20 Jahre Youtube: Wie ein Zoobesuch den Grundstein für ein Milliardengeschäft legte

Am Valentinstag 2005 ging die Website youtube.com erstmals live. Ursprünglich hatten die Gründer – Chad Hurley, Steve Chen und Jawed Karim – allerdings gar nicht vor, eine Videoplattform zu entwickeln. Unter dem Motto „Tune In, Hook Up“, wollten sie stattdessen eine Dating-Seite aufziehen.
Dass es dann doch anders kam, lag an zwei sehr unterschiedlichen Ereignissen: Ein Erdbeben im Indischen Ozean und ein Vorfall beim 38. Superbowl, der von der US-Presse die Bezeichnung „Nipplegate“ erhielt.
Bei der Halbzeitpause des Superbowls im Januar 2004 wurde die rechte Brust von Sängerin Janet Jackson entblößt. Das führte vor allem in konservativen Kreisen in den USA zu Kritik. Während den Vorfall zwar Millionen Menschen im Fernsehen gesehen hatten, war es vergleichsweise schwierig, den Clip im Internet zu finden.
Dasselbe galt für private Videos von dem verheerenden Sumatra-Andamanen-Beben im Dezember 2004, das am Ende mehr als 230.000 Menschen das Leben gekostet hat. Später erklärte Youtube-Mitgründer Karim, dass die mangelnde Verfügbarkeit von Videos zu beiden Ereignissen letztlich zu dem Plan führte, eine eigene Videoplattform aufzubauen.
Das erste Video auf der neuen Plattform wurde von Karim am 23. April 2005 hochgeladen und zeigt den Mitgründer bei einem Besuch im Zoo von San Diego. Was wenig spektakulär wirkt, war der Anfang einer bemerkenswerten Erfolgsgeschichte.
Anfänge und Verkauf an Google
Nur wenige Monate nach dem Start erreichte Youtube rund 30.000 Zuschauer täglich. Damit wurde auch der Risikokapitalgeber Sequoia auf Youtube aufmerksam. In einer ersten Finanzierungsrunde Ende 2005 nahm das junge Unternehmen 3,5 Millionen US-Dollar ein. Ein halbes Jahr später kamen weitere 8 Millionen Dollar hinzu.
Zu dem Zeitpunkt gab es bereits mehr als 25 Millionen Videos auf der Plattform. Im Februar 2006 wurde erstmals Video-Werbung auf Youtube ausgespielt. Dabei handelte es sich um Werbung für die US-Fernsehserie Prison Break.
Schon im Oktober 2006 kam dann der Exit für die Gründer: Google übernahm Youtube für 1,65 Milliarden Dollar in Aktien. Zu dem Zeitpunkt war das Googles zweitgrößte Übernahme.
Im Nachhinein ein extrem lohnenswertes Geschäft für den Internet-Konzern: 2024 lag der Umsatz mit Youtube-Werbung erstmals über dem Wert von zehn Milliarden Dollar. Diese Summe umfasst nicht einmal die gesamten jährlichen Einnahmen, denn Youtube verdient mittlerweile auch über ein kostenpflichtiges Abo-Modell Geld.
Die Entstehung des Youtubers – und die Folgen
Nicht nur Google-Mutter Alphabet verdient viel Geld an Youtube. Seit 2007 werden bestimmte Video-Ersteller:innen an den Werbeeinnahmen ihrer Clips beteiligt. Das führte zur Entstehung eines ganz neuen Berufsbilds: das des Youtubers.
Laut Schätzungen von Forbes verdiente der erfolgreichste von ihnen, der unter dem Pseudonym MrBeast bekannte US-Youtuber James Stephen Donaldson, bislang 85 Millionen Dollar.
Auch wenn am Ende wohl die wenigsten Youtuber wirklich viel Geld mit ihren Videos verdienen, hat der Erfolg von Kanälen wie der von MrBeast mittlerweile deutlichen Einfluss auf die Berufswünsche junger Menschen. Laut einer Befragung aus dem Jahr 2023 will knapp die Hälfte aller Abiturient:innen selbst gerne Creator:in werden, wie die Videoersteller auch von Youtube selbst bezeichnet werden.
