Am Freitagmorgen hatte die Bank angekündigt, eine 1,5 Milliarden Dollar schwere Nachranganleihe zum nächsten Kündigungstermin am 24. Mai zu 100 Prozent des Nennwerts, einschließlich der aufgelaufenen Zinsen, zu tilgen – eine Nachricht, die eigentlich nicht zu Verunsicherungen und einem solchen Kurssturz führen sollte.
Die Gründe für die Verluste der Deutsche-Bank-Aktie liegen daher wohl eher in der allgemeinen Verunsicherung im Bankensektor. Ausgelöst wurde die aktuelle Bankenkrise in den USA: Los ging es mit der Pleite des in der Kryptobranche besonders aktiven Finanzdienstleisters Silvergate Capital. Ein paar Tage später wurde die auf Startup-Finanzierungen spezialisierte Silicon Valley Bank unter die Kontrolle der US-Einlagensicherung FDIC gestellt und geschlossen, weitere kleine US-Banken gerieten danach ins Strudeln.
In Europa musste die Schweizer Großbank Credit Suisse in einer Wochenendaktion von ihrer Konkurrentin UBS übernommen werden. Die Schweizerische Nationalbank stellte zudem 100 Milliarden Franken an Liquiditätshilfe für beide Banken bereit. Richtig beruhigt haben sich die Märkte seitdem nicht. Markteilnehmer fragen sich offensichtlich, wie stabil die Banken sind.
Macron: „Spekulanten“ sind verantwortlich
Die Deutsche Bank war mit ihren Kursverlusten am Freitag nicht allein: Auch die Aktien anderer europäischer Banken standen am Freitag unter Druck, wenn auch nicht so massiv wie das deutsche Institut. So verloren die Papiere der niederländischen ING und der Société Générale in Paris bis zu 4,4 Prozent.
Die Politik versucht weiterhin, die Märkte zu beruhigen: Am Freitag meldete sich sogar Bundeskanzlers Olaf Scholz zum Thema Deutsche Bank zu Wort. „Es gibt keinen Anlass, sich irgendwelche Gedanken zu machen“, sagte der Bundeskanzler. Die Deutsche Bank habe ihr Geschäftsmodell grundlegend modernisiert und neu organisiert und sei „eine sehr profitable Bank“. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron machte „Spekulanten“ für die jüngste Talfahrt von Bankenwerten an den Börsen verantwortlich.
Auch Marktteilnehmer halten einen Angriff von Hedgefonds für eine wahrscheinliche Erklärung des Kurssturzes bei der Deutschen Bank. So zitiert das Handelsblatt mehrere Banker, die im Handelsmuster vom Freitag Attacken sogenannter Shortseller erkennen, die mit Wetten auf Kursverluste europäischer Bankaktien Geld verdienen wollen. „Ihre belastete Vergangenheit macht die Deutsche Bank anfällig für solche Attacken“, sagt ein Banker der Zeitung. Der Abwertung der Aktie war ein Kostenanstieg bei Risikoprämien auf die Kreditausfallversicherungen (CDS) der Banken vorangegangen. Mit den Kreditderivaten können sich Investoren gegen einen Zahlungsausfall von Unternehmen absichern.
Am Donnerstag waren die Risikoprämien von CDS der Deutschen Bank gestiegen, gleichzeitig wuchs offenbar auch die Zahl der Preisanfragen an den Kreditderivaten der Deutschen Bank, was laut der Nachrichtenagentur Bloomberg als Indiz für wachsendes Interesse von Hedgefonds gewertet werden kann.
Twitter versus Deutsche Bank
Insgesamt habe sich die Zahl der leerverkauften Deutsche-Bank-Aktien zwar seit Monatsbeginn grob verdoppelt – das sei aber eine „industrietypische Entwicklung“, schreibt der Blog Finanz-Szene und vermutet einen ganz anderen Grund hinter dem Absturz der Deutsche-Bank-Aktie: Die Stimmungsmache auf Social Media, die als „millionenfache Echokammer“ entscheidend zum Kurscrash beigetragen haben dürfte. So war der Begriff „Deutsche Bank“ am Freitag unter den „Trending Topics“ auf Twitter.
Bereits am Donnerstag hatte der bekannte US-Hedgefonds-Manager Boaz Weinstein über den „wirklich heftigen“ Anstieg der Risikoprämien bei Kreditderivaten nachrangiger Anleihen unter anderem bei der Deutschen Bank getwittert.
Auch im Wallstreetbets-Forum von Reddit explodierten laut Wall Street Journal die Beiträge zur Deutschen Bank. Das Forum ist spätestens seit der Börsenrallye rund um die Aktien des Videospielhändlers Gamestop und der Kinokette AMC Anfang 2021 bekannt, als sich Kleinaktionäre hier zum Kauf der Aktien verabredeten – und damit die Wetten von Leerverkäufern auf fallende Aktienkurse platzen ließen.
Zur Deutschen Bank fielen die aktuellen Kommentare hier eher negativ aus. Ähnlich war es zuvor schon der Credit Suisse ergangen. Nicht nur die Banken selbst, sondern auch Finanzaufseher sorgen sich derzeit um die neue Macht der sozialen Medien. So machte Marlene Amstad, Präsidentin der schweizerischen Finanzmarktaufsicht Finma, zuletzt auch die Gerüchte auf Social Media für die massiven Abflüsse von Kundeneinlagen bei der Credit Suisse verantwortlich. Auch bei der Silicon Valley Bank hatten Tweets den schnellen Abfluss von Kundengeldern befeuert.
Aktuell erholt sich die Aktie der Deutschen Bank weiter. Analyst Nicolas Payen von Kepler Cheuvreux betonte in einer Studie, dass die Deutsche Bank nicht zur nächsten Credit Suisse werde. Die jüngste Entwicklung des Aktienkurses und bei den Credit Default Swaps spiegelten „absolut nicht die Fundamentaldaten der Bank wider, sondern eine ungerechtfertigte Panik über europäische Banken“.
Auch die US-Bank Citigroup hält den Markt angesichts des Kurseinbruchs bei der Deutschen Bank für „irrational“. Weder die CDS-Kurse noch das Thema Finanzierung von US-Gewerbeimmobilien (CRE) noch die Russland-Sanktionen erklärten diese Bewegung bei der Deutschen Bank wirklich, meint Analyst Andrew Coombs. Einige Investoren sehen das starke Engagement des Instituts am US-Markt für Gewerbeimmobilien als riskant an, da dort die Angst vor Kreditausfällen in diesem Bereich wächst.