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Analyse

Worldcoin von Sam Altman: Orwellscher Albtraum oder neue Weltwährung?

Worldcoin verspricht viel: innovative Identifikationstechnik und ein digitales Grundeinkommen. Doch bei dem Projekt von OpenAI-Gründer Sam Altman bleiben viele Fragen offen.

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Der Irisscan von Worldcoin soll Menschen von KI-Bots unterscheiden. (Bild: picture alliance / REUTERS | Annegret Hilse)

Das Projekt verbindet zwei Tech-Trends: künstliche Intelligenz (KI) und Kryptowährungen. Im trüben Kryptowinter zieht Worldcoin daher viel Aufmerksamkeit auf sich. Die Gründer versprechen aber auch viel: eine zuverlässige Lösung für die Identifizierung von echten Menschen im KI-Zeitalter und ein universelles Kryptogrundeinkommen.

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Doch schon wenige Tage nachdem der Coin an großen Kryptobörsen in den Handel gestartet ist, bekommt die KI-Utopie von Gründer Sam Altman Risse. Als erstes Land der Welt hat Kenia sämtliche Aktivitäten von Worldcoin untersagt. Das Verbot bleibe so lange bestehen, bis das Ministerium feststellt, dass „keinerlei Risiken für die Allgemeinheit bestehen“, hieß es aus dem Innenministerium. Kenia ist eines der Länder, in denen Worldcoin seine Beta-Phase schon 2021 begonnen hatte.

Wie funktioniert Worldcoin?

Das Kryptoprojekt wurde von OpenAI-CEO Altman gegründet. Im Kern dreht es sich um die World-ID: laut Worldcoin eine Art „digitaler Pass“, um zu beweisen, dass der Inhaber ein echter Mensch ist und kein KI-Bot. Altman löse damit ein Problem, dass er selbst geschaffen hat, sagen Kritiker. Denn sein KI-Sprach-Modell ChatGPT ist ein Vorreiter für generative künstliche Intelligenz – und die kann auch dazu benutzt werden, noch mehr Bots und kriminelle virtuelle Identitäten auf die digitale Welt loszulassen.

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Worldcoin identifiziert echte Menschen über einen Scan des Auges mit dem „Orb“, einem Gerät, das die Iris scannt. In Deutschland ist das aktuell nur in Berlin möglich. Die Idee dahinter: Das Abbild der Iris ist noch individueller als ein Fingerabdruck, die Daten aus dem Scan werden auf der Blockchain hinterlegt. Nutzer müssen so für den Nachweis ihrer Identität keine anderen Daten wie etwa die Telefonnummer oder E-Mailadresse mehr preisgeben.

The Orb heißt das Gerät, mit dem Menschen sich für Worldcoin registrieren können. (Bild: picture alliance / REUTERS | Annegret Hilse)

Als Anreiz zum Mitmachen bekommen Menschen eine gewisse Summe der Kryptowährung Worldcoin (WLD). Derzeit sind das zum Start 25 WLD, die aktuell rund knapp 58 Dollar wert sind. So wird die Identitätsüberprüfung mit einem Finanznetzwerk verknüpft. Das Versprechen: eine Art bedingungslosen Grundeinkommen in einer Zeit, in der die KI die Wirtschaft umkrempeln und vielleicht viele Menschen arbeitslos machen wird. Worldcoin soll dann allen Menschen unabhängig von ihrem Land oder ihrer Herkunft Zugang zur Weltwirtschaft verschaffen.

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Bedenken bei Privatsphäre und Sicherheit

Kenia ist nicht das einzige Land, das bei Datenschutz und -sicherheit erhebliche Bedenken an dem Projekt anmeldet. Vor allem in Europa wird Worldcoin wegen der Erfassung biometrischer Daten genau unter die Lupe genommen.

