zu sammeln, andere probieren sich aus.

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Kommt der digitale Goldrausch der 1990er wieder?

Wieder andere haben bereits ein skalierbares Modell entwickelt und bauen ganze Infrastrukturen, wie Dfinity oder Essentia als Basis für das Internet der Zukunft. Es ist also ein bisschen wie zu den Anfangszeiten des Internets, als man fünf verschiedene Suchmaschinen genutzt, Myspace mit Bildern zugepflastert hat und Filesharing noch ein schmutziger Begriff war.

Der Markt wird sich nach und nach bereinigen, die Dienste und Plattformen werden besser, ausgefeilter, schneller und zugänglicher werden. Und vorne mit dabei werden die Unternehmen sein, die das Thema heute ernst genommen und mitgestaltet haben.

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