Was auf der einen Seite ein Milliardengeschäft ist, lässt aber auch Bedenken aufkommen. Vor allem wenn es um die Beziehung junger Menschen und ihren Youtube-Stars geht. Laut einer Google-Studie aus dem Jahr 2017 empfinden 70 Prozent aller Teenager die Verbindung zu Youtube-Stars enger als zu traditionellen Film- oder Musik-Stars.
Tatsächlich gaben sogar 40 Prozent der Teenager an, ihr Youtube-Star verstehe sie besser als ihre echten Freunde. Dabei ist die Beziehung zwischen Zuschauer:in und Youtuber:in prinzipbedingt recht einseitig. Dennoch entsteht aufseiten der Fans häufig das Gefühl von Nähe – obwohl nie echte Interaktion zwischen den beiden Seiten stattgefunden hat.
In der Medienpsychologie wird dieses Phänomen als parasoziale Beziehung bezeichnet. Der Begriff stammt bereits aus den 1950er Jahren und ist damit grundsätzlich kein wirklich neues Phänomen. Kritiker:innen sehen aber in der Art und Weise, wie Youtube und andere soziale Netzwerke funktionieren, die Bildung solcher Beziehungen steigere.
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Kritik am Algorithmus
Immer wieder kam in den vergangenen 20 Jahren auch Kritik an den Empfehlungsalgorithmen von Youtube auf. Da zu der genauen Funktionsweise kaum offizielle Informationen existieren, hat die gemeinnützige Stiftung hinter Browser-Entwickler Mozilla 2020 mithilfe einer eigens dafür entwickelten Browser-Erweiterung versucht, den Effekt des Empfehlungsalgorithmus zu erforschen.
Mithilfe des Plugins konnten Freiwillige Videos melden, die sie lieber nicht gesehen hätten. Darunter fielen sowohl Clips, die Desinformationen enthielten, als auch Gewaltvideos, Hatespeech oder Betrugsversuche. 71 Prozent der so gemeldeten Clips wurden den Nutzer:innen von Youtube empfohlen. Besonders ärgerlich: In mehr als 43 Prozent dieser Fälle hatte die Empfehlung absolut nichts mit dem Thema des vorherigen Videos zu tun.
Niedriges Wachstum – und Kampf gegen Werbeblocker
2024 stieg die Zahl der Youtube-Nutzer:innen nur noch leicht um 0,74 Prozent an. Um die Umsätze weiterhin zu steigern, nimmt die Plattform seit 2023 immer stärker den Kampf mit Werbeblockern auf.
Anfang 2025 berichteten einige Nutzer:innen, die Werbeblocker verwendet haben, dass ihnen teilweise für fast eine Stunde Werbeanzeigen angezeigt wurden. Zuvor wurden immer wieder neue technische Maßnahmen ergriffen, um die Nutzung der Website mit aktiviertem Werbeblocker zu verhindern.
Trotz aller Kritik: Youtube lässt sich aus dem Netz nicht mehr wegdenken. Die Video-Plattform hat unsere Sehgewohnheiten nachhaltig verändert. Von Let’s Play über Unpacking zu viralen Videos – vor 20 Jahren gab es nichts davon. Auch wenn Youtube vor allem bei jüngeren Zuschauern zunehmend Konkurrenz von dem auf Kurz-Clips spezialisierten Dienst Tiktok oder der Livestreaming-Plattform Twitch erhält, wird die Plattform auch auf absehbare Zeit eine der wichtigsten Anlaufstellen für Bewegtbilder im Netz bleiben.
Zwar verbringen Teenager Studien zufolge mittlerweile mehr Zeit auf Tiktok als auf Youtube. Aber das zeigt am Ende vielleicht auch nur das veränderte Nutzungsverhalten der Youtube-Zielgruppe. Denn wie Youtube-CEO Neal Mohan in einem Blogbeitrag erklärt, werden die Videos auf der Plattform zumindest in den USA mittlerweile am häufigsten auf dem Smart-TV angeschaut – statt auf dem Smartphone. Mohan geht sogar so weit zu sagen, Youtube sei „das neue Fernsehen“. Ganz unrecht hat er nicht. Gleichzeitig ist Youtube nach nunmehr 20 Jahren aber auch die alte Streaming-Plattform.