„Nicht ganz easy“: Wie Entwickler:innen an euren Trophies und Achievements arbeiten
Bringe 2.000 Monster um. Schließe alle Sidequests ab. Laufe einmal komplett über die Worldmap. Achievements oder Trophäen in Videospielen sind oft ziemlich uninspiriert. Das ist nicht verwunderlich, handelt es sich dabei doch um Vorgaben der Plattform-Anbieter wie Playstation, Xbox oder Steam. Nur Nintendo hat bisher kein Achievement-System eingeführt. In „Resident Evil 8“ gibt es eine Trophäe dafür, mit dem Messer einen abgeschossenen Pfeil aus der Luft zu holen. Nicht viele Spieler:innen haben das bisher geschafft – aber es ist ein Beispiel dafür, wie dieses Belohnungs-System doch originell genutzt werden kann.
Das unerreichbare Achievement
Nun gibt es ein Spiel auf Steam, das ein ganz besonderes Achievement hat – nämlich eines, das ihr gar nicht bekommen könnt. „Where the Water Tastes Like Wine“ ist eine Mischung aus Visual Novel und Puzzle-Spiel, in dem die Spieler:innen in die Zeit der Great Depression der 20er und 30er Jahre in den USA versetzt werden. Das Spiel ist bereits 2018 auf Steam und Ende 2019 für Playstation 4, Xbox One und Nintendo Switch erschienen. Doch erst jetzt hat ein Entwickler gegenüber den Kolleg:innen von Kotaku erklärt, wieso sie ein Achievement in das Spiel eingebaut haben, das niemand erreichen kann. „Ein großes Thema unseres Spiels ist die Idee, dass Amerika seinen Bürger:innen viel verspricht – aber das meiste davon nicht einhalten kann“, sagt Johnnemann Nordhagen gegenüber Kotaku. Daher sei das letzte Achievement, das wie das Spiel „Where the Water Tastes Like Wine“ heißt, für niemanden erreichbar. „Am Ende soll es keine Resolution geben.“
Das Spiel ist also ein eindrückliches Beispiel dafür, wie Achievements als narratives Element eingesetzt werden können. Bedauerlich ist es, dass das Studio diese Besonderheit in den Versionen für Playstation 4 und Xbox One wieder entfernen musste. Beide Anbieter lassen keine Trophäen zu, die nicht erreicht werden können.
Wozu dienen Achievements und Trophäen?
In den Steam-Bewertungen zu „Where the Water Tastes Like Wine“ finden sich einige erboste Kommentare. Einigen Gamern ist es aufgefallen, dass sie dieses Spiel nicht zu 100 Prozent abschließen können – und es stört sie. „Das Spiel ist nichts für Komplettisten.“ Doch was steckt eigentlich dahinter? Jamie Madigan ist Doktor der Psychologie und ist der Frage auf seiner Seite The Psychology of Video Games schon vor einiger Zeit nachgegangen. Er nennt acht Gründe dafür, wieso Achievements und Trophäen funktionieren – und was sie mit den Spieler:innen machen. Die Wichtigsten sind, dass die Belohnungen die Selbstwirksamkeit steigern, also die Gewissheit darin, etwas schaffen zu können. Das Spiel hat dafür ein Achievement, also muss es auch möglich sein. Dadurch würden diese Belohnungen zu festen Zielen, die die Spieler:innen motivieren, weiterzumachen. Und natürlich spielt auch die Vergleichbarkeit und soziale Interaktion eine Rolle: Wer sieht, dass seine Freund:innen bestimmte Trophäen bekommen haben, sei motiviert, sie auch zu erreichen. Nicht umsonst zeigen alle Plattformen sehr bereitwillig an, welche Achievements die Personen auf der Freundesliste ergattert haben.
Für die Studios sind die Belohnungen daher ein willkommenes Mittel, Spieler:innen bei der Stange zu halten. Besonders in „Games as a Service“-Spielen, die über Monate hinweg immer wieder Updates erfahren, können diese Achievements ein Grund sein, stetig ins Spiel zurückzukehren. So erhöht sich die Spieldauer, was wiederum für höhere Umsätze sorgen kann. Denn um das letzte Achievement zu bekommen, braucht es eine ganz bestimmte Waffe – und die kostet Geld. Trophäen und Achievements sind im besten Fall nette Belohnungen für Spieler:innen. Im schlimmsten Fall aber werden sie zu Druckmitteln für Menschen, die Spiele unbedingt komplettieren wollen. Aber wie ist es eigentlich für die Entwickler:innen, sie zu erstellen?
Nervt es Entwickler:innen eigentlich, Achievements zu kreieren?
t3n hat mit mehreren Entwickler:innen darüber gesprochen, wie diese Arbeit eigentlich aussieht: Sich Aufgaben und Errungenschaften in Spielen zu überlegen, für die die Spieler:innen Trophäen bekommen können. Auf die Frage, ob diese Arbeit eigentlich nervt, antworteten die meisten mit einem „Nein … aber“.