In Frankreich prüft die Datenschutzaufsicht CNIL das Projekt bereits und auch die britische Datenschutzaufsicht schaut sich Worldcoin genau an. In Deutschland hat das Bayerische Landesamt für Datenschutzaufsicht eine Prüfung eingeleitet – die Behörde sieht hohe Risiken für die betroffenen Personen bei der Datenverarbeitung. Außerdem hat die Finanzaufsicht Bafin bereits angekündigt, Worldcoin genau unter die Lupe zu nehmen. Die Worldcoin Foundation betont, sich an alle geltenden Gesetze und Vorschriften zu halten, einschließlich der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO).

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Schon der Scanvorgang mit den futuristischen „Orbs“ löst bei manchen Beobachtern Orwellsche Überwachungsphantasien aus. Worldcoin selbst verspricht, das Projekt sei „vollkommen privat“ und die biometrischen Daten würden entweder gelöscht oder die Nutzer könnten sich dafür entscheiden, sie verschlüsselt zu speichern.

Neben den Datenschutzbedenken löst der Irisscan in vielen Ländern auch Stirnrunzeln im Hinblick auf die Sicherheit der Daten aus. So besteht die Gefahr des Identitätsdiebstahls und des Betrugs, denn wie bei einer Krypto-Wallet könnten Nutzer ihre Iris-Daten auch unwissentlich an Kriminelle weitergeben. Es gab bereits Probleme mit dem Diebstahl von Anmeldedaten und mit Schwarzmarktverkäufen von World-ID in China. Das Unternehmen beteuerte daraufhin, seine Sicherheitsvorkehrungen verstärkt zu haben.

Wo gibt es Worldcoin?

Seit Ende Juni scannt Worldcoin auch in Deutschland die Iris der Nutzer:innen, die Standorte kann man in der App nachschauen. Seit Ende Juli ist die Kryptowährung an bekannten Börsen handelbar. Hier kann man Worldcoin kaufen, ohne den Irisscan durchführen zu lassen.

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Worldcoin ist eine sogenannte „Layer 2“-Kryptowährung und basiert auf der Ethereum-Blockchain, wodurch sie von deren Sicherheitsmaßnahmen profitiert. Auf der Website Coinmarketcap können Nutzer:innen die Preisentwicklung des WLD-Token verfolgen.

Wer steckt hinter dem Worldcoin-Projekt?

Worldcoin ist ein Open-Source-Projekt. Dahinter steht die Worldcoin Foundation und das Unternehmen Tools for Humanity mit Sitz in San Francisco und Berlin. Gegründet wurde das Unternehmen von dem deutschen Physiker Alex Blania, Sam Altman und Max Novendstern. Blania ist auch CEO des Unternehmens, der Augenscanner Orb wird in Erlangen hergestellt. Das Projekt hat nach eigenen Angaben bereits zwei Millionen Nutzer aus seiner Beta-Phase.

Zu den Investoren zählt der Kryptoarm von Andreessen Horowitz a16z sowie Blockchain Capital, die sich an einer Finanzierungsrunde von rund 115 Millionen US-Dollar beteiligt haben. In einer ersten Finanzierungsrunde sammelte Worldcoin zuvor 100 Millionen Dollar ein und wurde mit drei Milliarden Dollar bewertet. Damals beteiligte sich auch Sam Bankman-Fried, der Gründer der mittlerweile gescheiterten Kryptobörse FTX, an dem Projekt.

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Wie reagiert die Krypto-Community auf Worldcoin?

In der Kryptowelt gibt es nicht nur Worldcoin-Enthusiasten, obwohl Altmans Projekt im aktuellen Kryptowinter als willkommener und innovativer Lichtblick erscheint. Kritisiert wird neben den Datenschutzrisiken aber auch das Tokenomics-Modell von WLD.

So lobt Ethereum-Mitbegründer Vitalik Buterin in einem ausführlichen Blog-Post zwar die Idee des universellen Grundeinkommens und die hoch entwickelte Technologie, die das Potenzial habe, sich gegen andere „Proof-of-Personhood“-Konzepte durchzusetzen. Allerdings weist er auch auf die potenziellen Probleme mit der Privatsphäre, der Sicherheit, der Zentralisierung und dem Design des WLD-Tokens hin.

