
Amazons Sparkurs könnte sich rächen. (Foto: Clare Louise Jackson / Shutterstock)
Es gab Zeiten, da gab es bei Amazon nur eine Richtung in Hinblick auf Verbesserungen: die zugunsten der Kundschaft. Amazon verdiente immer mehr Geld, die über den Marketplace verkaufenden Händler:innen taten es dem Unternehmen gleich. Doch in den letzten Monaten hat sich die Großwetterlage speziell im Onlinehandel verändert.
Nach zwei, eher sogar drei Jahren pandemiebedingter Sonderkonjunktur für den E‑Commerce sind die Wachstumsraten nicht mehr so hoch wie bisher (auch wenn all das Jammern auf verdammt hohem Niveau ist). Und ob Amazon im aktuellen ChatGPT-Hype mit den eigenen KI-Funktionalitäten überzeugen kann, steht auch noch in den Sternen.
Verschlechterungen wo man hinschaut
Da sind zunächst einmal die zahlreichen Verschlechterungen für die Kund:innen: Der Konzern hat im letzten Herbst das beliebte Prime-Abo um rund ein Viertel verteuert – von 69 Euro auf 89,90 Euro. Auch die Leistungen wurden zurückgefahren – so ist etwa der zum Prime-Abo gehörende Musikdienst nur noch eine bessere Random-Radio-Variante und mit einem vollwertigen Musikdienst nicht mehr vergleichbar.
Auch beim Mindestbestellwert und einigen weiteren Details dreht Amazon etwas konfus an der Preisschraube (wir berichteten über die mehrfachen Erhöhungen, die dann kurz danach wieder zurückgenommen wurden). Gefühlt haben sich auch die Laufzeiten für Pakete – mit wie ohne Prime-Abo – verlängert, wobei Amazon trotz eigener Logistik offenbar auch mit der Knappheit an Ressourcen zu kämpfen hat.
Das rein auf den Versand beschränkte Prime-Lite-Abo, das deutlich günstiger ist und auf die ganzen zusätzlichen Dienste verzichtet, hat Amazon dagegen nur in Indien angeboten und dürfte in absehbarer Zeit eine Einführung in den westeuropäischen Ländern auch nicht planen.
Eher schleichend verschlechtert sich das Angebot bei Prime Video, dem Videoangebot, das Nutzer:innen mit dem Prime-Abo bekommen. Hier experimentiert Amazon ja schon seit einigen Monaten verstärkt mit Werbeeinblendungen und packt immer häufiger Inhalte nach kurzer Zeit ins kostenpflichtige Angebot. Auch landen manche Inhalte im kostenfreien, besser: im werbefinanzierten Angebot Freevee.
Anderes wird direkt eingestellt
Einschränkungen und Streichungen gibt’s auch bei weiteren Prime-Diensten. So hat Amazon den beliebten Drive-Service eingestellt, der insbesondere für Prime-Mitglieder eine gute Möglichkeit war, Bilder und andere Daten abzulegen. Das dürfte mit den gestiegenen Kosten für Energie und Rechenzentrums- sowie Cloud-Ressourcen zu tun haben, eine Herausforderung, die gerade vielen Cloud-Anbietern die Bilanz zu verhageln droht. Die Alternative ist hier Amazon Photos, das aber nicht in allen Fällen eine optimale Lösung darstellt.
Und dann ist da noch das in der Einstellung befindliche Amazon-Smile-Angebot. Mit dem Spendenprogramm gingen seit 2013 wie bei einem Affiliate-Angebot kleine Beträge an wohltätige Organisationen. Ein halbes Prozent vom Warenpreis ging dorthin – und veranlasste Kund:innen mit dem Gefühl, etwas Gutes zu tun, dazu, bei Amazon zu kaufen. Doch auch wenn über die Jahre ein erklecklicher Millionenbetrag zusammenkam, darf man wohl mit spitzem Bleistift gegenrechnen, dass es in vielen Fällen schlauer gewesen wäre, wenn Kund:innen das Produkt beim günstigsten Vergleichsanbieter gekauft und ein paar Euro direkt gespendet hätten.
Amazon muss den Gürtel enger schnallen – und tut dies aktuell vor allem bei Mitarbeitenden. 18.000 Arbeitskräfte müssen derzeit gehen, erst Anfang des Jahres verkündete das Unternehmen dies. Und natürlich stellt das Unternehmen derzeit auch mit deutlich mehr Bedacht ein, als es in der Vergangenheit der Fall war.
Einschnitte wohl bald auch beim Sprachassistenten
Auf dem Prüfstand stehen auch viele Projekte und Geschäftsfelder, die Amazon in den letzten Jahren mit Hoffnung auf zukünftige üppige Refinanzierung an den Start gebracht hat. Das prominenteste Produkt, bei dem dem Vernehmen nach der Rotstift angesetzt werden könnte, sind die Smartspeaker und die damit verbundenen Dienste um den Sprachassistenten Alexa. Denn viele Kund:innen nutzen Alexa vor allem zur Steuerung von Musik und Kalendereinträgen, aber eben nicht zum Einkaufen, wie sich der Onlineriese das erhofft hatte. Entschieden ist hier offiziell noch nichts, doch es steht zu befürchten, dass das Unternehmen dir Hoffnung auf den breiten Erfolg etwas revidiert hat.
Ob tatsächlich Alexa so ein „kolossaler Reinfall“ war, wie es ein hochrangiger Alexa-Entwickler einst formulierte, darf bezweifelt werden. Und doch sind die kolportierten fünf Milliarden US-Dollar Verlust, die Amazon damit zuletzt machte, in heutigen Zeiten selbst für den Digitalkonzern nichts mehr, was man einfach so wegsteckt. Als Einflüsterer für die Bestellliste hat Alexa also offenbar versagt. Und auch bei den Cloud-Diensten, dem B2B-Geschäft im AWS-Bereich, wachsen die Bäume nicht mehr so in den Himmel, wie dies in den letzten Jahren der Fall war. Der Grund hierfür sind, wir sagten es bereits, die gestiegenen Energiekosten, die auch durch effizientere Cloud-Orchestrierung nur unzureichend eingefangen werden können.
Dennoch muss Amazon aktuell aufpassen, dass die Stimmung nicht kippt. Denn noch ist das Unternehmen im Onlinehandel für viele der No-Brainer, wenn es um einfaches Bestellen, unkompliziertes Umtauschen und akzeptables Pricing geht. Und für viele Händler:innen ist es selbstverständlich, neben dem eigenen Webshop auch über den Amazon Marketplace präsent zu sein. Daran konnten in den letzten Jahren nicht einmal die Schlagzeilen über Steuervermeidung, in vielen Fällen nicht nachvollziehbaren Umgang mit Geschäftspartner:innen und über einige andere Wachstumsschmerzen eines schnell gewachsenen Konzerns etwas ändern. Wenn Kund:innen mit steigenden Preisen bei den Services und längeren Versandzeiten konfrontiert sind, könnte das für Amazon vieles verschlechtern.