„Da wir alle zocken, macht es Spaß, sich coole Achievements auszudenken und sie dann auch einzubauen – manchmal entsteht dadurch ja auch noch eine coole Meta-Ebene, die im normalen Spielablauf so nicht darstellbar wäre“, sagt etwa Johannes Roth, Founder von Mimimi Games, die schon Spiele wie „Desperados 3“ oder „Shadow Tactics“ entwickelt haben. Für ihn und sein Studio sind Achievements also eine Möglichkeit, nochmal kreativ zu werden. Ähnlich hält es auch Matthias Guntrum, Co-Founder und Project Lead von Gentlymad, die für „Endzone: A World Apart“ verantwortlich zeichnen. „Wenn man dazu Zeit hat, macht es meistens sogar Spaß, denn dann kann man da ganz nette Eastereggs oder kleine Gags unterbringen. Wir setzen uns für sowas immer wieder mal zusammen und schauen, was als Achievement eine nette Herausforderung wäre“, sagt er.
Alle Entwickler:innen, mit denen wir gesprochen haben, gaben an, dass sie zumindest versuchen, etwas Mühe in die Erstellung von Achievements zu stecken. Sie wollen die Spieler:innen überraschen mit den Aufgaben, die sie erfüllen können, erinnern sich dabei an ihre eigenen Erlebnisse in einem Spiel und den Wunsch, alles in einem Game zu erledigen. Es ist eine besondere Genugtuung für viele, die „100 Prozent“ in einem Videospiel zu sehen – zu wissen, dass sie alles geschafft haben.
Das „Aber“
Dennoch können Achievements für Stress und zusätzliche Arbeit sorgen. Die Option, sie einfach wegzulassen, gibt es nicht. Steam, Playstation oder Xbox machen sie zu einer Voraussetzung, damit ein Spiel überhaupt im jeweiligen Store angeboten werden kann. Und das ist die Krux: Um zu entscheiden, für welche Errungenschaften es Trophäen gibt, muss ein Spiel so gut wie fertig sein. Das heißt, dass diese Arbeit erst am Ende der Produktion stattfinden kann – zur stressigsten Zeit also.
„Bei ‚Escape the Loop‘ haben wir dafür 30 Arbeitstage eingeplant: Zehn für die Achievement-Art, die auf jeder Plattform eigene Anforderungen hat. Zehn für das Achievement-Design und zehn für die technische Implementierung“, erzählt uns Benjamin Lochmann, CEO von Pixel Maniacs, die schon mit uns über die Vermarktung ihres Spiels „Can’t Drive This“ auf Tiktok gesprochen haben. Zudem müsse jeder Text in unterschiedliche Sprachen übersetzt werden. „Gerade bei Achievements, bei denen die Texte witzig geschrieben sind, war das nicht ganz easy“, sagt er.
Es sind also der Zeitdruck, kurz vor Release nochmal kreativ werden zu müssen, und die technische Implementierung, die Achievements zu einer mühsamen Angelegenheit machen können. Besonders dann, wenn das Spiel auf mehreren Plattformen gleichzeitig erscheint. Stephan Hövelbrinks steckte gerade mitten in dieser Arbeit. Sein Spiel „Death Trash“ erscheint nach jahrelanger Arbeit am 5. August auf Steam. Ihn nerve besonders, dass sich die Kleinigkeiten so summieren würden. „Sollte ich ein neues Achievement hinzufügen, muss ich nur etwa Code ändern. Aber dann brauche ich vielleicht ein Achievement-Bild in unterschiedlichen Größen, Beschreibung in unterschiedlichen Sprachen, und muss das Ganze dann in mehreren Backends eintragen“, sagt er.
Ob nun „Where the Water Tastes Like Wine“ oder „Death Trash“: Achievements bedeuten auch Arbeit für Entwickler:innen. Mal stecken in ihnen interessante Ideen, mal sind sie nur abzuhakende Arbeit, damit das Spiel zugelassen wird. Beim nächsten Aufploppen einer Trophäe in einem Game also mal kurz innehalten: Das hat sich ein Mensch erdacht.
Unmöglich? Auf der Steam-Seite wird angezeigt, dass bereits 0,3 % der Spieler das Achievement erreicht haben, wie man hier sieht: https://steamcommunity.com/stats/447120/achievements
„Achievements und Trophäen sind für viele Spieler:innen ein Grund, mehr Zeit in ein Game zu stecken. Ein Steam-Spiel hat allerdings ein unerreichbares Achievement.“
Dann bin ich wohl eher ein „weniger Spieler“, Achievements jucken mich überhaupt nicht und ich finde diese permanenten Einblendungen eher als super störend. Ich spiele ein Spiel wegen der Story und ich weil ich irgendwelche Pfeile aus der Luft pflücke. Story fertig, Spiel wird gelöscht.