Das WLD-Angebot wird für 15 Jahre auf zehn Milliarden Token begrenzt. Zum Zeitpunkt des offiziellen Starts ist allerdings nur ein Bruchteil davon, nämlich 143 Millionen WLD, im Umlauf. Davon wurden 43 Millionen an verifizierte World-App-Nutzer vergeben und 100 Millionen an Market-Maker, um den Handel zu erleichtern. Der Großteil des Tokenangebots (75 Prozent) soll langfristig an die Nutzerschaft gehen. Allerdings sind auch 13,5 Prozent für Investoren von Tools for Humanity sowie Investoren von a16z reserviert, weitere 9,8 Prozent gehen an das ursprüngliche Entwicklerteam.

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Wie realistisch ist Worldcoins Vision?

Ob Worldcoin sein hehres Versprechen von einem globalen bedingungslosen Grundeinkommen halten kann, ist angesichts massiver Herausforderungen fraglich. Ein wesentlicher Hemmschuh dürften die regulatorischen Maßnahmen in vielen Ländern sein – das aktuelle Verbot in Kenia ist da nur ein Beispiel. Dort hat die Worldcoin Foundation ihren Verifizierungsdienste nun pausiert – wegen der überwältigend Andrangs, der dazu geführt habe, dass „Zehntausende von Menschen drei Tage lang Schlange standen, um eine World ID zu erhalten“, wie es in einem Statement heißt.  Nun will man mit den lokalen Behörden zusammenarbeiten, um das Verständnis für die Datenschutzmaßnahmen und -verpflichtungen zu erhöhen, die Worldcoin nicht nur in Kenia, sondern überall umsetze.

In anderen Ländern ist Worldcoin allerdings gar nicht erst gestartet, weil es dort ein sehr kryptokritisches Umfeld gibt. Auch in den USA ist das Token nicht verfügbar. Dort ringen US-Aufsichtsbehörden und Gesetzgeber weiterhin um die Frage, welche Coins als Wertpapiere eingestuft werden und welche nicht.

Zudem könnte die Verfügbarkeit und die Verteilung der hochspezialisierten Orbs Worldcoin noch vor Probleme stellen. Um Milliarden Menschen zu scannen, müssten Tausende Orbs produziert werden. Die Vor-Ort-Scans übernehmen daher Freelancer, die künftig auch eigene Orbs produzieren sollen. Bezahlt werden die sogenannten „Operator“ im Wesentlichen mit einer Zuteilung an Worldcoin-Token.

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Ob Nutzer:innen dann wirklich Schlange stehen für den Irisscan? Viele dürften grundsätzliche Vorbehalte haben, ihre biometrischen Daten preiszugeben. Momentan lockt in Ländern wie Kenia oder Indien vor allem das leicht verdiente Geld Menschen vor die Orbs. Kritiker werfen Worldcoin deshalb auch vor, Menschen in Entwicklungsländern auszubeuten. Dort wird die Plattform stark beworben, ein Großteil der Nutzer:innen stammt von dort.

Die MIT Technology Review berichtet allerdings über betrügerische und ausbeuterische Praktiken, die Worldcoin angewandt haben soll, um Menschen in Test-Ländern wie Indonesien oder Ghana als Nutzer:innen zu gewinnen.

Beim Thema digitales Grundeinkommen ruderte Ricardo Macieira, General Manager für Europa bei Tools For Humanity, gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters jüngst zurück. „Ich glaube nicht, dass wir diejenigen sein werden, die ein universelles Grundeinkommen schaffen“, sagte er. „Wenn wir die Infrastruktur bereitstellen können, die es Regierungen oder anderen Einrichtungen ermöglicht, dies zu tun, wären wir sehr glücklich.“ Unternehmen könnten Worldcoin dann für die Nutzung seines digitalen Identitätssystems bezahlen.

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