Wissenschaftler entdecken Stern, der seinen Nachbarn verschlingt
Die Hälfte der Solarsysteme in unserer Galaxie sind Doppelsterne. Viele von ihnen umkreisen sich eng. Und es gibt auch viele Weiße Zwerge in Doppelsystemen, die ihrem Sternenpartner Material absaugen.
Die neue Entdeckung ist dennoch etwas Besonderes. Forscher:innen des Zentrums für Astrophysik Harvard & Smithsonian haben nämlich einen neuen Typen Doppelstern beobachtet, dessen Existenz bisher reine Theorie war.
Etwa 3.000 Lichtjahre entfernt, in der Konstellation Herkules, umschlingt sich ein Sternenpaar so eng, dass es für eine Umrundung nur 51 Minuten braucht – die kürzeste Umlaufperiode, die je bei solchen Sternen beobachtet wurde. Die neue Klasse von Sternen, die in der aktuellen Ausgabe der „Monthly Notices of the Royal Astronomical Society“ beschrieben wird, wurde von Kareem El-Badry, einem Postdoktoranden, mithilfe des Shane-Teleskops am Lick Observatory in Kalifornien entdeckt.
„Wir haben den ersten physikalischen Beweis einer neuen Population von Übergangsdoppelsternen beobachtet“, sagt El-Badry. „Das ist aufregend; es ist das fehlende evolutionäre Glied in Modellen zur Entstehung von Doppelsternen, nach dem wir gesucht haben.“
Deshalb sind die beiden Sterne so eng umschlungen
Bei der Analyse zeigte sich auch, wie diese ungewöhnlich enge Umlaufbahn zustande gekommen ist: Der eine Stern hat dem anderen schon so viel Gas abgesaugt, dass dessen Hülle geschrumpft und fast nur noch der dichtere Heliumkern übrig ist. Der sonnenähnliche Stern hat sich dabei fast vollständig von seiner Hülle gelöst.
„Dieser Stern hat dadurch zwar eine Temperatur vergleichbar mit der Sonne, aber durch seine heliumreiche Zusammensetzung eine 100-fach höhere Dichte“, berichtet das Team. Dadurch ist der Stern nur noch so groß wie der Jupiter, aber im Verhältnis sehr schwer. Aus diesem Grund konnte die beiden Sterne noch dichter aneinanderrücken als andere.
Den Forscher:innen zufolge handelt es sich um ein kataklysmisches Sternenpaar. „Das Universum ist einfach nicht alt genug, um diese Sterne durch normale Evolution zu erzeugen“, so El-Badry.
„Es ist ein altes Sternenpaar, bei dem einer der beiden weitergezogen ist – wenn Sterne an Altersschwäche sterben, werden sie zu weißen Zwergen –, doch dann begann dieser Überrest, seinen Begleiter zu fressen“, erklärte der MIT-Astrophysiker und Hauptautor des wissenschaftlichen Papers, Kevin Burdge, gegenüber Reuters.
„Kurz bevor der zweite seinen stellaren Lebenszyklus beenden und ein Weißer Zwerg entstehen konnte, wie es Sterne normalerweise tun – indem sie sich zu einem Sterntyp entwickeln, der als Roter Riese bezeichnet wird –, unterbrach der übrig gebliebene weiße Zwergüberrest des ersten Sterns das Ende des Lebenszyklus seines Gefährten und begann ihn langsam zu konsumieren.“
Die Umlaufbahn wird vermutlich noch kürzer
Das Forscherteam geht davon aus, dass sich die schon jetzt sehr kurze Umlaufbahn des Doppelsterns in Zukunft noch weiter verkürzen wird. Die Astronom:innen schätzen, dass in etwa 70 Millionen Jahren der vollständige Wechsel zu einem Heliumsystem vollzogen sein wird. Eine Orbitalperiode der beiden Sterne könnte dann nur noch 18 Minuten betragen.
Irgendwann werden sich die Sterne allerdings wieder voneinander entfernen, denn der ausgesaugte Stern wird sich aufgrund seines Materialverlusts vermutlich abkühlen und weiter ausdehnen. „Das System wird 300 Millionen Jahre benötigen, um dann als kataklysmische Helium-Veränderliche wieder rund 30 Minuten für einen Umlauf zu benötigen“, heißt es.