
Wenn About You im Juni zur Hauptversammlung einlädt, könnten die Geschäftszahlen zu einigen unbequemen Nachfragen führen. Denn der Online-Modehändler wird seinen Verlust um 100 Millionen Euro steigern, wie der jüngst veröffentlichte Jahresbericht belegt. Demnach erhöhte sich der Vorsteuerverlust auf knapp 213 Millionen Euro.
Ein Ergebnis, das im Modeumfeld aktuell wohl nicht überrascht, denn viel besser steht Otto auch nicht da (mit zuletzt 201 Millionen Euro Verlust). Auch Otto hatte kürzlich anlässlich der Verkündung der Jahresergebnisse durchblicken lassen, dass die Mischung aus Energiekrise und Kaufzurückhaltung, die ja die gesamte Wirtschaft trifft, kombiniert mit dem Ukrainekrieg und der Krisenstimmung der Bevölkerung den Geschäften einen starken Dämpfer verpasst hat.
Und so hatte auch bereits im März About-You-Chef Tarek Müller angekündigt, bei den Kosten auf die Bremse treten zu wollen. Einsparungen in der Logistik, strengere Werbeerfolgskontrolle im Marketing und bei den Kampagnen und nicht zuletzt genaueres Hinsehen bei den Einstellungen im nicht-technischen Bereich sollten hier für eine weniger harte Landung sorgen. 1.283 Mitarbeitende hatte About You im ablaufenden Geschäftsjahr – gut 100 mehr als vor einem Jahr.
About You: Mehr Kunden, aber noch hohe Verluste
Doch zur Wahrheit gehört auch, dass About You zwar nicht die angestrebte Zwei-Milliarden-Marke schaffen wird, dafür aber immerhin mit 12,7 Millionen Kund:innen Otto überholt hat, die auch schon auf 11,3 Millionen Kund:innen kommen. Dass Otto umsatzseitig mit 4,5 Milliarden Euro klar vor About You liegt, verwundert nicht. Interessant aber auch der Vergleich mit Zalando, deren Kund:innenzahl mit gut 51 Millionen fast so hoch liegt wie die Gesamtzahl der kompletten Otto-Group. Otto hat demnach zwar deutlich besser als andere von der Sondersituation in der Corona-Pandemie profitieren können, aber die durchschnittliche Zahl an Bestellungen pro Jahr liegt bei About You inzwischen bei 3,1 Einkäufen.
Am Warenkorbwert mit knapp 55 Euro pro Warenkorb hat sich dabei gar nicht mal so viel getan, der Wert ist etwas rückläufig. Das Bruttowarenvolumen liegt mit 169,60 Euro pro Kund:in geringfügig höher als im Vorjahr. Letztlich werden alle großen Bekleidungsversender das Rennen um die Gunst der Kund:innen aber vor allem auf der Technikseite und mithilfe von eigenen Plattformen gewinnen müssen – und Otto hat ja bereits einige Maßnahmen angekündigt, die dazu beitragen sollen, dass Otto weiterhin auf Kurs bleibt. Von 3D-Fitting zur Retourenreduzierung ist dabei ebenso die Rede wie von vermeintlichen Neverending-Trendthemen wie Live-Shopping.
Ob und mit welchen Zielgruppen diese Rechnung aufgeht, muss sich indes erst zeigen. About you hat zwar nicht ansatzweise das durchgängige Inhouse-Serviceportfolio, auf das die Otto Group zurückgreifen kann, es ist aber die Marke, mit der das verbunden wird, was Anleger:innen so gerne als „Kursphantasie“ umschreiben. Die im Schnitt jüngere Kundschaft mit höherer Digitalaffinität könnte dazu beitragen, dass About You gut durch die Krise kommt – besser jedenfalls als viele andere Player in dem Segment.
Gemeinsam haben Otto und About You, dass sie in den kommenden Monaten und Jahren gezielter investieren müssen: Denn unternehmerische Fehler könnten sich aufgrund fehlender finanzieller Polster schneller rächen als in der Vergangenheit. Ob es About You gelingen wird, im kommenden Geschäftsjahr schneller zu wachsen als der Markt, bleibt abzuwarten – schlecht stehen die Chancen dafür jedenfalls nicht.